Frage an Petra Pau von Stephan B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Werte Frau Pau,
ich habe länger überlegt, welchem Linken-Politiker ich schreibe, aber Sie als Berlinerin, Lehrerin und Linke-Innenpolitikerin scheinen die richtige Ansprechperson sein.
Ich möchte das Berliner Vorhaben zur zentralen Schüler-Datenbank kritisieren und Sie bitten, dass Sie versuchen auf Ihre Berliner Kollegen Einfluss zu nehmen um diese Entscheidung nochmal zu überdenken und zurückzunehmen.
Ich habe keine gezielte Frage, ich möchte lediglich ein Statement von Ihnen hören.
1. Problem: Datenmißbrauch.
Unabhängig davon, welche Datenschutz- und Sicherheitsmechanismen diese Einrichtung vorsieht, so können die zentral gehaltenen Daten immer mißbraucht werden und sich negativ auf die Zukunft von Schülern auswirken. Eine Kontrolle der Datennutzung scheint nicht stattzufinden, d.h. Massenabfragen und ähnliches scheint problemlos möglich zu sein.
2. Problem: die Schüler-ID setzt am Symptom statt an der Ursache an.
Beispielsweise könnte das Geld, was für die Installation und Pflege der Schüler-Datenbank eingesetzt wird, direkt in die Schulen fließen. Nicht zur Verschönerung der Fassade, sondern für Personal/Initiativen an Brennpunkten. Um diese Brennpunkte zu finden, bedarf es aber keiner Schüler-ID. Anonymisierte Statistiken tun es auch.
3. Problem: Glaubwürdigkeit der Linken.
Wer gewisse Praktiken im Bund kritisiert, sollte im Land nicht Ähnliches verfolgen. Ich bin Thüringer und hätte nichts dagegen, meine Kinder auf eine thüringische Gemeinschaftsschule zu schicken und dies mit einem entsprechenden Kreuz bei der Wahl zu zeigen. Aber woher weiß ich, dass die Schüler-ID dann nicht auch in Thüringen kommt?
Ist denn auch die Linke eine Umfallerpartei wie die Grünen oder die SPD?
Generell ist es auch in einer desolaten Haushaltslage nicht gerechtfertigt, die billige Hammermethode zu nehmen, mit der man viele kleine Probleme auf einmal erschlagen kann. Wir haben schon gesehen, wo das hinführen kann, wenn man jeden und alles genau erfasst.
Mit freundlichen Grüßen,
Stephan Beyer
Sehr geehrter Stephan Beyer,
das Berliner »Gesetz zur automatisierten Schülerdatei« wurde am 27. November 2009 in erster Lesung im Plenum des Berliner Abgeordnetenhauses debattiert. Es ist also ein Entwurf, der nun in den Fachgremien einer gründlichen Prüfung unterzogen wird. Der Entwurf ist umstritten, grundsätzlich und im Detail, in der Gesellschaft und innerhalb der Linkspartei.
In der Plenardebatte hatte Steffen Zillich (MdA) für die Linksfraktion gesprochen und betont: „Wenn eine Schülerdatei geplant ist, dann ist Misstrauen Pflicht!“ Das teile ich ausdrücklich. Die Rede von Steffen Zillich finden Sie übrigens unter http://www.linksfraktion-berlin.de/politik/plenardebatte/detail/zurueck/reden/artikel/schuelerdaten-fuer-bessere-bildung/.
Nun bin ich nicht grundsätzlich dagegen, dass Daten erfasst werden, zum Beispiel um Verwaltungsabläufe effektiver zu gestalten. Das geschieht von je her und allerortens. Entscheidend ist etwas anderes. Die erfassten „Verwaltungs“-Daten dürfen keine Rückschlüsse auf konkrete Personen zulassen. Es muss ausgeschlossen werden, dass sie mit anderen Daten-Beständen verknüpft werden können, um Persönlichkeits-Profile zu erstellen. Und natürlich müssen sie vor Missbrauch verlässlich geschützt sein.
Ob diese und weitere Grundprämissen mit dem Berliner Gesetz erfüllt und erfüllbar sind, das wird nun weiter intensiv diskutiert. Übrigens nicht im Inner-Zirkel, sondern mit Fachleuten und Betroffenen bzw. Interessierten, wozu selbstverständlich auch Schüler und Eltern gehören.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau