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Frage von Michael W. •

Frage an Peter Tschentscher von Michael W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister Prof. Tschentscher,

anlässlich einer Beschäftigung mit einer Volksinitiative zu den Bürgerbegehren habe ich mich mit der Geschichte der Kommunalverwaltung im Nachkriegs-Hamburg befasst. Ich beziehe mich im Folgenden auf das Buch: Hamburgs Weg zur Metropole - Von der Groß-Hamburg-Frage zum Bezirksverwaltungsgesetz von Holger Martens, Hamburg 2004.

Ausgehend vom Groß-Hamburg-Gesetz wird die NSDAP-Verwaltung in Hamburg beschrieben, und, wie sich ab Mai 1945 die damalige politische Hamburger Nachkriegs-Poltik gegen den Willen der britischen Militärverwaltung schleichend durchgesetzt hat. 
Das Buch zitiert mehrfach die Vorgaben für den Neuaufbau von demokratischen Strukturen seitens der britischen Militärverwaltung, u.a. auf Seite 180:
"Erklärtes Ziel der Besatzungspolitik war die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch ein Kommunalparlament, das der Verwaltung gegenüberstehen und diese kontrollieren sollte. Soweit möglich, sollten Entscheidungen auf der lokalen Ebene getroffen und nur Angelegenheiten von überregionaler Bedeutung auf Kreis- bzw. Landesebene entschieden werden."

Bis heute gibt es in der Bezirksverwaltungsgesetzgebung viele Bezeichnungen und Strukturen für die Landes- und Kommunalverwaltung, die aus aus der Nazizeit beibehalten wurden:
"Die Gebietseinteilung Hamburgs von 1938 mit 178 Ortsteilen ist bis heute mit 180 Ortsteilen nahezu unverändert geblieben. Hier lässt sich noch immer die NSDAP-Ortsgruppenstruktur ablesen, nach der die Einteilung vorgenommen war. Auch der Begriff "Ortsamt", der 1943 erstmalig eingeführt wurde, ist erhalten geblieben." (Seite 255)

So möchte ich Sie fragen, wie Sie zu einer Änderung der Kommunalgesetzgebung im Sinne von „Mehr Demokratie wagen!“ , d. h. Im Sinne einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung durch echte Kommunalparlamente statt der heutigen Bezirksversammlungen, die Verwaltungsorgane sind, stehen.

Mit freundlichen Grüßen
M. W., Dipl.-Psychologe

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr W.,

wir als SPD sagen: Was vor Ort besser entschieden und umgesetzt werden kann, soll auch vor Ort entschieden und umgesetzt werden. Die Bezirke sind die wichtigste, unmittelbar mit den Menschen der Stadt arbeitende Ebene - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirksämter und die Mitglieder der Bezirksversammlungen sind gleichzeitig das Gesicht der Politik von Senat und Bürgerschaft. Die Auswirkungen aller politischen Entscheidungen in Hamburg werden als erstes durch den Bezirk und die Bezirkspolitik erfahren und reflektiert.

Es ist die Stärke der SPD, dass hieraus kein Konflikt der Ebenen entsteht, sondern aus den Rückmeldungen und Erfahrungen der Akteure vor Ort an den besten Lösungen gearbeitet wird. Dazu gehört auch, dass wir transparent machen, wo gesamtstädtische Belange berührt und Lösungen aus gesamtstädtischer Perspektive vorzuziehen sind. Wir sind ein Stadtstaat, eine Einheitsgemeinde, und wollen das bleiben.

Das in der Hamburgischen Verfassung verankerte Stadtstaatenprinzip bestimmt aber, dass in Hamburg staatliche und gemeindliche Tätigkeit nicht getrennt werden. Anders als im Verhältnis von Flächenländern zu ihren jeweiligen Gemeinden stellen die Hamburger Bezirke daher keine kommunalen Körperschaften dar. Dies bedeutet, dass auch die Bezirksämter grundsätzlich in die vom Senat geführte und beaufsichtigte Verwaltung eingegliedert sind. Der Hamburger Senat trägt gegenüber der Hamburgischen Bürgerschaft auch die Verantwortung für das gesamte Verwaltungshandeln der Stadt, einschließlich der Bezirke.

Aus dieser gesamtstädtischen Verantwortung heraus muss es dem Hamburger Senat daher schon im Sinne der Hamburgischen Verfassung möglich sein, im gesamtstädtischen Interesse ausnahmsweise abweichende Entscheidungen von auf Bezirksebene gefassten Beschlüssen zu treffen. Eine solche Entscheidung soll aber stets nur am jeweiligen Einzelfall und unter Betrachtung und sorgfältiger Abwägung aller Gesamtumstände erfolgen.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Tschentscher