Frage an Petra Sitte von Kurt W. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrte Frau Dr. Sitte,
eine Lösung mit Widerspruchsregister für Organspenden wird die Anzahl der Spenden laut einer Studie der Queen Mary University of London https://www.qmul.ac.uk wahrscheinlich nicht erhöhen. Die Forscher argumentieren, dass Spender sich aktiv dafür entscheiden sollten, in einem Register verzeichnet zu sein ("Opt in").
(siehe https://www.pressetext.com/news/20180816017)
Meine Frage ist, inwieweit Sie diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in Ihren Gesetzentwurf zu Transplantationen haben einfließen lassen bzw. legen Sie Ihren medizinpolitischen Entscheidungen eine evidenzbasierte Medizin zugrunde oder entscheiden Sie eher nach dem momentanen Bauchgefühl?
Mit freundlichen Grüßen
Kurt Weinzierl
Sehr geehrter Herr W.,
vielen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch, die ich Ihnen hiermit gern beantworten möchte.
In der Studie der Queen Mary University of London (https://www.qmul.ac.uk/media/news/2018/se/opt-out-organ-donation-register-unlikely-to-increase-number-of-donations.html) wurde folgendes festgestellt: „The researchers say donors should actively choose to be on the register by opting-in to ensure they genuinely want to donate their organs and to limit families from refusing the donation of their deceased relatives’ organs. An opt-out system automatically registers everyone and presumes consent to donate so if you do not want to you must take yourself off the register, whereas an opt-in system requires explicit consent to donate and indicates willingness.“
Die Forscher und Forscherinnen haben also zum einen in ihrer Studie ermittelt, dass es besser sei, wenn Menschen, die ihre Organe spenden möchten, sich aktiv anmelden, um sicher zu sein, dass dieser Wille auch später von den Familienangehörigen anerkannt und umgesetzt wird. So wird für den oder die einzelne Spendene(n) die Sicherheit der Umsetzung ihres Willens erhöht.
Zum anderen sind die Studienerstellenden von einem Opt-out-System ausgegangen, welches alle Menschen registriert und von der Annahme ausgeht, dass sich jede und jeder frei entscheiden kann, ob er oder sie Organspender*in sein möchte oder nicht. Dieses System findet auch in dem vorliegenden fraktionsübergreifenden deutschen Entwurf von mir und meinen Abgeordnetenkolleg*innen Anwendung.
Die Wissenschaftlerin Dr. Magda Osman, Hauptleiterin der Studie, konstatiert in Bezug auf eine potentielle Entscheidung der Familie der oder des potentiellen Organspendenden, dass „We show it’s harder to judge the underlying wishes of the deceased if they were on an opt-out and mandatory donation register. Why? Because making a free choice indicates what your preference is. If you don't actively choose and you are listed as a donor on the register, then it isn't clear if you really wanted to donate your organs.“ Ich stimme Ihnen zu, dass in der Studie ermittelt wird, dass für die Angehörigen eine Opt-In Regelung in der Beurteilung des Spendewillens geigneter erscheint.
Allerdings entnehme ich der Aussage von Frau Dr. Osman, dass davon ausgegangen wird, dass einem Opt-out keine freie Entscheidung zu Grunde liegt („If you don´t actively choose and your are listed as a donor [..]“. Diese Aussage halte ich in Bezug auf den deutschen Entwurf für nicht übertragbar. Denn in unserem Entwurf werden die Menschen als Spender*innen geführt, aber aktiv aufgefordert ihre Bereitschaft zu einer Spende durch einen Verbleib oder einen Widerspruch kenntlich zu machen.
Dies trifft genau die Forderung, die Frau Dr. Osman als Fazit zieht: „““We also need to offer people a way to indicate explicitly what they wish to do. This should involve an expressed statement of intention if their wish is to donate, or an expressed statement of intention if there is an objection to donate. This reduces the ambiguity in trying to infer what one wanted to do when it comes to donating their organs.”
Die Menschen sollen also in einer schriftlich festgehaltenen Meinungsbekundung darlegen, was sie möchten. Diese Darlegung sehe ich mit der Widerspruchslösung als gegeben an. Denn laut unserem Entwurf soll es zu einer „Selbstverständlichkeit werden, sich zumindest einmal im Leben mit dem Thema Organ- und Gewebespende auseinanderzusetzen und dazu eine Entscheidung zu treffen, ohne diese begründen zu müssen.“ Dazu wird durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sichergestellt, dass alle Personen, die das sechszehnte Lebensjahr vollendet haben, über die ab diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage informiert werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Petra Sitte