Frage an Petra Sitte von Franziska L. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Dr. Sitte,
wie ich heute durch die Nachrichten erfahren hab, fand gestern ein "Elektroauto-Gipfel im Kanzleramt" statt, wo es um Kaufprämien für Elektroautos geht.
Ich kann diese Debatte nicht nachvollziehen, da Argumente wie Umweltschutz, nach genauerer Betrachtung nicht haltbar sind. Darüber informiert z.B. der Bericht 79 des Umwelt- und Prognose - Institut e.V:
"Ökologische Folgen von Elektroautos - Ist die Förderung von Elektro- und Hybrid-Autos sinnvoll ?"
http://www.upi-institut.de/upi79_elektroautos.htm
Hier einige Zitate aus diesem Bericht:
1) Die durch Elektroautos verursachten CO2-Emissionen liegen, anders als häufig angenommen, ungefähr auf gleicher Höhe wie bei Benzin- und Diesel-PKW.
2) Kompensation von CO2-Grenzwertüberschreitungen großer PKW durch Elektroautos
3) Durch die deutlich niedrigeren fahrleistungsabhängigen Kosten kommt es sowohl zu einer Neu-Induktion von Verkehr als auch zu einer Verkehrsverlagerung vom ÖV zum MIV, was schwerwiegende ökologische (Zunahme von Flächenverbrauch, CO2-Emissionen und Unfallrisiko) und ökonomische Folgen hätte (Überlastung des Straßennetzes, Zunahme der Betriebskosten und des Defizits des ÖV).
4) Höheres Unfallrisiko für Fußgänger und Fahrradfahrer durch Elektro- und Hybridautos
Gleichzeitig sterben täglich ca. 10 Menschen auf Deutschlands Straßen durch Kfz, weltweit 1,25 Millionen jährlich. (Quellen: https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/07/PD15_252_46241.html und http://www.sueddeutsche.de/auto/-millionen-verkehrstote-pro-jahr-bilanz-des-grauens-1.2702829 )
Wie kann angesichts der unzähligen Toten durch Kfz die Förderung von Kfz hierzulande ernsthaft erwogen werden?
Wie würden Sie angesichts dieser Sachlage entscheiden, wenn es im Bundestag zu einer Abstimmung über die Förderung von Elektroautos kommen würde?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Franziska Löser
Sehr geehrte Frau Löser,
vielen Dank für Ihre fundierte und kritische Anfrage. Unsere Fraktion hat die einseitige Förderung von Elektro-Autos, die mittlerweile Milliarden in Anspruch genommen hat, von Anfang an kritisch gesehen. Die Gründe haben Sie mir aus dem Mund genommen: Elektroautos sind in Produktion und Betrieb beim derzeitigen Strommix kaum klimafreundlicher als herkömmliche Fahrzeuge. Zudem können die drängendsten Probleme des derzeitigen Straßenverkehrs vor allem mit einer Förderung des ÖPNV gelöst werden, der Menschen billiger und umweltfreundlicher von A nach B befördert. Hier wären aus unserer Sicht die Milliarden Fördermittel besser eingesetzt, schließlich haben wir einen immensen Investitionsstau bei Schienen, Straßen und Fuhrpark. Wir haben uns nicht nur gegen die finanzielle Förderung ausgesprochen, sondern auch gegen regulatorische Fördermaßnahmen für private Elektrofahrzeuge, die zu Lasten des ÖPNV gehen - etwa die Öffnung der Busspuren. Und ein weiterer Kritikpunkt: die Finanzierung und die Praktikabilität einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur sind völlig ungeklärt.
Regierung und Industrie rücken, so scheint es, selbst vom Hype des Elektroautos ab. Zwar haben viele Hersteller mittlerweile solche Modelle im Angebot. Aber die Absatzstrategien erscheinen sehr defensiv, die Bundesregierung nennt mittlerweile nicht mehr Elektro-, sondern "digital vernetzte Mobilität" als oberstes Förderziel. Man wird nun Bilanz ziehen müssen, welche Effekte der Förderhype tatsächlich gebracht hat. Vom ursprünglichen Ziel, eine Million Elektroautos auf die Straßen des "Leitmarktes Deutschland" zu bringen, ist man jedenfalls weit entfernt.
Wir sind aber keine Technologiefeinde. Prinzipiell haben Elektrofahrzeuge auch Vorteile: wenn sie mit Ökostrom aus dezentraler Produktion betrieben werden, können sie eine emissions- und geräuscharme Alternative zum herkömmlichen PKW sein - idealerweise im Carsharing und Verknüpfung mit dem ÖPNV. Aber eine immense öffentliche Förderung ist nicht für das Auto notwendig, dieses Produkt wird seine Nische am Markt finden. Vielmehr muss durch eine nachhaltige Energiepolitik die Stromherstellung weiter in Richtung Erneuerbarer Energieträger umgestellt werden.
Unsere Fraktion hat sich in ihren Anträgen zum Thema für restriktive EU-Obergrenzen zu klima- und umweltschädlichen Abgasemissionen bei PKW eingesetzt. Solche Obergrenzen haben sich als ein effektiver und technologieoffener Innovationstreiber erwiesen. Und: sie sind keine neuen Subventionen, die den Staat Geld kosten. Insofern werden wir Kaufprämien zugunsten effektiverer Instrumente des Klimaschutzes im Verkehr ablehnen.
(Vgl. auch Erklärung von Sabine Leidig, verkehrspolitische Sprecherin http://linksfraktion.de/pressemitteilungen/kaufpraemie-macht-elektroautos-nicht-sinnvoller/ oder unsere Anfrage zum ersten Förderprogramm http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/064/1706434.pdf sowie weitere Initiativen unter http://linksfraktion.de/suche/?q=elektroautos&a=&j=&l=&m=&t= )
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Petra Sitte