Frage an Rainer Brüderle von Hans-Günter G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Brüderle,
die Überwachung von Bundestagsabgeordneten des Deutschen Bundestages durch den Verfassungsschutz, dürfte auch bei Ihnen ein gewisses Unbehagen hervorrufen.
Gregor Gysi schreibt in seinem Brief an den Bundespräsidenten, dem Bundestagspräsidenten und an die Kanzlerin: :"Der Bundestag hat unter anderem die Funktion, die Tätigkeit der Geheimdienste in Deutschland zu kontrolieren. Die Tatsache, dass ein Geheimdienst diese Funktion umdreht und meint, selbst Abgeordnete überwachen zu dürfen, ist nicht hinnehmbar."
Der ganze Brief unter http://www.linksfraktion.de
Wie stehen Sie zu dieser Problematik und werden Sie die Forderung der Linkspartei nach sofortigem Unterlassen dieser Bespitzelung und Diskriminierung unterstützen?
Schöne Grüße
Hans-Günter Glaser
Sehr geehrter Herr Glaser,
vielen Dank für Ihre Frage.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21. Juli 2010 entschieden, dass die Überwachung von Abgeordneten, in diesem Fall der Partei "Die Linke", grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Jedoch müssen dafür konkrete Anhaltspunkte wie z.B. verfassungsfeindliche Bestrebungen der Partei vorhanden sein.
Derartige Bestrebungen existieren innerhalb der Linken. So wurde schon gerichtlich festgestellt, dass bedeutsame und aktive Kräfte in der Linkspartei das Ziel verfolgen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beseitigen. Diese Kräfte streben u. a. weiterhin die Diktatur des Proletariats im marxistisch-leninistischen Sinne an. Meinungsäußerungen von Vertretern der Linken sind in diesem Sinne sehr aufschlussreich. Die angestrebte Gesellschaftsordnung ist dabei alles andere als harmlos. Sie würde zentrale Werte des Grundgesetzes außer Kraft setzen, etwa die Menschenrechte, das Recht auf allgemeine und gleiche Wahlen, das Recht zur parlamentarischen Opposition sowie die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung. Beobachtungen von einzelnen Mitgliedern in herausgehobenen Stellungen sind daher nach der oben erwähnten Gerichtsentscheidung rechtmäßig.
Eine generelle Aufhebung der Observation wäre daher in unseren Augen nicht verantwortbar. Es muss allerdings sichergestellt werden, dass die Beobachtung - die übrigens ohne nachrichtendienstähnliche Mittel durchgeführt wird - rechtsstaatlich einwandfrei erfolgt. Deshalb ist es richtig, dass jeder Einzelfall der Beobachtung kritisch überprüft und hinterfragt wird. Der politische Raum dafür ist das Parlamentarische Kontrollgremium. Dort setzt sich die FDP für eine Prüfung der Angelegenheit ein.
Wichtig dabei ist die Untersuchung des Observierungsanlasses. Die FDP macht sich dafür stark, bei fehlenden stichhaltigen Begründungen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz im Einzelfall entsprechend einzustellen.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Brüderle