Frage an Paul Ziemiak von Philipp U. bezüglich Gesundheit
Da sie nach einer Erläuterung zu folgender Frage gefragt haben, hier eine "kurze" Zusammenfassung.
Bezugnehmend auf: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/paul-ziemiak/fragen-antworten/523378
Hallo Herr Ziemiak, danke für die schnelle Antwort.
Ihre offene Gesprächshaltung nehme ich gerne auf und zeige Ihnen meine Vorstellung gerne einmal auf.
Korrekt ist, dass Drogen in nahezu allen Ländern und Kulturen, sowie allen Gesellschaftsschichten verankert sind. Dies ist auch nicht erst seit Gestern so, sondern erstreckt sich bis in die Anfänge der Menschheit.
Bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts, waren weltweit fast alle Drogen legal. Selbst Substanzen welche wirklich nicht unbedingt konsumiert werden sollten, wie zum Beispiel Heroin. Auch Cannabis war in Deutschland bis 1972 legal. Zu sagen dass Cannabis also im Gegensatz zu Alkohol keine deutsche Geschichte hat ist falsch. Richtig ist dass es keine Cannabisfeste oder ähnliches gibt, Glasbläsereien und co. welche Rauchgeräte in höchster Qualität herstellen gibt es aber nach wie vor, ähnlich den Glasproduzenten von Wein und Biergläsern. Witzigerweise sind diese auch legal, wobei sie ausschließlich zum Konsum von Cannabis hergestellt werden.
Das Verbot lässt sich auch nicht auf gesundheitliche Aspekte zurückführen, die heute gerne als Erklärung für das bestehende Verbot angeführt werden. Ausschlaggebend hier waren damals die konservativen und auch rassistischen Ansichten des Amerikaners Harry J. Anslinger. Dieser war Leiter der „Federal Bureau of Narcotics“. Nachdem Optium durch internationale Beschlüsse verboten wurde, hatte seine Behörde nicht mehr viel zu tun. Durch die sich anbahnende Verkleinerung seiner Behörde musste er sich einen neuen „Feind“ suchen. Im Cannabis fand er eine Substanz welche seiner Ansicht nach sowieso nur von den Menschen konsumiert wurde, denen er kritisch bzw. abwertend gegenüber stand. Durch Behauptungen wie „Schwarze, Mexikaner und andere Minderheiten vergewaltigen im Rausch weiße Frauen“ oder „Studenten verfallen in Wahnsinn und Suizid“ wurde diese Ablehnung auch in der damals sehr rassistisch und konservativ eingestellten Bevölkerung verankert.
Schlussendlich hat er seinen Wunsch Cannabis zu illegalisieren also mit Falschbehauptungen und rassistischen Unterstellungen durchsetzen können.
Deutschland hat übrigens keine aktive Rolle bei der Prohibition gespielt. Das Verbot ist in Deutschland ursprünglich ausschließlich auf die Mitgliedschaft in internationalen Gremien und Organisationen wie der WHO zurückzuführen, welche alle Mitglieder zu einer einheitlichen Linie bewegte.
Also nochmal: Das aktuelle Verbot basiert im Ursprung nicht auf gesundheitlichen Aspekten sondern auf Rassismus und wie wir es heute sagen würden „Fake News“, und sicher auch finanziellen Interessen der Beteiligten wie Herrn Anslinger der seinen Job nicht verlieren wollte.
Jetzt zu meinem Vorschlag.
1. Herabsetzung zur Ordnungswidrigkeit. Da wir wissen wie schwer sich die konservative Seite der Politik mit Veränderung tut, währe eine Herabsetzung des Konsums zur Ordnungswidrigkeit ein erster sinnvoller Schritt. Auch um zu sehen, ob die Konsumzahlen durch eine Lockerung steigen, sinken oder gleich bleiben. Die CDU führt ja gerne einen Anstieg durch die Lockerung an. Zahlen können Sie meines Wissens aber nicht vorgelegen, wenn es bei legalisierenden Ländern über die ersten Wochen nach der Legalisierung hinaus geht. Befürworter bringen das Argument der Senkung an. Hier werden durchaus immer mehr Belege in legalisierten Ländern aufgezeigt. Colorado, Kalifornien, Portugal etc. Auch könnte man beobachten ob sich die Änderung auf das Gesundheitssystem, Bildung, Gewalttaten (wobei ich noch keinen bekifften Schläger gesehen habe, alkoholisierte jedoch ständig) auswirkt. Darüber hinaus würde es die unsägliche Praxis der Strafverfolgung endlich beenden. Jährlich werden 180.000 Menschen wegen Cannabiskonsum verfolgt. Allein in Deutschland! Das Argument der CDU ist hier, dass die meisten Verfahren ja eingestellt werden. Was nicht gesagt wird ist, dass vor dem Freispruch eine oft traumatische Zeit liegt. Von Hausdurchsuchungen, Türen aufbrechen, Spürhunde die die Wohnung auf den Kopf stellen, über die gesellschaftliche Stigmatisierung („beim Nachbarn war gestern die Polizei mit Spürhunden“, „der Kollege musste gestern vor Gericht“) ist hier alles dabei. Da nützten auch die drei anderen „Säulen“ nichts. Keiner konnte mir hier darlegen warum es maßvoll ist, eine Wohnung auseinander zu nehmen, nur weil derjenige ein Stück einer Pflanze besitzt. Weder besteht hier Gefahr für andere noch für die Gesellschaft.
2. Entkriminalisierung. Würde man durch Punkt 1 sehen dass die Gesellschaft und das Land nicht untergegangen sind, die Menschen weiter arbeiten gehen und die Schule (natürlich spreche ich hier von Erwachsenen, zb. Studenten) auch vernünftig abgeschlossen wird, würde dies der nächste Schritt sein. Konservative führen gerne den Jugendschutz als Erklärung der Prohibition an. Dies ist allerdings ein Strohmannargument. Keiner der Befürworter hat jemals verlangt, Cannabis für Minderjährige freizugeben. Mehr noch ist genau das Gegenteil der Fall. Mit der aktuellen Situation wird Jugendschutz verhindert. Denn Jugendschutz kann nur dort ansetzen wo etwas für Erwachsene legal ist. Heute kann jeder Jugendliche an Cannabis und co. kommen. An Tabak und Alkohol zu kommen ist allerdings recht schwierig. Neben der Tatsache dass Bier für 16 Jährige erlaubt ist was ich für absolut Falsch halte, da die Hirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist, wird sich nur schwer ein Erwachsener finden der sich mit dem Kauf von hartem Alkohol für Jugendliche strafbar machen würde. Natürlich gibt es auch hier Ausnahmen, die Hürde ranzukommen ist allerdings recht hoch. Außerdem macht sich dieser eben Strafbar und würde wegen Verkauf von Drogen an Minderjährige zurecht angeklagt. Würde Cannabis nun in einem mit Ausweiskontrolle kontrollierten Geschäft anstatt am Bahnhof in der Ecke verkauft, ergeben sich neben dem Jugendschutz weitere Vorteile. Erstens würde der Schwarzmarkt merklich reduziert. Gerade Straßenverkäufe würden sinken, da kein Erwachsender mehr bei einem zwielichtigen „Händler“ kaufen würde, wenn er in einen Laden gehen kann wo er weiss was er kauft. Oder würden Sie Alkohol bei einem Typ am Bahnhof kaufen? Ich denke nicht. Zweitens gebe es eine Qualitätskontrolle der Gesundheits- bzw. Lebensmittelbehörden von der Produktion bis zum Verkauf. Eine Art „Reinheitsgebot“ wie es beim Bier als etwas positives angesehen wird, würde auch hier gleiche positive Effekte erzielen. Wenn nicht, soll man mir erklären warum das beim Bier funktioniert, bei Cannabis aber nicht funktionieren soll. Drittens gebe es weniger Gesundheitsschäden da Beimischungen aus Prinzip unmöglich werden. Viertens gebe es Steuereinnahmen, die für Aufklärung und als Zahlungen an die Krankenkassen zur Kompensation genutzt werden könnten. Gerade die Kassen müssen heute für Schäden aufkommen (wobei ich nicht dafür bin), werden dafür von den Konsumenten aber nicht entschädigt (gilt übrigens auch bei Alkohol und Tabak). Eine Steuer würde hier Gerechtigkeit für die fördern, die nicht konsumieren. Der Personalmangel bei Polizei, Gerichten und co. spielt zwar auch eine Rolle, sollte aber unter dem Vorwand „man hat keine Lust auf Arbeit, also Entkriminalisieren wir“ aber nicht prioritär sein.
3. Eigenanbau. So wie der private Weinbauer auch ist es nach einer Entkriminalisierung natürlich nicht mehr wirklich möglich den Eigenanbau zu unterbinden. Auch wenn die meisten sicher nicht mit einem solch grünen Daumen ausgestattet sind um gute Erträge zu erzielen, gibt es auch keinen Grund dem Hobbygärtner dies zu versagen, zumal gerade solche Menschen dann vermehrt auf Bio und gute Qualität achten würden, genauso wie der Hobbygärtner stolz auf seine biologisch angebauten Gurken ist.
Vlt. konnte Ich Ihnen damit einen kleinen Denkanstoß geben. Ich denke auch in der CDU gibt es stetig mehr Stimmen, welche zumindest nicht mehr stoisch „Nein“ sagen und zumindest offen für Argumente sind.
PS: Ich habe gehört dass seit fast zwei Jahren nun eine Petition (die größte Petition bis damals) immer noch unbearbeitet im Parlament vorliegt. Vlt. können Sie mir ja sagen wann sie gedenken diese mal im Parlament zu debattieren. Immerhin ist es eine der größten Petitionen und eine Debatte darüber ist schon aus Respekt vor den Unterzeichnenden Bürgern nicht optional.
Quellen:
Herr Ansilnger
https://de.wikipedia.org/wiki/Harry_J._Anslinger
http://www.chanvre-info.ch/info/de/Die-Anti-Hanf-Kampagnen-der-Herren.html
Jugendliche kiffen weniger bei Legalisierung
https://www.jetzt.de/drogen/studie-zu-cannabis-konsum-im-us-bundesstaat-colorado
Entkriminalisierung hat positive Effekte
https://www.heise.de/tp/features/15-Jahre-entkriminalisierte-Drogenpolitik-in-Portugal-3224495.html
Deutscher Hersteller für Rauchgläser (zb. Bongs)
https://roor.de/categories_top.php (PS: ein ordentlicher Mittelständler der Steuern zahlt und Bürger in Arbeit bringt :)
Sollte ich Quellen vergessen habe, schreiben Sie mir diese bitte, ich werde diese natürlich nachreichen.
Philipp Utta
Sehr geehrter Herr Utta,
vielen Dank für Ihre erneute Zuschrift, in der Sie Ihre Ideen ausformuliert haben.
Für Ihren konstruktiven Beitrag in dieser Debatte möchte ich mich herzlich bedanken. Die geschichtlichen Hintergründe sind sehr interessant und man merkt, dass Sie sich vertieft mit der Thematik auseinandergesetzt haben.
Ihre drei Kernpunkte werde ich in die weitere Diskussion miteinbeziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Paul Ziemiak