Frage an Otto Fricke von Rigobert W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fricke,
Roman Herzog (1997-1994 Präsident d.Bundesverfassungsgerichts) schrieb in der FAZ vom 8.9.08 einen Artikel mit dem Titel: Stoppt den Europäischen Gerichtshof.
Am 14.1.07 schrieb Roman Herzog einen zweiseitigen Aufsatz in der Welt am Sonntag mit dem Titel: Die europäische Union gefährdet die parlamentarische Demokratie in Deutschland.
Was halten Sie von den Ausführungen Roman Herzogs in den erwähnten Zeitungsartikeln?
Sehr geehrter Herr Wenzel,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Ich lese die Ausführungen des Herrn Bundespräsidenten, der Politikern wie auch Juristen meiner Generation in vieler Hinsicht ein Vorbild sein kann, stets mit Gewinn und außerordentlichem Interesse. Seine Beiträge sind auch deshalb umso wertvoller, als er ja in seiner Person viele verschiedene Perspektiven vereint, die ihm einen breiten kenntnisreichen Zugriff auch auf alle Fragen der Europäischen Einigung verleihen.
Nicht in allen Punkten bin ich der Meinung von Roman Herzog, und nicht in jeder Schlussfolgerung folge ich ihm. Aber gerade wer von der Europäischen Einigung - ein wahrhaft historisches Modell mit vielen Vorteilen für unseren Alltag - überzeugt ist, wer sie bewahren, fortentwickeln und zukunftsfest machen will, der muss auch jene kritischen Fragen stellen, die Roman Herzog für uns artikuliert. Gerade die faktische Erosion des Gesetzgebungsrechts der nationalen Legislative muss einem Parlamentarier große Sorgen bereiten. Die Notwendigkeit, in der EU so viele Interessen zum Ausgleich zu bringen, stellt die Organisation der Entscheidungsprozesse vor besondere Probleme. Sie ist nicht überall gelungen, und die Regierungslastigkeit der europäischen Entscheidungen ist viel zu hoch.
Die Frage der Wiederherstellung einer funktionierenden Gewaltenteilung zwischen Bundesregierung und Bundestag wird uns in den nächsten Jahren noch sehr beschäftigen. Sie wird an Gewicht gewinnen, je mehr Bedeutung die EU im Rechtssetzungsprozess gewinnt. Schon heute ist ihre Bedeutung - wie Sie wissen - enorm hoch.
Es grüßt Sie freundlich
Otto Fricke, MdB