Frage an Peter Stephan von Jennifer P. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Stephan,
wenn man unberücksichtigt lässt, dass Mitarbeitern/innen von kirchennahen Einrichtungen (z.B. Diakonie, Caritas) Grundrechte vorenthalten werden (z.B. das Streikrecht - Art. 9 Abs. 3 GG) gibt es ein weiteres Problem des sogenannten "Dritten Wegs":
Der "Dritte Weg" wird aktiv als Wettbewerbsstrategie genutzt um sich gegenüber sozialwirtschaftlichen Konkurrenten, die nicht kirchennah sind, Vorteile zu verschaffen.
-> http://www.boeckler.de/38555_40601.htm (2. Absatz)
Meine Frage: Sehen Sie es als gerechtfertigt an, dass kirchennahe Einrichtungen solche Vorteile nutzen dürfen?
Freundliche Grüße
Jennifer Pfeifer
Guten Tag Frau Pfeifer,
kirchliche Arbeitsrechtsregelungen - z. B. über die Vergütungshöhe, den zu gewährenden Erholungsurlaub oder die betriebliche Altersversorgung - kommen in denen als öffentlich-rechtliche Körperschaft verfassten Kirchen überwiegend auf dem so genannten Dritten Weg zustande. Der Dritte Weg findet seine Grundlage und Legitimation im verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen (Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Weimarer Reichsverfassung).
Die Kirchen können ihre eigenen Angelegenheiten, also insbesondere das Personalrecht, in den Schranken der für alle geltenden Gesetze eigenständig regeln.
Das Leitbild der Dienstgemeinschaft und die religiöse Dimension des kirchlichen Dienstes fordert ein System, das auf Partnerschaftlichkeit, Dialog und Kooperation ausgelegt ist.
Der Dritte Weg beschreibt daher ein Arbeitsrechtssetzungssystem, das sich grundsätzlich von der arbeitgebereinseitigen Entscheidung ("Erster Weg") oder von Tarifverträgen ("Zweiter Weg") unterscheidet. Als Spiegel der gemeinsamen Verantwortung für den Verkündigungsauftrag werden Arbeitsrechtsregelungen in mit Vertreter/innen der Mitarbeiterschaft und Vertreter/innen der Anstellungsträger paritätisch besetzten Kommissionen beschlossen. Entscheidungen können nur durch Mehrheitsbildung und Konsens getroffen werden.
Bei Konflikten, die sich naturgemäß aus der Existenz und Wahrnehmung unterschiedlicher Interessen von Mitarbeitenden und Einrichtungsleitungen ergeben, sind alle Beteiligten verpflichtet, den Weg der partnerschaftlichen Lösung zu gehen. Kann im Ausnahmefall keine Einigung erzielt werden, wird diese Lösung im Rahmen eines verbindlichen Schlichtungsverfahrens erreicht. Streik und Aussperrung - dem Tarifvertrag immanent - sind zum Schutz des kirchlichen Auftrags nicht möglich. Arbeitskämpfe in Tarifauseinandersetzungen sind mit dem Selbstverständnis des kirchlichen Dienstes als Glaubens- und Dienstgemeinschaft nicht vereinbar.
Die Durchführung des Dritten Weges ist kirchengesetzlich (Arbeitsrechtsregelungsgesetze) oder durch entsprechende kircheninterne Ordnungen geregelt (z.B. Ordnung der Arbeitsrechtlichen Kommission des Diakonischen Werkes der EKD).
Insoweit hat der Dritte Weg Vorteile und Nachteile gegenüber anderen Arbeitsverhältnissen und ist als solcher in unserer Gesellschaft anerkannt und berechtigt.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Stephan