Was werden Sie tun, um zu verhindern, dass sich die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler*innen in D durch die vom BMBF angekündigten Änderungen am WissZeitVG weiter verschlechtern?
Sehr geehrte Frau Dr. Sitte,
mit großem Erschrecken habe ich wahrgenommen, was das BMBF zur (seit Jahren drindend notwendigen) Neugestaltungen des WissZeitVG verlautbaren lässt. Die jüngst bekannt gewordenen Pläne würden das Problem nicht verbessern, sondern vielmehr drastisch verschlechtern. Bereits jetzt ist eine wissenschaftliche Karriere so prekär geworden, dass viele meiner Mitpromovend*innen und ich uns trotz fachlicher Eignung beruflich umorientieren - nicht weil wir nicht wissenschaftlich arbeiten möchten, sondern weil wir es unter den aktuellen Bedingungen nicht können. Darunter leiden nicht nur Wissenschaftler*innen, sondern unsere Gesellschaft insgesamt. Ich bitte Sie inständig, sich hier für umfassende Reformen (nicht nur) des WissZeitVG einzusetzen - im Bildungsausschuss, in Ihrer Partei und darüber hinaus!
Weitere Informationen: https://docs.google.com/document/d/1orgaZDC04YoH2PtDJBP5Ko1DgP-IWFIFPt8Ch3CDRME/
sowie Positionspapier "Dauerstellen für Daueraufgaben" (GEW).
Sehr geehrte Frau F,
liebe Kollegin,
vielen Dank für die Frage und Ihr Engagement. Die nun verspätet vorgelegten Eckpunkte der Koalition zu einer Novelle des WissZeitVG sind in der Tat ernüchternd und bleiben weit hinter dem Notwendigen zurück. So begrüßenswert es ist, dass Herr Brandenburg nun weitere Gespräche mit den Beteiligten und Betroffenen ankündigt, man fragt sich schon: Sind der Koalition die offensichtlichen Missstände, die zahlreichen Proteste, Zeitungsartikel und Untersuchungen (unter anderem der GEW) in den vergangenen Jahren entgangen? Das FDP-geführte BMBF scheint sich praktisch ausschließlich an der Arbeitgeberseite zu orientieren, wie sie von der HRK vertreten wird. Selbst die deutlichen Worte und Empfehlungen des Wissenschaftsrates finden in den Eckpunkten keinen Widerhall, ebenso wenig die eindeutigen Zahlen aus dem Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs. Der belegt seit Jahren unabhängig von den WissZeitVG-Evaluationen mit nüchternen Zahlen die ausufernde und international herausstechende Prekarität des Arbeitslebens im deutschen Wissenschaftssystem.
Als Linksfraktion haben wir vor kurzem eine Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes in Auftrag gegeben, die belegt, dass es keinerlei empirische Nachweise für das immer wieder vorgebrachte Argument gibt, hohe Fluktuation gehe mit erhöhter Innovation einher (https://www.bundestag.de/resource/blob/911754/c37e79b4ab0b84337740862b5cf95573/WD-8-061-22-pdf-data.pdf). Wir haben dieser Tage eine Kleine Anfrage eingereicht, um den Stand der Verhandlungen zur WissZeitVG-Novelle und den darin vertretenen Positionen und Argumenten zu erfragen (https://dserver.bundestag.de/btd/20/059/2005968.pdf) und sie damit öffentlich zu machen. Ich habe auf der Konferenz der GEW zum WissZeitVG am 15. März die Koalitionäre und das BMBF gedrängt, ihre Versprechen aus dem Koalitionsvertrag endlich einzulösen und damit auf die Forderungen nicht zuletzt aus den Reihen von SPD und Grünen aus den vergangenen Wochen einzugehen. Und ich habe heute eine Sondersitzung des Ausschusses für Bildung und Forschung angeregt, um die weitere Arbeit der Koalition an ihrem Gesetzentwurf noch einmal öffentlich zu debattieren, nachdem die Eckpunkte in der gesamten Community für Erstaunen und Protest gesorgt haben. Ich setze mich mit meinen Fraktionskolleg:innen regelmäßig dafür ein, dass die zuständigen Gewerkschaften und Initiativen an den Debatten und Beratungen im Bundestag beteiligt werden, und dränge in meinen Gesprächen mit Verbänden und Wissenschaftseinrichtungen seit vielen Jahren auf eine Verbesserung der Belange des wissenschaftlichen Mittelbaus uns besonders der Post Docs.
Verlässlichkeit und Planbarkeit, wie sie der Koalitionsvertrag der Ampel verspricht, können wir nur leider aus der Opposition heraus nur einfordern, nicht umsetzen. Dafür werden letztlich natürlich weitere Hebel in Gang gesetzt werden müssen, auf Landesebene, aber auch im Bund, wo Bildung als Gemeinschaftsaufgabe definiert werden sollte. Die Tarifsperre des WissZeitVG muss fallen, damit weitere Verbesserungen nicht jedesmal auf eine Gesetzesüberarbeitung warten müssen. Und der Bund hat die Aufgabe, seine Drittmittel endlich zur Finanzierung unbefristeter Stellen freizugeben; das wäre leicht zu machen und würde den Hochschulen rasch mehr Spielraum geben.
In diesem Sinne werde ich mich weiter für bessere Beschäftigungsbedingungen in der Wissenschaft und für die nötige Kontinuität in Forschung und Lehre einsetzen und fühle mich durch jeden – leider immer wieder nötigen – Protest aus den Reihen der Forscherinnen und Forscher in meinem Einsatz bestätigt.
Mit solidarischen Grüßen,
Dr. Petra Sitte MdB