Frage an Rainer Brüderle von Eugen S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister,
da Sie immer wieder gegen Mindestlohn argumentieren (ist er zu hoch, vernichtet er Arbeitsplätze, ist er zu niedrig, hat er keinen Nutzen) frage ich Sie, ob ein Mindestlohn wenigstens den Nutzen hat, die Staatskasse zu entlasten, da dann die staatlichen Aufstockungszahlungen deutlich geringer ausfallen würden. Wenn Ihre Beteuerungen stimmen würden, dass Sie den Staat entlasten wollen und nicht nur die Arbeitgeber mit asozialen Geschäftsmodellen, müssten Sie doch einem moderaten, nicht verhöhnenden Mindestlohn zustimmen können, oder etwa nicht?
Mit freundlichen Grüßen
Eugen Schiebel
Sehr geehrter Herr Schiebel,
vielen Dank für Ihre E-Mail vom 24. April 2010. Sie fragen, ob ein Mindestlohn die staatlichen Leistungen für so genannte Aufstocker mindern und damit die öffentlichen Haushalte entlasten kann.
Im Koalitionsvertrag vom Oktober 2009 hat sich die christlich-liberale Koalition darauf verständigt, die bestehenden Mindestlohnregelungen daraufhin zu überprüfen, ob Arbeitsplätze gefährdet und neue Beschäftigungsverhältnisse verhindert werden sowie die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Branchen gewährleistet bleibt. Das Ergebnis dieser Überprüfung dient als Grundlage für die Entscheidung, ob die geltenden Mindestlohnregelungen Bestand haben oder aufgehoben werden sollen.
Grundsätzlich besteht insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen die Gefahr, dass sie einen staatlich festgesetzten Mindestlohn nicht zahlen können. Damit droht ein Mindestlohn bestehende Arbeitsplätze zu vernichten und den Aufbau neuer Beschäftigungsverhältnisse zu verhindern. Zugleich kann der Wettbewerb zulasten des Mittelstands gefährdet werden. Dies hat zum Beispiel der Fall in der Postbranche sehr deutlich gemacht. Aber auch der Großteil der wissenschaftlichen Studien kommt zu dem Ergebnis, dass ein Mindestlohn negative Beschäftigungseffekte zur Folge hat.
Negative Beschäftigungseffekte bedeuten mehr Kosten für Bund, Länder, Gemeinden und die Bundesagentur für Arbeit bei der Versorgung der steigenden Zahlen an Arbeitslosen sowie Mindereinnahmen bei den Sozialversicherungen. Ein staatlich festgesetzter Mindestlohn erhöht also die gesamtstaatlichen Kosten.
Zudem sind sich die Ökonomen einig darin, dass hauptsächlich flexible betriebliche Lösungen für die erstaunlich robuste Arbeitsmarktentwicklung seit Herbst 2008 verantwortlich waren. Nur so war es möglich, dass trotz der tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte deutlich mehr deutsche Beschäftigte ihren Arbeitsplatz behalten konnten als dies im gleichen Zeitraum in den anderen Industrienationen der Fall war. Staatlich festgesetzte Mindestlöhne würden solche flexiblen Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verhindern und damit wichtige Stabilisierungsinstrumente für unsere Volkswirtschaft in Krisenzeiten aushebeln.
Ergänzend spreche ich mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich gegen Lohndumping aus. Die Koalitionsparteien haben sich darauf verständigt, die Rechtsprechung zum Verbot sittenwidriger Löhne gesetzlich festzuschreiben. Damit werden wir auch wirksam gegen soziale Verwerfungen in einzelnen Branchen vorgehen.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer Brüderle