Hallo, Frau Berg! Wären Sie bereit, sich für die Prüfung eines AfD-Verbotes durch das Bundesverfassungsgericht einzusetzen? Freundliche Grüße- Monika L.
Guten Tag,
den richtige Umgang mit der AfD zu finden, ist nicht einfach. Im Hinblick auf Ihre Fragestellung nehmen wir als Landtagsfraktion die folgende Position ein:
Als eine der zentralen Lehren aus unserer Geschichte und der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus wurde im Grundgesetz der Bundesrepublik an mehreren Stellen das Prinzip der „wehrhaften Demokratie“ verankert. Dazu gehört auch das Parteienverbot.
Parteien sind wichtige Bindeglieder zwischen den Wählerinnen und Wählern einerseits sowie dem Parlament und der Regierung andererseits. Daher steht ein Parteiverbot immer in einem Spannungsverhältnis mit anderen demokratischen Grundsätzen. Es müssen deshalb hohe Hürden genommen werden, um ein Verbotsverfahren gegen eine Partei anzustreben.
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhängerinnen und Anhänger darauf abzielen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt allein die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen nicht für ein erfolgreiches Verbotsverfahren.
Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich- demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr erfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Erst zweimal hat das Bundesverfassungsgericht ein Parteiverbot ausgesprochen:
1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten und 1956 die Kommunistische Partei Deutschland (KPD). Ein 2001 gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) eingeleitetes Verbotsverfahren wurde 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt. Am 17. Januar 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht erneut über ein Verbot der NPD. Dabei stellte es fest, dass die NPD ein auf Beseitigung der bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt. Das Gericht hat in einer restriktiven Auslegung des Art. 21 II GG zusätzlich das Kriterium der „Potentialität“ eingeführt, d.h. eine Partei muss auch von ihren Wahlergebnissen her ein gewisses politisches Gewicht haben
Es gibt Anhaltspunkte, dass die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren bei der AfD gegeben sein könnten. Zum Beispiel hat das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz (AfV) die AfD Thüringen bereits im März 2021 gemäß § 4 I 2 Nr. 1 ThürVerfSchG als eine erwiesenermaßen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung eingestuft. Ebenso kann man davon ausgehen, dass mittlerweile ein gewisses politisches Gewicht angenommen werden kann. Dagegen spricht, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Bundespartei bislang „nur“ als Verdachtsfall einstuft.
Als Sozialdemokratin beobachte ich das Erstarken rechtsextremer Kräfte mit großer Sorge. Die zentralen Ziele der SPD-Landtagsfraktion sind es, Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen, Sicherheit im Wandel zu geben und für sozialen Ausgleich zu sorgen. Kurz: Gute Politik, die sich an den Problemen und Herausforderungen der Saarländerinnen und Saarländer orientiert. Damit wollen wir auch den falschen Versprechungen von rechts den Nährboden entziehen. Die SPD war und ist auch in Zukunft das Bollwerk gegen rechts.
Ein Parteiverbot ist das schärfste Schwert der wehrhaften rechtsstaatlichen Demokratie. Dabei ist klar, dass ein Verbot kein Allheilmittel gegen das von einer verfassungswidrigen Partei verbreitete Gedankengut ist. Auch aus diesem Grund, sollte ein Verbotsverfahren nicht leichtfertig angestrebt werden.
Die rechtsverbindliche Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei und die Entscheidung über ihre Auflösung obliegen dem Bundesverfassungsgericht. Dieses kann gemäß Artikel 21 GG nur tätig werden, wenn ein Verbotsantrag von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung gestellt wurde. Ein Parteiverbot setzt also voraus, dass die Antragsberechtigten nach sorgfältiger Vorprüfung ernsthaft die Möglichkeit sehen, dass ein Verfahren auf Verbot der AfD erfolgreich sein könnte.
Es ist demnach legitim und notwendig, im Rahmen unserer demokratischen Möglichkeiten das Wirken einer Partei in Hinblick auf ihr möglicherweise verfassungswidriges Agieren zu beobachten und dabei auch ein Verbotsverfahren in Betracht zu ziehen. Nichtsdestotrotz gilt: Mit einem Verbotsverfahren, bei dem nicht von einem Erfolg ausgegangen werden kann, worden wir unserer Demokratie einen Bärendienst erweisen und der verfassungswidrig agierenden Partei sogar einen vermeintlich positiven Anstrich verpassen.
Zum Hintergrund:
Viele Grüße
Petra Berg