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Petra Sitte
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Frage von Rainer W. •

Frage an Petra Sitte von Rainer W. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Sitte,

ich bin Mitglied in einer Privaten Krankenkasse (Barmenia a.G.) und möchte Ihnen über die Steigerung meiner Krankenbeiträge berichten. Im Jahr 2008 hatte ich einen Beitrag von 437,14€ pro Monat, am 14.11.2012 habe ich von meiner Versicherung den Beitrag für 2012 bekommen, 634,66€, das ist eine Steigerung um 45%. Mir ist klar, Gesundheit kostet und ich bin jetzt 56 Jahre. Wenn ich aber weiss, dass ca. 150.000 Mitglieder in die Private Krankenversicherung keinen Beitrag zahlen und von den PKV´s für Neueinsteiger Beiträge um die 100€ verlangt werden, dann komme ich zu dem Schluss, mit meinen Beitrag werden die Kosten für die Anderen, die nichts einzahlen und definitiv zu wenig (100€), mitfinanziert.

Ich kann meinen Beiträge immer noch gut bezahlen, ich bin selbständig Tätig. Was wird sein wenn ich Rentner bin? Soviel kann ich gar nicht vorsorgen um die Kosten in 2020 zu bezahlen. Muss ich dann zum Staat gehen und um Almosen betteln, wie das schon einige tun müssen?

Wenn 150.000 keinen Beitrag bezahlen und die anderen dafür aufkommen,dann ist das nicht privat sondern gesellschaftlich und ich stehe dafür bereit, aber es ist nicht richtig und das System Private Krankenversicherung ist so nicht mehr zu halten.

Ihre Partei sollte sich darum kümmern dieses System abzuschaffen. Ein weiter so führt für viele in die Zahlungsunfähigkeit.

Mit freundlichen Grüßen
Rainer Witte

PS. Diese Frage hatte ich auch an Frau Pieper FDP gerichtet (mit ein paar Änderungen).

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Witte,

vielen Dank für Ihre Frage vom 28.01.2012.
Ich kann Ihnen in allen Punkten zustimmen. Auch wir halten das Geschäftsmodell der Privaten Krankenversicherung (PKV) für gescheitert. Abgesehen davon ist die Existenz von zwei separaten Versicherungssystemen (PKV und GKV) nicht nur unsinnig, sondern auch ungerecht. Sie ist die wichtigste Ursache für die bestehende Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland. Es ist außerdem nicht einzusehen, warum sich gerade Menschen, die überdurchschnittlich gut verdienen und auch überdurchschnittlich gesund sind, aus dem Solidarsystem verabschieden können. Gesundheit ist für die LINKE ein Menschenrecht, das nicht vom persönlichen Geldbeutel abhängen darf. Bei Einbeziehung der jetzt privat Versicherten (weitere Voraussetzungen siehe anhängendem Antrag zur Einführung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung)
Wie Sie richtig ausführen, kämpft die PKV-Branche längst einen Überlebenskampf. Mit unseriösen Lockangeboten werden junge, gesunde Menschen in die PKV gezogen. Die entsprechenden Tarife werden schnell geschlossen, so dass die Versichertenschaft innerhalb des Tarifs kollektiv altert. Die Beiträge steigen dann sehr schnell an, denn die niedrigen Eingangstarife reichen bei weitem nicht aus, um realistisch kalkulierte Altersrückstellungen zu bilden.

Zusätzlich zu den altersbedingten Beitragssteigerungen haben viele Privatkassen in den letzten Jahren, besonders in den letzten Monaten ihre Beiträge massiv anheben müssen. Gerade viele Selbständige sowie Rentnerinnen und Rentner, die mit wenig Geld auskommen müssen, sind hier finanziell überfordert. Leider werden gerade junge Selbständige geradezu in die PKV gezwungen, denn die aktuellen Mindestbemessungsgrenzen in der GKV führen zu hohen Beiträgen, selbst wenn der/die Betreffende nur wenig Geld zur Verfügung hat. Als wichtigen kurzfristigen Schritt fordern wir daher die Absenkung der Mindestbemessungsgrenze in der GKV von derzeit 1.968,75 Euro (bzw. unter bestimmten Voraussetzungen 1.312,50 Euro, jeweils Stand 2012) auf die allgemeine Mindestbemessungsgrenze von 875,00 Euro. In unserem Konzept der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung zahlen alle Mitglieder nur anhand ihres realen Einkommens - es gibt dann weder eine untere noch eine obere Beitragsbemessungsgrenze.

Die Privatkassen brauchen immer neuen Zustrom von Netto-Zahlerinnen und -Zahlern, um die Beitragssteigerungen für alle Anderen wenigstens abzumildern. Daher gibt es auch in der PKV einen Solidarausgleich, obwohl das eigentlich nicht erlaubt ist und dem Prinzip der PKV widerspricht. Die Bundesregierung hat daher willfährig den Zugang zur PKV weiter erleichtert und der PKV damit eine Galgenfrist verschafft, zuletzt durch das GKV-Finanzierunggesetz 2010. Viele PKV-Unternehmen haben längst erkannt, dass das Geschäftskonzept nicht aufgeht. Gerade große Versicherungskonzerne denken intern über den Ausstieg aus diesem Geschäftsfeld nach. Die wachsende Zahl von Zahlungssäumigen sowie die systematische Benachteiligung von Versicherten im Basistarif machen auch deutlich, dass die Unterstellung, PKV-Versicherte hätten die Unterstützung des Solidarsystems nicht nötig, nicht mehr haltbar ist. Der PKV-Verband denkt jetzt über einen „Nichtzahler-Tarif“ nach, in dem Zahlungssäumige durch einen Billig-Tarif sich nur noch für Akut-Behandlungen absichern können. Solche Tarife (es gibt bereits Tarife, die weniger als das medizinisch Notwendige abdecken) sind kategorisch abzulehnen. Ein Land wie Deutschland darf sich keine Menschen leisten, die von einer guten Gesundheitsversorgung abgeschnitten sind. Dafür muss das deutsche Gesundheitswesen auf eine neue Grundlage gestellt werden, die alle nach ihren Möglichkeiten einbezieht. Niemand darf überfordert, aber auch niemand aus der Verantwortung entlassen werden.

Die solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung nach dem Konzept der Linksfraktion bezieht alle Menschen ein. Die PKV wird als Vollversicherung wird abgeschafft, sie darf dann nur noch Zusatzversicherungen, wie Einzelzimmer-Unterbringung in Krankenhäusern, anbieten. Es werden alle Einkommen verbeitragt - nicht nur Löhne und Gehälter bzw. Gewinn-Einkommen. Zuzahlungen benachteiligen besonders Geringverdienende. Niemand darf einer notwendigen Behandlung fernbleiben, weil sie/er sich die Eigenbeteiligungen nicht leisten kann. Deshalb wollen wir alle Zuzahlungen incl. der Praxisgebühr abschaffen.

Wir haben die Effekte der solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in einer unabhängigen Studie untersuchen lassen. Der Beitragssatz könnte durch die breitere Einnahmebasis um circa ein Drittel gesenkt werden. Das entlastet Beschäftigte und Arbeitgeber. Die daraus folgende Kaufkraftsteigerung hat positive Auswirkungen auf den Binnenmarkt und kann dauerhaft 500.000 Menschen in Beschäftigung bringen, insbesondere im Dienstleistungssektor. Der Beitragssatz bleibt bis mindestens 2020 nach den Berechnungen stabil.

Hier können Sie die Anträge meiner Fraktion nachlesen:

http://dokumente.linksfraktion.de/drucksachen/2434_1701238.pdf

http://dokumente.linksfraktion.de/drucksachen/2338_1700777.pdf

Mit freundlichen Grüßen

Petra Sitte

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