Sehr geehrte Fr. Dr. Sitte, was wollen Sie tun gegen die schleichende Enteignung derer, die weder Liquidität haben an Börsen zu zocken, noch das Vermögen sich in Sachwerte zu flüchten.?
Sehr geehrter Herr P.,
vielen Dank für Ihre Frage - auch ich sehe das stetig wachsende Armutsrisiko und die gerechte Vermögensverteilung in der Gesellschaft gehören zu den Hauptmotivationen meiner politischen Arbeit und denen meiner Fraktion und Partei. Wir befassen uns schon sehr lang mit genau diesen Fragestellungen und sind kontinuierlich im Austausch mit zahlreichen Expert:innnen, um unsere Vorschläge für eine gerechtere Vermögensverteilung aktuell und belastbar zu halten, um Armut zu verringern und zu verhindern. Permanente Veränderungen in der hiesigen Politik und auch global zwingen uns, die Konzepte immer wieder neu zu berechnen und anzupassen, aber der Kern unserer Ideen bleibt. Dieser Kern basiert auf den Säulen Einkommen und Steuern:
Wir wollen grundsätzlich erst einmal Löhne, die für ein gutes Leben reichen und späte eine auskömmliche Rente ermöglichen. Wir wollen den Niedriglohnsektor abschaffen und Tarifverträge stärken. Befristungen müssen zurückgedrängt werden, der gesetzliche Mindestlohn muss auf 13 Euro steigen. Gleiche Entgelte für Frauen und Männer müssen selbstverständlich sein, ebenso gleiche Renten in Ost und West. Das Rentenniveau wollen wir wieder auf 53 Prozent anheben, mindestens soll es eine solidarische Mindestrente von 1.200 Euro geben. Dabei beziehen wir alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenversicherung ein. Altersvorsorge darf nicht den Risiken auf dem Kapitalmarkt ausgesetzt werden.
Wir halten es für richtig, die Steuerfreibeträge in der Einkommensteuer anzuheben, so dass 1.200 Euro pro Monat von Steuern freigestellt werden, um niedrige und mittlere Einkommen zu entlasten. Das Ehegattensplitting muss abgeschafft werden, das nicht ausgeschöpfte steuerliche Existenzminimum soll zwischen Eheleuten bzw. Lebenspartner:innen übertragbar sein.
Zu einem guten Leben gehören auch bezahlbare Mieten, so dass niemand die Hälfte seines Einkommens oder gar mehr für Wohnen ausgeben muss. Wir wollen daher im ganzen Bundesgebiet Mieten deckeln und Mietenwahnsinn und Verdrängung stoppen. DIE LINKE ist deshalb Teil der Kampagne »Deutsche Wohnen & Co enteignen«.
Wer viel verdient und hat, soll auch mehr Steuern zahlen. Wir wollen daher hohe Vermögen und Erbschaften stärker besteuern und die 1997 abgeschaffte Vermögensteuer wieder erheben. Dabei soll es einen Freibetrag für Privatvermögen von 1 Million Euro pro Person geben (ohne Schulden). Der Eingangssteuersatz der Vermögensteuer startet bei 1 Prozent und steigt bis zu einem Nettovermögen von 50 Millionen Euro stetig an bis maximal 5 Prozent.
Für die Bewältigung der Coronakrise wollen wir außerdem eine einmalige Vermögensabgabe erheben. Diese soll für Nettovermögen über 2 Millionen Euro (für Betriebsvermögen ist der Freibetrag 5 Millionen Euro) erhoben werden. Die Vermögensabgabe ist progressiv von 10 bis 30 Prozent gestaffelt und kann über zwanzig Jahre in Raten gezahlt werden. Die geschätzten Einnahmen liegen bei 310 Milliarden Euro über zwanzig Jahre.
Um Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen, muss die Körperschaftssteuer wieder auf 25 Prozent erhöht werden, Steuervermeidung muss unterbunden werden. Für arbeitsintensives Handwerk, Produkte für Kinder sowie Arzneimittel wollen wir hingegen ermäßigte Umsatz-Steuersätze. Mit einer Finanztransaktionssteuer in Höhe von 0,1 Prozent wollen wir die Spekulation auf den Finanzmärkten eindämmen.
Dies sind - hier sicherlich nicht in allen Details darstellbar - unsere Kernideen, um die vorhandenen Vermögen in der Gesellschaft so zu verteilen, dass Armut ausgetrocknet werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Petra Sitte, MdB