Frage an Otto Fricke von Cora von H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Fricke,
ich habe das vertrauen in die Politik bzw. die PolitikerInnen mittlerweile völlig verloren.
Dennoch erlaube ich mir Ihnen eine Frage zu stellen.
Es ist doch so, dass einem Land nur geholfen werden kann, bzw. es unter den Rettungsschirm schlüpfen kann, wenn der Euro als solches in Gefahr ist, oder? Daher erschliesst es sich mir nicht, wie das im Fall von Zypern sein kann, dieses Land trägt lediglich 0,2 % der Wirtschaftsleistung der EU. Nach dieser Logik kann dann wohl jeder unter einen Rettungsschirm kriechen, womit auch geklärt ist, wie man es immer wieder schafft den NoBailOut § auszuhebeln.
Jahr für Jahr weisst der Bund der Steuerzahler der Politik nach, dass es erhebliche Steuerverwendungen gibt. Keiner Regierung ist es gelungen seit 1969 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Ein neuer Begriff ist nun strukurell ausgelichen. Ist das nicht auch nur politische Phrasologie?
Wie können wir das vor kommenden Generationen verantworten, immerhin können diese unser Erbe nicht ausschlagen? Gesamtschulden mehr als 2 Billionen Euro plus erhebliche Bürgschaften
Über eine Antwort von Ihnen würde ich mich sehr freuen, vor allem vor dem Hintergrund, dass Sie auch Vater von 3 Kindern sind
Mit freundlichen Grüssen
Cora von Haeften
Sehr geehrte Frau von Haeften,
vielen Dank für Ihre Mail und Ihre Fragen zur Haushaltspolitik bzw. den Entscheidungen zur Währungsunion. Selbstverständlich fließen in meine Antworten nicht nur meine Erfahrungen als Haushaltspolitiker, sondern auch immer auch die Perspektive eines Familienvaters mit ein. Und mich bewegt natürlich sehr, wie meine eigenen Kinder, aber natürlich auch, welche politischen und gesellschaftlichen Gestaltungsmöglichkeiten die nachfolgenden Generationen haben.
Ich kann Ihnen also versichern, dass alle meinen Entscheidungen als Politiker, immer auch ein Abwägungsprozess als Familienvater vorweg geht. Aber gerade hier, und ich darf Ihre Frage zum strukturell ausgeglichenen Haushalt an dieser Stelle vorziehen, habe ich mir als Liberaler in den vergangen vier Jahren nichts vorzuwerfen. In etwas mehr als drei Jahren Regierungsverantwortung hat die FDP im Bereich der Haushaltskonsolidierung Erfolge erzielen können. Die Grundidee Liberaler Sparbücher hat die Regierungspolitik geprägt und zu messbaren Erfolgen geführt. So wurde die jährlichen Nettokreditaufnahme (NKA) gegenüber Steinbrücks letztem Haushalt um rd. 70 Mrd. Euro gesenkt. Plante Steinbrück für 2010 noch mit einer NKA von 86,1 Mrd. Euro, konnte diese im Jahr 2013 auf 17,1 Mrd. Euro zurückgeführt werden. Dies gelang trotz erheblicher Zusatzbelastungen wie:
o der ESM-Bareinlage (2012, 2013 je 8,7 u 2014 4,3 Mrd. Euro),
o der Entlastung von Kommunen und Zugeständnissen an die Länder mit Auswirkungen von insgesamt ca. 22 Mrd. € in den Jahren 2010 bis 2013 (volle Jahreswirkung ab 2014: 10 Mrd. Euro).
Zusammengerechnet liegt die NKA nach Steinbrücks letztem Finanzplan zwischen 2010 und 2012 um 132,7 Mrd. Euro über der von der christlich-liberalen Koalition erreichten NKA. Inklusive 2013 ergibt sich sogar eine Differenz von 161,5 Mrd. Euro!
Nun zu ihrer eigentlichen Ausgangsfrage, nämlich der eines strukturell ausgeglichenen Haushalts: Dies meint einen Haushalt ohne Einmaleffekte und unter Berücksichtigung konjunktureller Einflüsse. Die bereits erwähnte ESM-Bareinlage ist z.B. so ein Einmaleffekt, denn sie belastet nur einmalig den Bundeshaushalt. Dahingegen fallen die Leistungen an Kommunen und Länder nicht darunter, denn diese müssen in jedem Jahr vom Bund wieder erbracht werden. Für das Jahr 2014 soll nach Beschluss der Koalition ein strukturell ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden. Damit wird die Schuldenbremse bereits vier Jahre vorher als geboten eingehalten: Mit Abschluss des Haushaltes 2012 konnte das strukturelle Defizit auf 0,32 % des BIP und damit unter die verfassungsrechtlich erst ab 2016 einzuhaltende Obergrenze von 0,35 % gedrückt werden.
Besonders stolz bin ich jedoch auf die Reduzierung der jährlichen Gesamtausgaben des Bundes von 303,7 (2010) auf 302 Mrd. Euro (Soll 2013) innerhalb einer Legislaturperiode. Auch wenn sich das in absoluten Zahlen nach wenig anhört, so ist es doch eine große Leistung verglichen mit den Ausgabenorgien der Vorgängerregierungen. Schwarz-Gelb ist es als erster Koalition in der Geschichte gelungen, die Ausgaben am Ende einer Legislatur niedriger als am Anfang zu halten. Im Gegensatz dazu erhöhte Rot-Grün in deren Regierungszeit die Ausgaben um rd. 26,2 Mrd. Euro und die Große Koalition um rd. 31,3 Mrd. Euro!
Unabhängig davon, stimme ich Ihnen natürlich zu, dass der Bund der Steuerzahler immer wieder und vielfach zu Recht die Verschwendung von Steuergeld anmahnt. So z.B. im Zusammenhang mit der Kalten Progression http://www.steuerzahler.de/Diskussion-um-Steuermehreinnahmen/53257c62249i1p1520/index.html die dafür sorgt, dass die Bürger real nicht mehr, sondern weniger Geld in der Tasche haben, als ihnen eigentlich zusteht. Fast jede Gehaltserhöhung ist mit einem höheren Steuersatz verbunden. Wenn aber gleichzeitig die Inflation steigt hat der Arbeitnehmer, gemessen an der realen Kaufkraft, am Ender oft weniger im Portemonnaie als vorher. Er kann sich weniger leisten, trotz Lohnerhöhung, weil der Staat im Durchschnitt 54 Prozent der Gehaltserhöhung einbehält. Als Liberale wollen wir, dass der Staat auf diese heimliche Steuererhöhung in einer Höhe von jährlich 6 Mrd. Euro verzichtet.
Nun komme ich auf Ihre Frage bezüglich Zypern zurück. Die Republik Zypern hat im Juni beim Präsidenten der Gruppe der Finanzministerinnen und Finanzminister der Eurostaaten (Eurogruppe) einen Antrag auf Finanzhilfe gestellt. In der Folge haben auf Bitten der Eurogruppe die Europäische Kommission (EU Kom), die europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) (Troika) die Bedeutung Zyperns für die Finanzstabilität des Euroraums sowie die finanzielle und wirtschaftliche Lage im Land und insbesondere den Finanzbedarf für ein mögliches Anpassungsprogramm und die Tragfähigkeit der Verschuldung des Staatshaushaltes untersucht. Die EU Kommission in Zusammenarbeit mit der EZB hat gegenüber der Eurogruppe die Gefährdung der Finanzstabilität der Eurozone durch Zypern bestätigt. http://www.focus.de/tagesthema/eu-hintergrund-warum-gilt-zypern-als-systemrelevant_aid_942874.html
Die Eurogruppe ist vor diesem Hintergrund zu dem Schluss gekommen, dass Zypern grundsätzlich Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gewährt werden könnte. Der Bundestag hat dieser Hilfe unter strikten Auflagen für eine Anpassung der Volkswirtschaft zugestimmt. Diese umfassen erstens den überdimensionierten Bankensektor, der mit dem Ziel einer Stabilisierung und erheblichen Schrumpfung umstrukturiert werden muss. Zweitens muss der Staatshaushalt konsolidiert werden, um das umfangreiche Haushaltsdefizit abzubauen. Und drittens müssten Strukturreformen durchgeführt werden, um ökonomische Ungleichgewichte in der zyprischen Wirtschaft zu korrigieren, so wie dies Deutschland bereits vor Jahren getan hat.
Mit der hohen Schuldenlast sprechen Sie genau eine der entscheidenden Ursachen der Krise in den europäischen Mitgliedstaaten, aber natürlich auch bei uns in Deutschland an. Die Ursachen der Krise in den Mitgliedstaaten der Währungsunion unterscheiden sich von Land zu Land. Es gibt jedoch mindestens eine Gemeinsamkeit. Mit der Einführung des Euros sanken die Zinsen in den Euro-Staaten, die dies wiederum nutzten, um sich zu günstigeren Bedingungen zu verschulden. Dieser Vorteil setzte, je nach Land unterschiedliche Fehlanreize. Überdimensionierter Wohnungsbau, kreditfinanzierter öffentlicher Sektor etc. und damit zu deutlichen Preis- und Lohnsteigerungen, die wiederum zu einem Verlust von Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in den jeweiligen Ländern geführt hat. In den vergangenen sechs Jahren konnten wir die Folgen dieser Fehlentwicklungen und die damit einhergehenden wachsenden Vertrauensverluste in die Schuldtragfähigkeit von Banken und Staaten sehen. Enorm hohe Staatsdefizite, die dazu geführt haben, dass verschiedene Länder Probleme bekamen, sich zu refinanzieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir gegenüber unseren europäischen Nachbarn solidarisch sein müssen. Mit der Forderung nach strikten Auflagen – also Solidarität für Solidität – kümmern wir uns nicht nur um die Menschen in den betroffenen Ländern und stärken die europäische Gemeinschaft, sondern erreichen auch einen wirtschaftlich starken Euroraum, von dem die deutsche Volkswirtschaft ausgesprochen profitiert.
Diese Konsolidierungspolitik ist ehrlich und war unvermeidlich, wenn wir unsere Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen wirklich ernst nehmen. Unseriös hingegen sind alle Forderungen nach höheren Steuereinnahmen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dies immer auch zu höheren Ausgaben geführt hat und keineswegs zu einer Verringerung der Staatsschulden. Wir als Liberale erbringen gerade den Beweis, dass dieser Trend umkehrbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke