Frage an Otto Fricke von Stefan H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Fricke,
heute habe ich gelesen, dass die Bundesregierung plant, den Arbeitsmarkt für Osteuropäische Arbeitnehmer erst 2011 zu öffnen.
Ich selber halte mich zur Zeit in der Slowakei auf. Arbeitsmarktsbeschränkungen gibt es hier für mich keine. Ich konnte (nach der Meldung bei der Polizei mit vorrübergehnder Aufenthalt) sogar regelmäßiger Beschäftigung nach gehen.
Immer wieder werde ich allerdings von Einheimischen gefragt, warum es für sie in Deutschland beschränkungen gibt, während es für mich als Deutschen in der Slowakei so einfach geht.
Vor ein paar Jahren war es der Allgemeine Trend für die Jugend in der Umgebung Kosice in Deutschland als Aupair zu arbeiten. Sehr viele Jugendlichen sprechen gut bis sehr gut deutsch, verfügen über Abitur oder auch einen Hochschulabschluss. Aber aufgrund der Beschränkungen ist der Trend jetzt eher, dass die Jugend nach Irland geht.
Meine Fragen sind: Warum schützt Deutschland seinen Arbeitsmarkt so intensiv? und wie steht Ihre Partei zu diesem Thema?
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Hartmann
Sehr geehrter Herr Hartmann,
haben Sie vielen Dank einerseits für den Einblick in Ihre Erfahrungen, andererseits für Ihre Frage, die ein ganz aktuelles Thema anspricht – und die ich gerne beantworte.
Denn: Sie haben Recht. Ihren Ausführungen kann ich mich weitgehend anschließen. Meine Fraktion insgesamt hat den mutlosen Beschluss des Bundeskabinetts kritisiert, mit dem die Beschränkungen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit noch einmal bis zum Jahr 2011 fortgeschrieben werden, mit lediglich ein wenig Lockerung für hochqualifizierte Fachkräfte. Dieser Kurs ist grundfalsch. Er schadet nicht nur dem europäischen Ansehen, er schadet vor allem den wirtschaftlichen Interessen unseres Landes.
Drei Argumente leiten mich dabei: Die EU-Mitgliedstaaten, die die Arbeitnehmerfreizügigkeit mit den neuen mittelosteuropäischen EU-Mitgliedstaaten bereits hergestellt haben, haben sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Legale Arbeitnehmer aus den Beitrittsländern tragen dort zum Wohlstand und zur wirtschaftlichen Dynamik bei. Großbritannien, Schweden und Irland haben ein hohes Wirtschaftswachstum und geringe Arbeitslosigkeit. Eigentlich sollten das für uns – insoweit - Vorbilder sein, an denen wir uns orientieren sollten.
Die Ablehnung der Freizügigkeit durch das Bundeskabinett hält zehntausende von Osteuropäern in der Illegalität. Bei voller Freizügigkeit stünden diese Osteuropäer, die in Deutschland arbeiten, endlich unter dem Schutz der Arbeitsgesetze und würden Steuern und Sozialabgaben zahlen. Es erschließt sich mir, auch aus einem humanistischen Blickwinkel, nicht, warum man diesen Menschen einen rechtlichen Status vorenthalten sollte, der der Gemeinschaft darüber hinaus noch fiskalisch nützt.
Schließlich war schon mehrfach zu vernehmen, dass auch die Bürgermeister der Grenzstädte an der Oder zu Recht verlangen, dass endlich auch polnische Arbeitnehmer legal in Deutschland arbeiten dürfen, ohne vorher große bürokratische Hürden nehmen zu müssen. Das würde für deutsche Firmen ein großes Arbeitskräftepotenzial erschließen und Arbeitnehmer und Handwerk vor illegaler Konkurrenz schützen.
Wenn nun lockernde Regelungen für Hochqualifizierte eingezogen werden, so reicht das keineswegs hin: Deutschland ist auch auf andere Fachkräfte, etwa Pflegekräfte, angewiesen – jetzt und nicht erst 2011.
Gemeinsam mit meiner Fraktion werde ich mich weiterhin für die schnellstmögliche Einführung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit einsetzen.
Es grüßt Sie freundlich
Otto Fricke, MdB