Frage an Rainer Brüderle von Carsten H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Brüderle,
unser Gesundheitssystem leidet seit vielen Jahren an mangelnden Einnahmen oder zu hohen Ausgaben. Seit vielen Jahren wird mehr oder weniger erfolgreich an der Ausgabenseite herum experimentiert. Aber der durchschlagende Erfolg ist für mich nicht erkennbar.
Die einzige Veränderung in Sachen Einnahmen in den ganzen Jahren war die Änderung der Beitragssätze. Und auch die nur mit eher durchschnittlichen Ergebnissen.
Was ich an dem System nicht verstehe. Das System der Krankenversicherung soll doch eine Solidargemeinschaft sein. Alle zahlen nach ihren individuellen Möglichkeiten ein und wer Hilfe braucht bekommt sie aus dem großen Topf. Doch unser Gesundheitssystem ist nicht so aufgebaut. Es gibt eine reihe von Personenkreisen die sich diesem System entziehen können und damit zu guter Letzt dem System im ganzen Schaden.
Da sind die Selbstständigen, die nicht in die gesetzlichen Krankenkassen zahlen müssen.
Da sind die Menschen mit hohen Einkommen, die nicht in die gesetzlichen Krankenkassen zahlen müssen.
Ein großer Teil dieser Personen sind gern gesehene Kunden bei privaten Krankenkassen. Und das aus gutem Grund. Man muss kein Statistiker sein um zu erkennen das diese Menschen wohl statistisch weniger Kosten verursachen als es die Gruppe der gesetzlich Versicherten. Denn sonst wären die privaten Krankenversicherungen mit ihren günstigen Beiträgen schon Pleite. Der Grund liegt vermutlich auch im Berufsbild der Personen mit hohen Einkommen und auch in der Motivation, auch krank zur Arbeit zu gehen, bei den Selbstständigen.
Ich könnte mir vorstellen das es der gesetzlichen Krankenversicherung viel besser gehen würde, wenn alle Personen unabhängig vom Einkommen oder anderen Merkmalen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit in dieses System einzahlen würden. Freiwillige Zusatzversicherungen stehen ja jedem offen.
Könnten Sie sich ein solches System für die Zukunft vorstellen?
Sehr geehrter Herr Hoffmann,
vielen Dank für Ihre Frage.
Der von Ihnen unterbreitete Vorschlag entspricht der Einführung einer Bürgerversicherung, wie ihn auch SPD, GRÜNE und Linkspartei grundsätzlich fordern. Eine Bürgerversicherung bedeutet im Grundsatz, dass die gesamt Bevölkerung, also auch bislang privat Versicherte, einbezogen werden. Zudem werden Beiträge auf alle Einkommensarten erhoben werden. Dieser Ansatz einer Bürgerversicherung wirft schwerwiegende rechtliche Fragen auf und wird von der FDP-Fraktion abgelehnt. Wir fordern vielmehr ein System, mit dem die Finanzierung der Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abgekoppelt wird. Nur so kann die Finanzierung, vor dem Hintergrund weiter steigender Ausgaben auf Grund des demografischen Wandels und des medizinisch-technischen Fortschritts, auch im Sinne nachfolgender Generationen auf eine stabile und verlässliche Grundlage gestellt werden. Eine schlechtere konjunkturelle Entwicklung und eine hiermit verbundene höhere Arbeitslosigkeit haben dann zudem nicht mehr zwangsläufig Einnahmeausfälle für die gesetzliche Krankenversicherung und damit steigende Beitragssätze zur Folge. In einer Bürgerversicherung, die weiterhin auf einkommensabhängige Beiträge setzt, wäre dies der Fall. Beschäftigungschancen würden damit auch künftig durch steigende Krankenversicherungsbeiträge gefährdet. Mit dem GKV Finanzierungsgesetz, das zum 01. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist, ist uns der Einstieg in ein solches System gelungen. Nunmehr werden Ausgabensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung über einkommensunabhängige Zusatzbeiträge finanziert. Der Arbeitgeberanteil wurde darüber hinaus nun bei 7,3 Beitragssatzpunkten festgeschrieben. Die Negativspirale von steigenden Krankenversicherungsbeiträgen und sinkenden Beschäftigungschancen wird damit durchbrochen.
Über die einkommensunabhängigen Zusatzbeiträge haben die gesetzlichen Krankenkassen zudem wieder mehr Beitragsautonomie erhalten und damit größere Spielräume im Sinne ihrer Versicherten und Patienten. Für diese ist es nun leichter, Preis und Leistung ihrer Krankenversicherung miteinander zu vergleichen. Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen um eine gute und kostengünstige Versorgung wurde somit gestärkt.
Die FDP-Bundestagsfraktion hat immer hervorgehoben, dass ein stärker einkommensunabhängig finanziertes Krankenversicherungssystem mit einem sozialen Ausgleich verbunden werden muss. Insbesondere die Bezieher geringer Einkommen müssen wirksam vor Überforderung geschützt werden. Entsprechend haben wir mit dem GKV-Finanzierungsgesetz auch einen gerechten und unbürokratischen Ausgleich, der aus Steuermitteln finanziert wird, eingeführt.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Brüderle