Frage an Otto Fricke von Klaus V. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Fricke,
zunächst bedanke ich mich für die Beantwortung meiner Fragen vom 04.08.2005.
Zu Ihren Erfahrungen mit dem Fachabitur möchte ich Ihnen zwei erläuternde Beispiele geben:
1) Geprüfte BilanzbuchhalterInnen/ IHK (nicht persönlich betroffen). Hierzu besteht seit den Zeiten Jürgen Möllemanns als Bundesbildungsminister eine Prüfungsverordnung. Von einigen IHKn wird der Bilanzbuchhalter auch zusätzlich als "Fachkaufmann/ - frau für das Rechnungswesen" bezeichnet. Tatsächlich stehen in NRW die Fachhochschulen auch Fachkaufleuten offen, da diese eine, dem Meister gleich gestellte Qualifikation besitzen. Obwohl es sich bei der Fortbildungsprüfung zum Bilanzbuchhalter unzweifelhaft um das Paradepferd der IHKn handelt, wird dieser Berufsstand nicht durch die Hochschulen und den Regierungspräsidenten Düsseldorf als oder mit "Fachkaufmann" gleichgestellt interpretiert. Kurzum: man gibt sich hier recht "wortverhaftet", statt die entsprechenden Prüfungsverordnungen zu interpretieren. Hier soll es laut Aussage des Dekans meiner Hochschule bereits einige Fälle gegeben haben, in denen Bilanzbuchhaltern somit der Zugang zum Fachhochschulstudium versagt blieb.
2) Aus dem persönlichen Umfeld: Mein Bruder ist bereits Steuerberater (über den Praxisweg), möchte jedoch durch ein Studium einen akademischen Titel erwerben. Die Hochschulleitung darf laut Ihrer Aussage von Gesetz wegen den StB-Titel nicht mit einer Meisterqualifikation gleichstellen oder höherwertig einstufen, auf der anderen Seite wurde mir durch das Regierungspräsidium Düsseldorf bereits am Telefon mitgeteilt, daß ein Studium an einer Fachhochschule nicht in Frage komme, da es sich nicht um einen Meistertitel handele. Es ist weder bekannt, daß Grundlage der Bestellung zum StB ein bestandenes Staatsexamen ist, noch daß StB - auch ohne akademischen Titel - an Hochschulen Dozententätigkeiten wahrnehmen dürfen. Als letzter Weg bleibt ein aufwendiges Verfahren zur Anerkennung des StB-Titels als einen dem (Voll-)Abitur gleichgestellten Abschluß. (Ich werde Sie bei Interesse gerne über den weiteren Verlauf informieren.)
Es stellen sich also somit zwei Fragen:
Ist es Ihrer Meinung nach wirklich sinnvoll, die Interpretation der Bildungsvoraussetzungen in gewissen Fällen weiterhin den Regierungspräsidien zu überlassen?
Wie ist es mit dem Ausbildungsniveau unserer Beamten bestellt?
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Vieten
Sehr geehrter Herr Vieten,
es freut mich, dass Sie den Wahlkampf nutzen, um auf konkrete Missstände hinzuweisen.
Die von Ihnen geschilderten Fälle zeigen in der Tat, dass wir eine erheblich verbesserte Durchlässigkeit zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung brauchen. Die FDP hat sich schon in der letzten Legislaturperiode für die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung ausgesprochen und dies ausdrücklich im Wahlprogramm verankert. Meistern oder gleichwertigen Abschlüssen ist in jedem Fall der Hochschulzugang zu ermöglichen. In vielen Fällen kann ich mir aber vorstellen, dass ggf. mit einer zu bestehenden Zusatzprüfung sogar die Gleichwertigkeit mit einem Bachelor-Abschluss und somit die Möglichkeit eines Master-Studiums eingeräumt wird.
Denn trotz einer möglichst großen Flexibilität benötigen wir eine gewisse Leistungskontrolle. Dabei gebe ich zu, dass dieses bei Wissensprüfungen immer einen großen Beurteilungsspielraum mit sich bringt. Für Steuerberater, die ja eine ziemlich komplexe Staatsprüfung absolviert haben, kann ich mir dies besonders gut vorstellen. Es ist für mich erschreckend, dass die Kriterien nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern sogar zwischen den Regierungspräsidien unterschiedlich sind. Bildung ist für die Berufsaussichten und die persönliche Lebensgestaltung ein ganz wesentlicher Faktor. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet, allen Deutschen unabhängig von ihrem Wohnsitz die gleichen Chancen einzuräumen. Da kann es keine Interpretationsspielräume geben.
Sie werden verstehen, dass ich mich zu Ihrer – wie ich meine - ironisch gemeinten Frage nach der Bildung der Beamten nicht äußern möchte.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Otto Fricke