Hallo Frau Dr. Sitte, haben sie in dieser Legislaturperiode vor, sich für die Anhebung oder Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze bei der gesetz. Krankenkasse einzusetzen, um diese zu stärken?
Erläuterungen zu dem Sinn hinter der Beitragsbemessungsgrenze würden mich auch interessieren
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage, denn die Organisation einer solidarischen Krankenversicherung gehört zu unseren Kernthemen. Insbesondere jetzt in der Pandemie zeigt sich, dass eine andere Finanzierung des Gesundheitssystems von existenzieller Bedeutung für unsere Gesellschaft ist. Für uns muss das Allgemeinwohl bei Gesundheit (und allen anderen sozialen Themenkomplexen) im Vordergrund stehen. Das gilt sowohl für Versicherte als auch für Beschäftigte.
Um das zu erreichen, wollen wir die Beitragsbemessungsgrenze zunächst anheben, damit einkommensstarke Personen mehr einzahlen, und dann perspektivisch ganz aufheben mit dem Ziel, dass alle Menschen den gleichen Anteil ihres Einkommens zur Finanzierung des solidarischen Gesundheitssystems beitragen. Für uns ist dabei wichtig, dass es eine Beitragspflicht für alle Einkommensarten gibt, insbesondere auf Kapitaleinkommen. Unter "solidarisch" verstehen wir dabei zum Einen: Wer viel Einkommen hat, zahlt viel, wer wenig hat, zahlt wenig und wer kein Einkommen hat, zahlt nichts.
Zum Anderen wollen wir die Zweiklassenmedizin, also die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung, abschaffen. In die solidarische Gesundheitsversicherung zahlen dann alle entsprechend ihren gesamten Einkünften (Erwerbs-, Kapital- und anderen Einkommen) ein und bekommen alle medizinisch notwendigen Leistungen, auch vollumfänglich Medikamente, Brillen, Zahnersatz oder Physiotherapie. Zuzahlungen und Eigenanteile sollen dann zukünftig wegfallen. Dazu zähle ich mich auch persönlich und spreche dabei für alle Abgeordneten meiner Fraktion: Abgeordnete zahlen dann selbstverständlich auch mit ein, ebenso sollen es Selbstständige und Beamt*innen. Bis zur Einführung einer solidarischen Gesundheitsversicherung müssen sich die Beiträge für Selbstständige und andere freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherte stärker am realen Einkommen orientieren.
Wir rechnen dadurch mit Mehreinnahmen von mindestens 16 Milliarden Euro jährlich.
Die Beitragsbemessungsgrundlagen wurden eingeführt, um Krankenkassen zu entlasten. Es wurde davon ausgegangen, dass Personen, deren Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, keinen über diesen Beitrag hinausgehenden Schutz durch die Sozialkassen benötigen (da sie vermögend genug sind, um Finanzierungslücken selbst zu schließen) und sie daher auch keine ihrem Einkommen entsprechenden Beiträge zahlen müssen. Leider führt das dazu, dass nur Gutverdienende profitieren. Aufgrund dieser Ungerechtigkeit wollen wir die Beitragsbemessungen bei der Krankenversicherung abschaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Petra Sitte, MdB