Sehr geehrter Herr Krämer, wie stehen Sie zur ganz aktuellen Frage: Beendigung aller Corona-Maßnahmen - und natürlich auch Verzicht auf eine Impfpflicht?
Die zweite dänische Haushaltsstudie („SARS-CoV-2 Omicron VOC Transmission in Danish Households“) etwa verdeutlichte das aktuelle Bild in absoluten Zahlen: 79,1% aller Omikron-Fälle sind doppelt, 10,6% dreifach und nur 8,5% ungeimpft. Gegenüber der Delta-Variante war die SAR mit Omikron bei Ungeimpften um das 1,17-fache, bei doppelt Geimpften um das 2,65-fache und bei Geboosterten um das 3,66-fache erhöht. Die Schlussfolgerung, die in Deutschland aus dieser Entwicklung gezogen wurde, kennen wir: „Boostern, boostern, boostern!“ Die Konsequenz, die Dänemark, aber auch England, Israel, Norwegen, Finnland, Schweden daraus gezogen haben, kennen wir auch: Ende aller Maßnahmen! Das heißt natürlich auch: Keine Impfpflicht - weder einrichtungsbezogen noch generell!
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich sehr gerne beantworte. Da ich in den letzten Monaten eine Vielzahl von Anfragen im Rahmen der Diskussion um eine etwaige Impfpflicht erhalten habe, bitte ich für die Verzögerung um Verständnis.
Ursprünglich habe ich den Gesetzentwurf für eine Corona-Impfpflicht ab 50 Jahren unterstützt. Meine obersten Beweggründe waren hierbei, sowohl eine Überlastung des Gesundheitssystems, und damit auch der Aufschiebung von medizinischen Eingriffen oder der Anwendung der Triage, als auch einen erneuten Lockdown für die Zukunft weitestgehend auszuschließen. Dabei hatte ich weniger den aktuellen Pandemieverlauf, sondern die künftige Entwicklung der Covid-19-Pandemie und möglicherweise neu auftretende Virusvarianten im Blick. Schon aus organisatorischen Gründen hätte eine Impfpflicht erst zum zweiten Halbjahr 2022 Wirkung entfalten können.
Ein staatlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit einer Bürgerin oder eines Bürgers war in meinen Augen nur für Personen ab 50 Jahren verhältnismäßig und zu rechtfertigen. Denn für diese Personengruppe war und ist die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs signifikant größer. Dieses Risiko kann mit einer dreifachen Impfung um bis zu 80% reduziert werden und damit auch das Risiko für eine Überlastung des Gesundheitssystems im kommenden Winter. Für Personen unter 50 Jahren war eine Impfpflicht aus meiner Sicht nicht verhältnismäßig.
Die verschiedenen Initiativen für die Einführung einer Impfpflicht mündeten schließlich in einen fraktionsübergreifenden Antrag, der die Impfpflicht für Personen ab 60 Jahren vorsah. Auch diesen habe ich aus den oben genannten Grünen unterstützt.
In der finalen Beratung und Abstimmung durch den Deutschen Bundestag am 7. April fand schließlich der von mir unterstützte Gesetzentwurf keine Mehrheit. Allerdings wurden auch alle anderen Beschlussvorschläge abgelehnt, einschließlich derjenigen, die eine Impfpflicht generell ausschließen wollten.
Unabhängig davon habe ich der letzten Initiative der Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes zugestimmt, die vor einigen Wochen in Kraft getreten ist. Der aktuelle Verlauf der Pandemie hat es glücklicherweise ermöglicht, die meisten Infektionsschutzmaßnahmen zu beenden. Allerdings ist es weiterhin erforderlich, in besonders schutzbedürftigen Bereichen, beispielsweise in der Pflege, höhere Schutzstandards aufrecht zu erhalten. Daher erachte ich die Beibehaltung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt als sinnvoll.
Es bleibt abzuwarten, wie sich künftig auftretende Virusvarianten entwickeln werden und ob sich der Anteil von schweren Krankheitsverläufen im Vergleich zur aktuellen Situation wieder signifikant erhöhen wird. Sollte dieser Fall eintreten, wird die politische Diskussion zu einer allgemeinen Impfpflicht und zu weitergehenden Schutzmaßnahmen möglicherweise wieder aufgenommen. Umgekehrt ist natürlich auch die vollständige Aufhebung aller Maßnahmen denkbar.
Mit freundlichen Grüßen
Philip Krämer