Peter-Rudolf Zotl
DIE LINKE
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Frage von Dörte P. •

Frage an Peter-Rudolf Zotl von Dörte P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Zotl,
die rot-rote Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus hat – mit Unterstützung anderer Fraktionen - in den vergangenen Jahren zahlreiche Gesetze beschlossen, die den Berlinern umfangreichere Informations- und Mitwirkungsrechte geben. Um nur einige zu nennen: Einführung von Bürgerentscheiden in den Bezirken - der erste wird am 17. September in unseren Bezirk stattfinden - , Erleichterungen bei Volksbegehren und Volksentscheiden und die Möglichkeit, bereits ab 16 Jahre die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) zu wählen. Auch dass die BVV den Einwohnern ein Rederecht in den Sitzungen der BVV und ihren Ausschüssen einräumen kann, ist auf jüngste Entscheidungen im Abgeordnetenhaus zurückzuführen. Unser Bezirk praktiziert das ja seit April.
Was wollen Sie persönlich in den kommenden 5 Jahren tun, um die Mitwirkungsmöglichkeiten von Bürgern auf Landesebene und in den Bezirken für den Bürger transparenter zu machen und ggf. auch zu erweitern?
Mit freundlichen grüßen
Dörte Putensen

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrte Frau Putensen,

es stimmt, dass die rot-rote Koalition im Abgeordnetenhaus – oftmals auf Initiative der Linkspartei.PDS und auch zusammen mit anderen Fraktionen – viele und neue Möglichkeiten eröffnet hat, damit Einwohnerinnen und Einwohner ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen und vor allem selbst entscheiden können. Durch die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit, der sich in diesem Falle lediglich die CDU entzogen hatte, wurde es z.B. möglich, die Absenkung des Mindestalters für die kommunale Wahlberechtigung auf 16 Jahre in der Landesverfassung zu verankern. Das gibt es nur in Berlin, weil wir gemeinsam die erforderliche Zweidrittelmehrheit hatten, um dieses Wahlalter 16 in der Verfassung festzuschreiben. Damit es aber quasi unumkehrbar gemacht worden, weil man auch, wenn es jemand wieder kippen will – eine Zweidrittelmehrheit benötigt, die es in dieser Frage nie geben wird.

Natürlich gab es vor allem im Zusammenhang mit der Einführung bezirklicher Bürgerbegehren und Bürgerentscheide sowie zur Stärkung des Einwohnereinflusses auf die BVV harte und z. T. langwierige inhaltliche Auseinandersetzungen, in deren Verlauf wiederum die CDU ausgestiegen ist und auch – damit die SPD bei der Stange blieb – durchaus Kompromisse eingegangen werden mussten. Dadurch wurden eben nur Bürgerentscheide mit empfehlender Wirkung bei den bezirklichen Bebauungsplänen möglich und das Wahlalter 16 nicht auch auf die Landesebene ausgedehnt. Für Volksentscheide zur vorzeitigen Auflösung des Landesparlaments bzw. zur Änderung der Verfassung von Berlin – hier blieb die CDU an Bord – wurden als Kompromiss zwischen allen fünf Fraktionen Quorenlösungen gefunden, die wir als noch zu hoch und korrekturbedürftig betrachten.

Auch die Umsetzungen der Gesetze in den BVV-Geschäftsordnungen – was die neuen Mitwirkungs- und Informationsrechte der Bevölkerung betrifft – sind leider noch höchst unterschiedlich. Lichtenberg mit absoluter PDS-Mehrheit ist hier Vorreiter, andere Bezirke – vor allem mit konservativen Mehrheiten – sind da noch eher zurückhaltend.

Daraus ergeben sich auch Schwerpunkte für meine weitere Arbeit, denn wenn ich wieder ins Abgeordnetenhaus gewählt werden sollte, würde ich gern weiter auf dem Gebiet der Politik- und Verwaltungsmodernisierung tätig sein.

Erstens stehen wichtige Nachbesserungen der bereits verabschiedeten Gesetze an. Ich will mich – das ist in der Fraktion bereits Konsens – dafür engagieren, dass es bei Volksentscheiden zur Änderung der Verfassung und zur vorzeitigen Auflösung des Landesparlamentes zu einer Absenkung der noch zu hohen Beteiligungsquoren (wie viel Bürgerinnen und Bürger mindestens teilnehmen müssen) und zur Ersetzung der gesonderten Zustimmungsquoren durch das Prinzip, dass die einfache Mehrheit entscheidet, kommt. Wir wollen auch versuchen, den Verbindlichkeitsgrad von Bürgerentscheiden zu den bezirklichen Bebauungsplänen zu erhöhen, weil die Gesetze für mehr direkte Demokratie in den Bezirken ohnehin in der nächsten Legislaturperiode evaluiert werden müssen.

Zweitens werde ich mich für eine weitere Demokratisierung des Wahlrechtes einsetzen. Dabei geht es darum, das Wahlalter auch bei Abgeordnetenhauswahlen auf 16 Jahre abzusenken, denn das unterschiedliche Mindestwahlalter bei Abgeordnetenhaus- und BVV-Wahlen ist überhaupt nicht einzusehen. Besonders engagieren will ich mich dafür, dass endlich das kommunale Wahlrecht für alle hier Lebenden ohne deutschen bzw. ohne EU-Pass eingeführt wird. Das bedarf allerdings einer Bundesregelung. Und dann bin ich dafür, dass wir für die BVV-Wahlen des Prinzip des Panaschierens und Kumulierens einführen, wie es im Kommunalwahlrecht aller Flächenstaaten üblich ist: Die Wählerinnen und Wähler bekommen mehrere Stimmen und können diese nach ihrer Entscheidung verteilen, zwischen den Parteien, für eine Partei, zwischen den Bewerbern, auf einen Bewerber. Damit werden die häufigen Kungeleien der Parteien bei der Aufstellung der Listen eingegrenzt, weil die Wählerinnen und Wähler durch ihre Stimmenkonzentration (Kumulieren) bzw. durch ihr Stimmensplitting (Panaschieren) oftmals andere Mehrheiten bewirken. Und außerdem wird der Druck auf die Bezirksverordneten größer, auch während der Legislaturperiode eine bürgernahe Politik zu betreiben und so den eigenen Bekanntheitsgrad zu erhöhen.

Drittens müssen generell alle Mitwirkungsmöglichkeiten verbindlicher ausgestaltet werden. Wir haben noch zu oft bei so manchem Gesetz eine Regelung, dass die „Bürger angemessen zu beteiligen“ seien. Und das wird häufig sehr formalistisch ausgelegt, so dass de facto Bürgerbeteiligung keinerlei verbindliche Auswirkungen hat. Wir haben in dieser Legislaturperiode bereits angefangen, die Bürgerbeteilung im Zusammenhang mit diesem oder jenem Gesetz zwingender zu gestalten, das muss in der kommenden Legislaturperiode generell gemacht werden. Dazu haben wir bereits analytische Vorarbeiten geleistet.

Viertens will ich mich dafür engagieren, dass in mehr Bezirken Bürgerhaushalte durchgeführt werden und dass wir so etwas auch auf Landesebene machen. Wir haben als rot-rote Koalition die Bürgerhaushalte in Lichtenberg sowie in Marzahn-Hellersdorf zu zentralen Projekten der Berliner Verwaltungsmodernisierung gemacht und finanziert. Der Grundsatz war, dass Einwohnerinnen und Einwohner einen hohen und verbindlichen Einfluss über die Verwendung der finanziellen Mittel ausüben, über die der Bezirk frei entscheiden kann. So kommen haushaltspolitische Prioritäten und Bürgerwille in Übereinstimmung. Ich habe mich in der Vergangenheit sehr für diese Bürgerhaushalte engagiert, und ich werde das auch bei der Übertragung der jetzt vorhandenen Erfahrungen auf andere Bezirke machen. Als besondere Herausforderung empfinde ich, dass wir Mittel und Wege finden wollen, um zumindest wichtige Prinzipien des Bürgerhaushaltes auch auf die Landesebene zu übertragen.

Und fünftens werden wir einen berlinweiten Wettbewerb starten, um viele weitere Ideen aus der Öffentlichkeit zu „Mehr Demokratie! Aber richtig.“ zu bekommen. Aus diesen Ideen sollen – gemeinsam mit ihren Autorinnen und Autoren – parlamentarische Initiativen zur Erweiterung des Spektrums unserer basisdemokratischen Möglichkeiten entwickelt werden. Ich habe im Wahlkampf zunächst für meinen Wahlkampf ein solches Projekt bereits begonnen; es soll aber deutlich ausgeweitet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Peter-Rudolf Zotl