Frage an Petra Pau von bodo k. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
guten tag, frau pau,
bin nach fast viereinhalb jahren haft 1980 aus der ddr entfernt worden, was mich jedoch nicht daran hindert festzustellen, dass die "linke" heute aus meiner sicht die innovativste politische kraft jedenfalls innerhalb des bundestages darstellt (und offensichtlich auch die intelligenteste). meine frage: strebt die "linke" überhaupt eine regierungsbeteiligung an, wenn ja, welche gesellschaftlichen veränderungen wären dann innerhalb des grundgesetzlichen rahmens und der ökonomischen machtverhältnisse überhaupt durchsetzbar. auf landesebene agierende koalitionen scheinen sich wohl doch den "objektiven" zwängen beugen zu müssen.
mit freundlichen grüßen, bodo keil
Sehr geehrter Bodo Keil,
DIE LINKE hat auch auf Bundesebene Regierungsbeteiligungen nicht ausgeschlossen, dies aber stets an konkrete inhaltliche Prämissen geknüpft. Dazu gehören u. a. die Rücknahme der so genannten Agenda 2010, eine andere Steuer-Politik und der Rückzug der Bundeswehr von internationalen Kriegseinsätzen. Allein diese drei Prämissen wären übrigens in weit größerer Übereinstimmung mit dem Grundgesetz, als es die aktuell vorherrschende Politik ist.
Ihr Verweis auf die „ökonomischen Machtverhältnisse“ beschreibt übrigens eine, wenn nicht sogar die zentrale gesellschaftliche Schieflage hierzulande und weltweit. Das Primat der Politik wurde weitgehend abgeschafft. Stattdessen spielt das Finanz-Kapital Schicksal. Das ist auch die tiefere Wurzel der aktuellen Finanz-Krise. Sie wurde ermöglicht, weil die Politik sich selbst und damit die Demokratie Zug um Zug entmachtet hat. Das will DIE LINKE revidieren.
Auf Landesebene gibt es derzeit nur eine Regierung unter Beteiligung der Linken: Rot-Rot in Berlin. Und natürlich unterliegt DIE LINKE im Land Berlin Sachzwängen, vor allem zwei: Ein hoffnungslos überschuldetes Land – und das ist in Berlin v. a. das Erbe der Vorgänger-Koalitionen aus CDU und SPD – hat wenig finanzielle Spielräume. Und jedes Bundesland unterliegt zudem natürlich bindend den Gesetzen der Bundesebene.
Trotzdem gibt es drei zentrale politische Vorhaben, die Rot-Rot in Berlin von anderen Ländern unterscheidet. Vereinbart ist, dass Betriebe der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht privatisiert werden. Begonnen hat der Versuch, das unsoziale 3-gliedrige Schulsystem zugunsten von Gemeinschaftsschulen aufzubrechen. Und ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor (ÖBS) als Alternative zu „Hartz“ nimmt langsam Gestalt an.
Prüfen Sie selbst, welche Regierungs-Konstellation – ohne DIE LINKE – dasselbe verfolgen würde? Sie werden momentan keine andere finden. Deshalb war der Versuch in Hessen, einen Politikwechsel mit der Linkspartei einzuleiten, vielleicht übermütig, aber richtig. Und so hoffe ich auch, dass die SPD in Thüringen nach der kommenden Landtagswahl bei einer vielleicht besseren Chance nicht kneift, nur um sich selbst zu genügen.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau