Portrait von Rainer Brüderle
Rainer Brüderle
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Rainer Brüderle zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Peter W. •

Frage an Rainer Brüderle von Peter W. bezüglich Finanzen

sehr geehrter Herr Brüderle

warum will die Bundesregierung und die anderen europäischen Länder Italien mit unseren Steuergeldern retten?
Das land soll die höchsten Privatvermögen bei hoher Staatsverschuldung haben!
Warum lassen wir es weiter zu das in Italien seit dem 2. Weltkrieg, Korruption, Steuerhinterziehung,Rechtsbeugung, Geldwäsche und Mafia die Politik bestimmen?
Warum kann ein Regierungschef Gesetze ändern um die Steuern, um über 400 Mill.€, für seine Konzerne zusenken?
Warum will die EU Italien Millionen für die Rettung der Kulturgüter in Pompei zur Verfügung stellen,sind nicht schon in den letzten Jahrzehnten Millionenbeträge durch Korruption und Mafia verschwunden?
Ist es nicht unverschämt wenn sich Berlusconi jede Kritik an seiner Politik verbietet?

Wann wird endlich was getan gegen die europaweite Steuerhinterziehung zu Lasten der anständigen Steuerzahler?
Ist das nicht ein Skandal wenn, unser Finanzminister auf ca. 50 Milliarden € Steuern Schwarzgeld in dem Abkommen mit der Schweiz verzichtet und die Bundesbürger zum Sparen aufgefordert werden und Gelder für Bildung, Forschung etc. gekürzt werden?

Portrait von Rainer Brüderle
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Wulf,

vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Vor dem Hintergrund der Verschuldungskrise sollten wir uns vergegenwärtigen, was wir an Europa haben und warum wir ein starkes und stabiles Europa brauchen.
Europa ist mehr als nur eine bloße Interessengemeinschaft, ein Staatenbündnis, ein Militärbündnis und ein großer Binnenmarkt. Es ist die Idee vom friedlichen Europa, die Idee der grenzenlosen Freiheit im Geistesleben, der Gleichheit im Rechtsleben und der Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben. Diese Idee reicht geistig und weltbürgerlich weit über die Grenzen des Kontinents hinaus.

Die EU gehört zu den wertvollsten politischen und wirtschaftlichen Errungenschaften seit dem Zweiten Weltkrieg.
Das Aufbauwerk mehrerer Generationen von Europäern darf nicht fahrlässig aufs Spiel gesetzt werden. Darum muss Politik gerade in Krisenzeiten klug und vorausschauend handeln. Ansonsten riskiert man, die Menschen zurückzulassen, die daraufhin ihr Vertrauen verlieren und sich enttäuscht von Europa abwenden könnten. Dies würde Europa die politische Grundlage für die Zukunft entziehen.
Zu unseren wichtigsten Aufgaben gehört momentan die Stabilität des Euro und die Zukunft Europas.

Zu geringe Produktivität, verkrustete Strukturen und Marktzugangsbeschränkungen, Lohnkartelle, Reformstau in den Sozial- und Bildungssystemen und zu hohe Staatsquoten beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit und führen zu schwacher Wirtschaftsleistung, zu geringen Staatseinnahmen und zu hohen Staatsausgaben in vielen Staaten der Währungsunion. Diese Staaten müssen die notwendigen Reformen zunächst selbst angehen.

Obwohl Staaten die Kriterien des Stabilitätspakts in den vergangenen 10 Jahren dutzende Male gerissen haben, wurde noch nie eine Sanktion verhängt. Verträge und Gesetze konnten bei Bedarf so ausgelegt werden, dass sie ihre Wirkung nicht ausreichend entfalten. Die Lehre daraus lautet: Wir brauchen eine neue Stabilitätskultur in Europa. Es müssen neue Leitplanken für die finanzpolitische Stabilität und eine stabile Währung eingezogen werden. Wir brauchen einen verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt. Diese neue Stabilitätskultur ist die Grundlage dafür, Verschuldungskrisen einzudämmen und künftig zu vermeiden. Die mit den "Rettungspaketen" geschaffenen neuen Instrumente üben einen Druck in Richtung Haushaltsdisziplin aus und müssen durch Reformen aufrechterhalten werden.
Für uns steht fest: Europa darf nicht scheitern. Wir wollen Europa und den Euro schützen.
Die Eurokrise ist noch nicht vorüber. Durch die bis jetzt getroffenen Maßnahmen wurde Zeit gewonnen, die nun genutzt werden muss. Um die Krise zu überwinden, muss die Politik ihre Ursachen angehen und darf nicht lediglich an Symptomen herum kurieren. Die Ursachen sind vor allem zu hohe Staatsverschuldung, zu geringe Wettbewerbsfähigkeit in einigen Mitgliedstaaten und europaweit ein zu fragiles Bankensystem, was als "Ansteckungskanal" für Verschuldungskrisen auf andere Staaten wirken kann.

Wir brauchen einen europafreundlichen und ordnungspolitisch vertretbaren Weg aus der Eurokrise. Wir wollen eine Eurozone aus stabilen Volkswirtschaften, die auf eigenen Beinen stehen. Wir brauchen Staaten, die eine stabile und handlungsfähige EU bilden. Nur wenn wir die Menschen dabei mitnehmen, hat Europa eine Zukunft!
In meinen Augen sind es Europa und eine stabile Währung wert, mit vollem Einsatz dafür einzutreten.

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Brüderle