Frage an Peter Tschentscher von Verena H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Tschentscher,
eine Entschließung des Bundesrats, im Rahmen des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende forderte: "dem privaten Letztverbraucher ein Mitspracherecht beim Einbau intelligenter Messsysteme oder der Einbindung in ein Kommunikationsnetz einzuräumen".
In Hamburg wehren sich zurzeit viele Mieter*innen gegen den Einbau von datenübertragenden Rauchwarnmeldern. Mitglieder des Altonaer Spar- und Bauvereins haben inzwischen 1000 Unterschriften an den Vorstand übergeben. Sie fordern Wahlfreiheit bzgl. der Rauchwarnmelder und Mitbestimmung in datensensiblen Belangen. Genossenschaften und Wohnungsgesellschaften drohen ihre Mieter*innen zu verklagen. So auch der Altonaer Spar-und Bauverein.
Schlüssellose Schließsysteme, smarte Strom-, Heizkosten- und Wasserzähler, Funkrauchmelder oder IoT. Es wird Technik verbaut, die potenziell umfassende Bewegungs- und Verhaltensprofile generieren kann. Mieter*innen fühlen sich überrumpelt, rechtliche Regularien fehlen in vielen Bereichen. Politik und Gesellschaft sind überfordert von der Geschwindigkeit der Digitalisierung.
Demgegenüber kaufen Wohnungsunternehmen Firmen zur Ausstattung der Wohnungen mit smarter Technik. Wie bspw. die Deutsche Wohnen, die jüngst 14,5 Millionen Euro Bußgeld wegen Verstößen gegen die DSGVO zahlen musste. Auch Ablesefirmen wie die großen Fünf, Ista, Techem, Brunata & Co, denen das Bundeskartellamt 2017 die Bildung eines Oligopols vorwarf, drängen auf den Markt. Google kaufte schon 2014 den Thermostat und Rauchmelderhersteller Nest Labs.
Der Einbau von Smart Metern steht bevor. Nachweislich bringt er Mieter*innen keine Vorteile.
§13 Grundgesetz: Die Wohnung ist unverletzlich.
Ich frage Sie, ob Sie sich zum Schutz der Bürger*innen dafür einsetzen, dass den privaten Letztverbraucher*innen die Entscheidungshoheit darüber eingeräumt wird, was an digitaler Technik in die Wohnung verbaut wird?
Mit besten Grüßen,
V. H.
Sehr geehrte Frau H.,
die Hamburgische Bauordnung (HBauO) verpflichtet Vermieter zum Einbau von Rauchmeldern, um die körperliche Unversehrtheit der Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen. Es handelt sich hierbei um eine bauliche Veränderung, die von dem Vermieter vorgenommen werden muss.
Die von Ihnen angesprochene Thematik wurde am Beispiel des Einbaus von Funkrauchmeldern im Rahmen des Hamburger Tätigkeitsberichts Datenschutz 2019 unabhängig geprüft. Die Datenschützer kommen darin zu dem Schluss, dass "eine Abwägung der gegenläufigen Positionen […] letztlich kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten Betroffener ergeben [hat]." So ließen beispielsweise Demontageerkennung und Abstandsmessung nach Aussage der Datenschützer keinen tiefgehenden Rückschluss auf die private Lebensführung zu. Sie finden die ausführliche Begründung im Tätigkeitsbericht Datenschutz 2019 auf Seite 128 ff. hier:
https://datenschutz-hamburg.de/assets/pdf/28._Taetigkeitsbericht_Datenschutz_2019_HmbBfDI.pdf.
Seitens des Brandschutzes wird das Sicherheitsniveau bei Funkmeldern höher eingeschätzt als im Vergleich mit analogen Geräten, da beispielsweise eine Ferninspektion per Funk stattfinden kann. Außerdem liegt ein höheres Maß an Sicherheit vor, wenn der Einbau und die Wartung in einer Hand gebündelt geschehen und einheitlich in einer Hausgemeinschaft geregelt sind.
Mögliche Gesundheitsrisiken sind bei der Frage der Digitalisierung des Wohnraums natürlich ebenfalls zu berücksichtigen. Der bisherige Erkenntnisstand aus Studien zeigt jedoch, dass eine thermische Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder die bislang einzige wissenschaftlich nachgewiesene Wirkung sei. Sie ist bei alltäglichen technischen Anwendungen so gering, dass sie nach derzeitigem Stand der Wissenschaft keine negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Eine kontinuierliche Prüfung der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist dennoch geboten und erfolgt auch. Nähere Informationen dazu bietet das „Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder“ am Bundesamt für Strahlenschutz:
https://www.bfs.de/DE/themen/emf/kompetenzzentrum/das-kompetenzzentrum/das-kompetenzzentrum.html.
Im Hinblick auf die Ablesedienste hat die Hamburgische Bürgerschaft folgenden Beschluss gefasst: https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/68108/hamburg_schuetzt_seine_mieterinnen_und_mieter_mieterfreundliche_anpassung_der_mietnebenkosten_fuer_ablesedienste_von_heiz_und_waermekosten_staerken.pdf
Mit freundlichen Grüßen
Peter Tschentscher