Frage an Petra Pau von Norbert M. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Pau,
seit längerem beobachte ich mit Wohlwollen, wie sich Ihre Partei, und nicht zuletzt auch Sie, für die Belange der Bürger einsetzen. So manches Mal aber könnte, meines Erachtens, das Profil der Partei noch wesentlich geschärft werden und zwar durch unerschrockenes Auftreten in der Berliner Koalition.
Die jüngste Attacke des Herrn Sarrazin bezüglich der Heizkosten in Richtung Bürger ist solch ein Anlass.
Warum nimmt Ihre Partei diese und andere Äußerungen dieses Herrn nicht zum Anlass, hier ein starkes Zeichen zu setzen. Dieser Mann gehört abgesetzt und wenn die SPD dies nicht will, sollte die LINKE die Auflösung der Koalition anregen.
Ich bin der festen Überzeugung, dass derartig starke Signale der Partei nicht schaden, sondern ganz im Gegenteil gewaltig stärken würden!
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Michalke
Sehr geehrter Herr Michalke,
Sie haben völlig Recht: Viele Äußerungen von Finanzsenator Sarrazin (SPD) sind nicht tolerierbar. Etwa, wenn er Hartz-IV-Betroffenen erklärt, wie man sich von drei Euro je Tag prima ernähren kann, oder, dass gegen steigende Energiekosten am besten warme Pullover bei gedrosselten Heizungen helfen.
Ich finde dennoch: Das ist primär ein Problem der SPD und nicht der LINKEN. Eine Koalition ist auch keine Erziehungsanstalt. Wenn die SPD einen verzogenen Senator mit einem Hang zum Zynismus hat, dann sollte sie sich darum kümmern. Es ist schließlich ihr Image, das auf dem Spiel steht.
DIE LINKE hat die erneute Koalition mit der SPD mit drei Hauptprämissen geschlossen: a) Sanierung statt Privatisierung der öffentlichen Betriebe; b) Einstieg in das Projekt „länger gemeinsam Lernen“ und c) Schaffung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors als Alternative zu Hartz IV.
Keine andere politische Konstellation in Berlin würde dasselbe wollen. Im Gegenteil: Kommen die CDU oder die FDP ins Spiel, dann ist Gefahr in Verzug. Und die Grünen, dereinst als Westberliner Alternative Liste links, flirten seit Jahren mit einer Berliner CDU, die sinkt und sinkt und sinkt.
Ihr Vorschlag, ein starkes Signal zu setzen und den Abgang von Senator Sarrazin zu fordern, notfalls auch unter Aufkündigung der Koalition, würde daher letztlich auch bedeuten, sich von den Koalitions-Vorhaben a, b und c zu verabschieden. Ich finde nicht, dass das ein starkes linkes Signal wäre.
DIE LINKE und die SPD haben zudem vereinbart, die Einheit der einzigen Ost-West-Stadt, also Berlins, zu befördern. Die CDU indes hat erst jüngst mit ihrer Pro-Tempelhof-Kampagne bewiesen, wie tief sie noch immer in den Gräben des Kalten Krieges hockt. Auch dem sollte man als Linker keine Chance geben.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau
z. Zt. im Allgäu
31. 07. 2008