Frage an Paul Ziemiak von Michael L. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Ziemiak,
Gerade habe ich über "abgeordnetenwatch.de" eine Petition zu Cum-Ex unterschrieben.
Was ich an der ganzen Debatte nicht verstehe:
Wenn jemand auf sehr raffinierte Weise eine Bank ausraubt, ohne daß Menschen bedroht, geschädigt oder verletzt werden, dann ist er dennoch ein Verbrecher, und wird ins Gefängnis gesteckt. Wenn Investoren das gleiche in viel größerem Umfang tun, wird in der Politik darüber diskutiert, ob das illegal ist, oder nicht. Wie kann das sein? Oder sehe oder vertehe ich da irgend etwas falsch?
Eine ähnliche Sache: Sie vertreten Freihandelsabkommen mit privaten Schiedsgerichten, die in der angestrebten Form nichts weiter sind, als legalisierter Raub!
Ist das nicht eine völlig verdrehte Welt? Und warum wundern sich unsere politischen Vertreter angesichts dessen über ihren schlechten Ruf?
Manchmal habe ich leider das Gefühl, er ist noch viel zu gut. (Stichworte: Lobbyismus, Verbraucherschutz - z.B. Lebensmittelampel, etc., etc., etc., pp, .....) Sorry, das musste ich einfach mal anfügen.
Ich bin ein ziemlich unpolitischer Mensch, und ich verstehe auch nicht viel von Politik. Aber ich habe einen einigermaßen gesunden Menschenverstand, und ein gewisses Gerechtigkeitsgefühl. Und beides wird von unseren, von UNS!!! bezahlten "Volksvertretern" doch oft sehr strapaziert.
Sollte der Spruch: "Dem deutschen Volk" über dem Eingang zum Parlament nicht vielleicht um der Wahrheit Willen umfomuliert werden in: "Dem internationalen Großkapital"? Das wäre doch zumindest ehrlicher.
Das dachte ich schon vor einigen Jahren, als ich zur TTIP-Demo in Berlin war.
Mit freundlichen Grüßen,
M. L.
Sehr geehrter Herr L.,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie sprechen eine Geschäftspraxis an, die verständlicherweise wütend macht.
Ich bin froh, dass Sie in diesem Zusammenhang TTIP erwähnen. Cum-Ex-Geschäfte stammen ursprünglich aus den USA und sind vermehrt in Europa aufgetreten, als man ihnen in den USA einen Riegel vorgeschoben hat. Die Gesetzgeber in Europa haben jedoch vielfach versäumt mit den USA gleichzuziehen.
Hätte es TTIP bereits gegeben, dann wäre dies wahrscheinlich nicht passiert. TTIP ist der Versuch gewesen eine gemeinsame gesetzliche Grundlage für die Wirtschaft auf beiden Seiten des Nordatlantiks zu etablieren. Gemeinsame Regeln sind die Grundlage für gesunden Handel und sie kommen uns allen zu Gute. Schiedsgerichte sollten in Streitfällen zwischen einem Staat und einem ausländischen Unternehmen entscheiden. Wo zwischenstaatliche Regelwerke gelten, sollte es auch eine Form der zwischenstaatlichen Justiz geben. Auf ähnliche Art und Weise werden viele Fälle bereits auf Ebene der EU oder der WHO gehandhabt.
Leider wurde die öffentliche Debatte um TTIP sehr verkürzt geführt und Erzählungen von „Chlor-Hühnchen“ haben eine sachliche Diskussion erschwert. Unter Präsident Trump ist die Weiterentwicklung von TTIP erstmal unwahrscheinlich. Grundsätzlich bin ich jedoch der Auffassung, dass die EU und die USA weiter daran arbeiten sollten. Wenn die beiden größten Märkte der Welt mit ihren hohen Verbraucherschutzstandards zusammenarbeiten, dann kann ein Regelwerk mit globalem Vorbildcharakter entstehen.
Sie haben es völlig richtig analysiert: Aktuell gibt es Akteure in der Wirtschaft, die Staaten gegeneinander ausspielen, Gesetzeslücken nutzen und auf Kosten der Allgemeinheit handeln. Internationale Handelsabkommen sind deshalb genau das Gegenteil von „legalisiertem Raub“. Sie schaffen klare Spielregel.
Herzliche Grüße
Paul Ziemiak