Frage an Otto Fricke von Timo S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fricke,
als politisch und geschichtlich interessierter junger Mensch, liegen mir die Bürgerrechte besonders am Herzen.
Leider habe ich feststellen müssen, dass bereits unter dem diktatorischen Regime von Napoleon Plebiszite z.B. zur Verfassung durchgeführt worden sind, während meine Möglichkeiten bei wichtigen Entscheidungen in unserem repräsentativ-demokratischen System stark begrenzt werden. So wurde der EU-Grundlagenvertrag 2008 ohne Bürgerbefragung beschlossen.
Ich möchte bei der Bundestagswahl am 22. September wieder eine liberale Partei wählen, sehe bei der FDP aber kaum Bemühungen zu mehr Bürgerinitiative, obwohl dies nach meinem Verständnis im ureigensten Interesse einer liberalen Partei sein sollte.
Können Sie mir als FDP-Wähler der letzten Bundestagswahl erklären, warum in der Hinsicht in dieser Legislaturperiode nichts geschehen ist und warum ich Sie - wenn mir das Thema besonders wichtig ist - wieder wählen sollte?
Vielen Dank und freundliche Grüße,
Timo Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
es freut mich sehr, dass Sie einerseits diese Webseite nutzen, um sich eine generelle Orientierung für die anstehende Wahl zu verschaffen und andererseits mir, als Ihrem liberalen Kandidaten in Krefeld, direkt die Möglichkeit geben, Sie noch einmal für den 22. September zu motivieren.
Bevor ich auf Ihre eigentliche Frage nach mehr direktdemokratischen Elementen in der europäischen bzw. deutschen Politik eingehe, möchte ich drei Punkte jedoch vorwegnehmen:
1. Welche der Parteien des demokratischen Spektrums Sie letztlich wählen ist egal, aber wichtig ist, dass Sie überhaupt wählen gehen. Das Angebot ist vielfältig und Ihre Wahl macht einen Unterschied.
2. Der Vergleich zwischen der politischen und wirtschaftlichen Partnerschaft der europäischen Staaten und der Diktatur Napoleons ist nicht ganz korrekt. Das Plebiszit zur Konsulatsverfassung im Jahre 1800 wurde dem französischen Volk nachträglich vorgelegt, um einen demokratischen Anschein zu wahren.
Als dauerhaftes demokratisches Element während der napoleonischen Herrschaft kann die Volksbefragung nicht gelten.
3. Und letztlich darf ich darauf hinweisen, dass die FDP die einzige liberale Partei in Deutschland ist. ;-)
Deutschland wurde als eine repräsentative Demokratie geschaffen, in der die Volksvertreter für und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger handeln. Ich glaube auch nach wie vor, dass es dafür gute Gründe gibt. Das Beispiel der Schweiz zeigt immer wieder, dass Volksentscheide kein Allheilmittel sind. Oft fehlt durch eine schwache Beteiligung die Legitimation für die Entscheidungen, dann werden Entscheidungen vor dem Hintergrund der publizistischen Marktmacht von Medienkonzernen- und Interessen herbeigeführt und letztlich entscheidet vielfach eine mobilisierte Minderheit über eine uninformierte und desinteressierte Mehrheit. All diese Abwägungen sind sicherlich auch im Vorfeld des EU-Grundlagenvertrages diskutiert worden.
Gleichwohl glaube ich, dass es unter bestimmten Umständen möglich sein muss, Bürgerinnen und Bürger auch direkt an politischen, Entscheidungen zu beteiligen. Während es auf Landesebene diese Möglichkeiten gibt, kennt unser System diese Elemente auf Bundesebene nicht. Die Rahmenbedingungen für eine Ausweitung der Bürgerbeteiligung wird in allen Parteien seit längerer Zeit ausführlich diskutiert.
Als Liberale haben wir erschöpfend das Für und Wider direktdemokratischer Elemente abgewogen und uns im vergangenen Jahr in unserem Grundsatzprogramm, den "Karlsruher Freiheitsthesen" deutlich für mehr Volksbefragungen und Volksentscheide ausgesprochen: http://www.fdp.de/files/565/Karlsruher_Freiheitsthesen.pdf . Auch in Fragen der Europapolitik sind sich die Parteien im Deutschen Bundestag einig, dass es bei bestimmten Fragen zu Referenden kommen muss und wird http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/europapolitik-fdp-und-csu-denken-ueber-volksabstimmung-nach/6986960.html
Wir als FDP haben als einzige Partei im Deutschen Bundestag unsere Mitglieder direktdemokratisch an der Frage zum ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus http://www.esm.europa.eu/ ) beteiligt, die sich zuvor in Regionalkonferenzen zum diesem komplizierten Thema informieren konnten http://www.mitgliederentscheid.fdp.de/ . Auch das ist ein Zeichen von direkter Demokratie und Bürgerrechten.
Darüber hinaus empfehle ich Ihnen den folgenden Link zur Bilanz der FDP-Bundestagsfraktion, die sich sehen lassen kann: http://www.fdp.de/files/5078/Faktencheck_B_rgerrechte.pdf
Unter Bürgerrechten verstehen wir als Liberale auch den Kampf gegen eine allgemeine Verbotskultur. Rauchverbote, Werbeverbote, die Bevormundungspolitik zieht sich wie ein roter Faden durch die Ideen der anderen Parteien, gerade z.B. die Grünen http://www.rp-online.de/politik/deutschland/die-verbotsliste-der-gruenen-1.3500506 . Die Menschen werden für unmündig erklärt, Vater Staat soll es richten und den Menschen in jeder Lebenslage vorgeben, wie sie sich zu verhalten haben. Das aber hat mit Freiheit nichts zu tun.
Wir als Liberale hingegen haben unser Vertrauen in die Freiheit nicht verloren. Im Gegenteil: Wir sind und bleiben überzeugte Kämpfer für die Freiheit, gerade in Zeiten, in denen das vielen unbequem, ja mehr noch, gar als Risiko erscheint. Freiheit als Gefahr - diese Geisteshaltung ist zutiefst erschreckend und zudem grundlegend falsch.
Es ist erschreckend und mehr als das, wenn die Aufgabe von Freiheit zur staatsbürgerlichen Pflicht erklärt wird. Denn die vornehmste Aufgabe des Staates muss doch gerade sein, die Freiheit zu schützen, sie zu bewahren. Es mag profan klingen, aber es ist doch der Kernsatz, an den wir uns immer wieder erinnern müssen: "Freiheit kann man nicht schützen, indem man sie aufgibt."
Die Wahrung der Bürgerrechte sind unter der Beteiligung der FDP nachhaltig gestärkt worden. Für diesen Kurs steht ganz persönlich unsere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger http://sls2013.de/
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen das Vertrauen in die Wahl einer liberalen Partei ;-) zurückgeben. Ich wünsche Ihnen in den letzten Tagen bis zur Bundestagswahl noch einen spannenden und erkenntnisreichen Wahlkampf.
Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke