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Frage von Klaus P. •

Frage an Rainer Brüderle von Klaus P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brüderle

Verteidigungsminister und Wehrbeauftragter spielen „guter Cop-böser Cop“ um die Dolchstoßlegende (fehlender Rückhalt an der Heimatfront) neu zu platzieren. Dabei sind 64% der Wähler ( http://de.statista.com/statistik/daten/studie/5393/umfrage/afghanistan:-weiterer-aufenthalt-oder-rueckzug-der-bundeswehr/ ) gegen einen BW in Afghanistan. In anderen Themenbereichen ist es ähnlich. Haben die Analysten des Bundestages einen Zusammenhang zwischen der Politikverdrossenheit und der offensichtlichen Ignoranz im Abstimmungsverhalten unserer gewählten Volksvertreter herausgearbeitet ? Wird dieses Thema im Bundestag zur Kenntnis genommen oder überlässt man es den Parteien?

Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüssen

Klaus Paulus

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Paulus,

vielen Dank für Ihre Frage zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan.

Selbstverständlich nehme ich Meinungsumfragen zur Kenntnis. Das trifft sicher auch für die überwiegende Mehrzahl der Abgeordneten des deutschen Bundestags zu. Allerdings ist es auch Aufgabe der gewählten Volksvertreter, sich selbst in Themen einzuarbeiten und sich so eine eigene Meinung zu bilden. Das fordert nicht zuletzt das Grundgesetz mit dem freien Mandat des Abgeordneten. Der zivile und militärische deutsche Beitrag zum internationalen Engagement in Afghanistan hat dazu beigetragen, daß das Land bislang nicht wieder zum zentralen Rückzugsort für international agierende Terroristen geworden ist. Trotzdem haben sich mittlerweile im Grenzbereich des Nachbarlandes Pakistan Terroristen neu formiert und bedrohen die Bevölkerung und unsere Truppen. Noch immer haben viel zu wenige Afghanen – dies gilt vor allem für den weiblichen Teil der Bevölkerung – ein menschenwürdiges, selbstbestimmtes Leben. Es muß unser Ziel sein, das zu ändern. In den ersten Jahren des internationalen Engagements ist es versäumt worden, den Aufbau effizienter Regierungs-, Verwaltungs- und Sicherheitsapparate voranzutreiben. Dieses Versäumnis, das auch die Bundesregierung durch ihr Versagen beim Polizeiaufbau mit verantworten muß, hat weitgehende Erfolge verhindert und sogar zu einer Reihe von Rückschlägen geführt. Die FDP setzt sich dafür ein, daß Deutschland gemeinsam mit Afghanistan und den Verbündeten daran arbeitet, die Strategie der vernetzten Sicherheit für die Stabilisierung Afghanistans unter Berücksichtigung der Stammesstrukturen endlich umzusetzen – hin zu mehr zivilem Wiederaufbau in ganz Afghanistan und zu einer verstärkten Übernahme der Verantwortung für die Sicherheit durch die afghanischen Armee- und Polizeikräfte. Nur so läßt sich der Einsatz der internationalen Truppen zeitlich zu begrenzen. Wir fordern einen regionalen Ansatz, der trotz Schwierigkeiten auch Länder wie Pakistan, Rußland, China und den Iran in Problemlösungen einbezieht. Die Politik muß ausgerichtet sein auf einen konsequenten Aufbau afghanischer Verwaltungsstrukturen. Für die Menschen auf dem Land muß eine wirtschaftliche Alternative zum Anbau von Mohn für Drogen geboten werden. Der Ansatz der vernetzten Sicherheit muß weiter verfolgt werden und macht für eine Übergangszeit die internationale Truppenpräsenz weiterhin erforderlich. Auch die FDP tritt wie die Mehrheit der von Ihnen zitierten Umfrage für einen Rückzug deutscher Truppen aus Afghanistan ein, sobald dies möglich ist. Derzeit gibt es zum deutschen Einsatz aber keine Alternative. Im übrigen hat sich die afghanische Bevölkerung in einer Umfrage der Freien Universität Berlin eindeutig positiv zum Engagement der internationalen Einsatzkräfte in ihrem Land ausgesprochen. Auch das gilt es zu bedenken.

Mit freundlichen Grüßen,

Rainer Brüderle, MdB