Frage an Petra Sitte von Franz K. bezüglich Soziale Sicherung
Können Sie sich ein Vereintes Deutschland vorstellen ohne den Widerstand und den Mut der Politisch Verfolgten von Stasi und SED? Wohl kaum! Warum haben dann genau diese Menschen in der heutigen Gesellschaft keinerlei Lebensgrundlage? Warum wurden und werden genau die Menschen ausgegrenzt und gedemütigt? Für viele, die sich nach 1989 plötzlich als Opfer sahen, gab es Entschädigungen,z.B. für die sogenannten Dopingopfer des DDR-Spitzensportes, die bekamen 10500,--€ Entschädigung, obwohl jeder Sportler genau wußte worauf er sich einließ: sie nutzten alle Privilegien, reisten zu Olympiaden und heimsten die Medaillen ein, später ließen sie sich auf Empfängen der sozialistsichen SED-Staatsführung feiern und jubelten dem System zu und dafür wollen sie heute entschädigt werden. Dazu tagt dann eigens der Bundestag. Für eine Entschädigung der Politisch Verfolgten, die die Grundlage für Einigkeit und Recht und Freiheit teuer erkämpften durch den Verlust ihres Arbeitsplatzes, durch Repressalien, durch Gesundheitsschäden, für die tagt der Bundestag nicht. Diese Menschen haben bisher keine Entschädigungen gesehen. Der jetztige Thüringer Minister- präsident und Mitglied der Linken hatte vor seinem Amtsantritt vollmundig verkündet,er wolle einen Fonds ins Leben rufen, aus dem die Opfer eine Entschädigung erhalten. Was ist daraus geworden? Nichts! In Ihrem Wahlkreis nun leben, besser: vegetieren, ebenfalls schwer geschädigte Opfer von Stasi und SED, ohne jede soziale Absicherung.Mir ist ein Fall bekannt, wo ein schwer geschädigtes Stasi-Opfer noch nicht einmal eine Krankenversicherung hat und deswegen in Halle jetzt vor Gericht gezerrt wird: weil sich dieser Mensch ganz schlicht und einfach sich seinen eigenen Körper nicht mehr leisten kann,sich sich selbst nicht mehr leisten kann. Was tut nun die LINKE, um den Politisch Verfolgten ganz konkret und praktisch zu helfen? Und zwar jetzt und nicht zur Zeit "Wolkenkuckucksheim".
Mit großem Interesse sehe ich Ihrer Antwort entgegen.
Sehr geehrter Herr Kestel,
vielen Dank für Ihre Mail. Sie haben recht: die Bundesrepublik tut zu wenig zur Entschädigung von Opfern der SED-Diktatur. Das haben meine Fraktion und auch ich immer wieder kritisiert und seit Jahren in jeder Legislaturperiode eigene Vorschläge und Gesetzentwürfe eingebracht. Zuletzt haben wir im Jahr 2014 einen solchen Gesetzentwurf erarbeitet und vorgelegt. Diesen finden Sie unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/031/1803145.pdf Unser Ziel ist es, den Kreis der Rehabilitierten deutlich auszuweiten und den Opfern damit auch eine deutlich bessere Unterstützung zukommen zu lassen. Der Gesetzentwurf erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten, indem sowohl die Verurteilten wegen „asozialen Verhaltens“ nach § 249 StGB der DDR im Zusammenhang mit den Weltfestspielen der Jugend und Studenten 1973 als auch die Betroffenen von Zersetzungsmaßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit Leistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erhalten können. Die Befristung der Antragstellung wird gestrichen, ebenso die Gewährung der Leistungen als „soziale“ Ausgleichsleistung. Die Betroffenen sollen unabhängig von ihrem Einkommen eine Ausgleichsleistung erhalten.
Leider hat die Große Koalition unseren Gesetzentwurf abgelehnt.
Meine Kollegin Halina Wawzyniak begründet unsere Vorschläge hier http://www.linksfraktion.de/reden/mehr-gerechtigkeit-opfer-sed-diktatur/ und endet: "Wir können es (das Unrecht - P.S.) nicht ungeschehen machen, aber wir können dafür sorgen, dass den Opfern der SED-Diktatur mehr Gerechtigkeit widerfährt."
An diesem Punkt werden wir weiter arbeiten und hoffen, damit unserer Verantwortung gerecht zu werden.
Aktuell haben wir gemeinsam mit Bündnis90/DIE GRÜNEN einen Antrag zur Besserstellung für Menschen, die aus der DDR ausgereist oder geflüchtet sind, eingebracht. Ihnen droht bei der Anrechnung von Erwerbszeiten für die Rente eine große Ungerechtigkeit. Diesen Antrag finden Sie unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/076/1807699.pdf Mein Fraktionskollege Matthias Birkwald begründete diesen Antrag: http://www.linksfraktion.de/reden/gerechtes-rentenrecht-ddr-altuebersiedler-fluechtlinge/
Bodo Ramelow setzt seine Ankündigung, sich für Opfer der SED-Diktatur einzusetzen, in die Tat um. So verhandelt er derzeit mit den Ministerpräsidenten um eine Entschädigung für Zwangsausgesiedelte aus den Grenzgebieten. Er hat zudem eine Kommission ins Leben gerufen, die den Tod des jungen Christen Matthias Domaschk und weiterer Todesfälle aus DDR-Zeiten in Thüringen aufklären soll. Ramelow macht sich für die Aufarbeitung von Zwangsadoptionen in der DDR stark, auch wenn sich das wegen verschlossener Akten schwierig gestaltet. Das Land beteiligt sich intensiv am Entschädigungsfonds für DDR-Heimkinder und fördert die Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR. An der Uni Jena entsteht derzeit ein Graduiertenkolleg zur wissenschaftlichen Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Die Musikhochschule Weimar hat angekündigt, ihre Vergangenheit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aufzuarbeiten. Ich meine, Thüringen arbeitet derzeit so intensiv wie kein anderes ostdeutsches Bundesland seine Geschichte auf und unterstützt die Opfer der SED-Diktatur.
In einem Punkt möchte ich Ihnen allerdings widersprechen: wir setzen uns auch für die Opfer des systematischen Dopings in der DDR ein. Viele DDR-Sportler_innen wussten nicht, welche Substanzen sie verabreicht bekamen. Sie müssen heute mit zum Teil schwersten Spätschäden leben. Wir haben uns zudem immer dafür ausgesprochen, auch Dopingopfer aus der Bundesrepublik in die entsprechenden Unterstützungsprogramme aufzunehmen.
Mit freundlichen Grüße
Petra Sitte