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Frage von Joachim S. •

Frage an Rainer Brüderle von Joachim S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Brüderle,

was waren Ihre Beweggründe gegen das Gesetz zu stimmen?
War es Ihrer Meinung nach handwerklich schlecht ausgearbeitet? Geht es am Ziel, die Verbreitung von Kinderpornogpahie zu erschweren oder zu unterbinden vorbei? Ist es ein Zensurgesetz?

Mit freundlichen Grüßen

Joachim Seitz

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Seitz,

vielen Dank für Ihre Frage zum Gesetz der Bundesregierung zur Bekämpfung der Kinderpornographie.
Selbstverständlich muß Kinderpornographie effektiv bekämpft werden. Die Erfolge der Ermittlungsbehörden in Bund und Ländern in diesem Bereich müssen fortgesetzt werden. Insbesondere ist für ausreichende personelle und sächliche Mittel, gerade bei der IT-Ausstattung, bei Polizei und Staatsanwaltschaften, die richtigerweise sehr sensibel auf Anzeigen und Erkenntnisse in diesem Bereich reagieren, zu sorgen. Zudem müssen wir die Prävention verbessern. Hier sind Eltern, Schulen, Kindergärten, Ärzte und Jugendämter ebenso gefordert wie die Gesellschaft insgesamt. Eine Kultur des Wegschauens darf es nicht geben.

Das Gesetz der Bundesregierung zur Änderung des Telemediengesetzes, nach dem die Zugangsprovider dazu verpflichtet werden sollen, Internetseiten nach Vorgabe einer Sperrliste des Bundeskriminalamts durch Umleitung auf eine Stopp-Seite zu sperren, hat die FDP-Bundestagsfraktion abgelehnt. Die Gründe nenne ich Ihnen gern:

Straftaten, die im oder mit Hilfe des Internet begangen werden, müssen konsequent verfolgt werden. Staatliche Maßnahmen müssen sich aber an den geltenden rechtsstaatlichen Vorgaben messen lassen. Schon die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Bereich der Gefahrenabwehr bei der Verbreitung von Kinderpornographie ist zweifelhaft. Gefahrenabwehr obliegt den Ländern, die in diesem Bereich hervorragende Arbeit leisten. Auch die Regulierung von Medieninhalten liegt in der Zuständigkeit der Länder, wohingegen der Bund nur für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Telemedien zuständig ist. Insoweit stellt sich die Frage, ob der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist.

Darüber hinaus werden verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit aufgeworfen. Von den geplanten Sperrungen können auch legale Internetseiten erfaßt sein, wie die Bundesregierung selbst einräumt. Betroffen von der Sperrung von Internetseiten sind die Telekommunikationsfreiheit, die Informations- und Meinungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit. Selbstverständlich schützen die Grundrechte nicht rechtswidriges Verhalten. Das Verbreiten und das Sich-Beschaffen wie auch schon der Besitz von Kinderpornographie sind aber ja längst strafbar.

Mit den jetzt geplanten Sperrungen sind die gesperrten Seiten nach wie vor zugänglich, wenn z.B. ein anderer DNS verwendet oder aber die IP-Adresse direkt eingegeben wird. Nicht erfaßt werden sog. Peer-to-Peer-Netzwerke, da diese nicht in den Domain-Name-Servern verzeichnet sind. Insoweit wird ein für die Begehung von Straftaten im Bereich der Kinderpornographie wesentlicher Verbreitungsweg schon von vornherein nicht erfaßt. Schließlich wechseln die Server nach Angabe des Bundeskriminalamts (BKA) häufig, teilweise nach nur wenigen Stunden. Sperrlisten, die binnen sechs Stunden wirksam werden müssen, verfehlen dann ihr Ziel.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat das Vorgehen der Bundesregierung kritisiert, die Provider durch Verträge mit dem BKA zu Sperrungen zu verpflichten, da Grundrechtseingriffe stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist aber unter keinem Gesichtspunkt den Anforderungen an eine verfassungsmäßige Rechtsgrundlage gerecht geworden. So fehlten Vorgaben für ein rechtsstaatliches Verfahren oder für klare Haftungsregelungen der Provider. Auch die Ausweitung der Befugnisse des BKA im Bereich der Gefahrenabwehr lehnen wir ab.

Wir haben das parlamentarische Verfahren dazu genutzt, unsere Bedenken sachlich und kritisch vorzutragen, um eine ernsthafte Debatte anzustoßen. Da entgegen der vielfach vorgetragenen Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU/CSU und SPD das Gesetz verabschiedet haben, hat die FDP-Fraktion nunmehr ein Gutachten in Auftrag gegeben, um etwaige rechtliche Schritte prüfen zu lassen. Es verbietet sich unserer Ansicht nach, das Thema in die eine oder andere Richtung zu instrumentalisieren.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Brüderle