Frage an Otto Fricke von Tobias L. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr Fricke,
ich werde im nächsten Jahr festangestellt nach Beendigung meiner Ausbildung (Alter: 22) und muss ehrlich sagen, dass man in diesem Land Arbeit nicht gerade schmackhaft gemacht bekommt. Ich werde wohl meine Riester-Rente kündigen da das eh alles nur Betrug ist und ich mir die Beiträge wahrscheinlich eh nicht leisten kann und das Geld besser ausgebe solange es noch irgendwelche Gegenwerte dafür gibt. Ich würde gerne mal wissen wie man bei den hohen Abgaben, steigenden Bahnpreisen, steigenden Stomkosten etc. überhaupt eine Familie gründen soll oder eine Altersvorsorge aufbauen soll. Wie soll das noch gehen? So wie das momentan läuft werde ich auf jeden Fall die Gründung einer Familie streichen, das steht für mich mittlerweile schon so gut wie fest. Kinder in die Welt zu setzen denen man wahrscheinlich keine gute Bildung ermöglichen kann, weil die staatlichen Schulen das einfach nicht hergeben und man Unmengen von Geld in individuelle Bildung für das Kind investieren muss sind da auch kein Pluspunkt. Wenn man arbeitet sollte außerdem etwas mehr als das Nötige zum Leben finanzierbar sein. Das Nötige zum Leben bekommen auch Leute die nichts tuen.
Was soll man tuen? Wo soll man noch sparen? Wenn man Strom spart wird dieser teurer und einem die Ersparnis wieder zu nichte gemacht. Lebensmittel stammen schon zu 90% vom Discounter. Einen Kinobesuch gibt es vielleicht 2 mal im Jahr. Die meisten besuchten Veranstaltungen werden nur besucht weil sie umsonst sind. Der Computer ist auch schon wieder 4 Jahre alt. Ein Auto gibt es nicht, es werden die ebenfalls zu teuren ÖPNV genutzt. Letzt endlich kann man machen was man will. Es wird einem immer mehr genommen. Was sollte man also in Zukunft tuen? Wie soll man eine Familie versorgen und für das Alter vorsorgen und gleichzeitig wenigstens ein bisschen leben?
Sehr geehrter Herr Langner,
bitte entschuldigen Sie meine reichlich späte Antwort auf Ihre Frage, aber die vielseitigen Anfragen im Rahmen der parlamentarischen Arbeit in den letzten Monaten, insbesondere zum Thema Haushalt und zum Thema Euro, kosten sehr viel Zeit.
Sie haben zweifelsohne Recht darin, dass der große Teil der Bevölkerung, den wir Mittelschicht nennen können, in Deutschland immer noch unverhältnismäßig stark belastet wird. Das betrifft Steuern und Abgaben. Auch wenn die Koalition die steuerliche Belastung durch Absenkung der Freibeträge etwas lindern konnte, so haben leider Sozialdemokraten und Grüne im Bundesrat die Abschaffung der sogenannten "kalten Progression" bei der Einkommensteuer verhindert. Das ist steuerpolitisch geradezu tragisch, weil diese "kalte Progression" genau jenen Systemfehler unseres Steuerrechts beschreibt, der bei kleinen und mittleren Einkommen zu übermäßigen Steuerbelastungen führen kann und gerade Gehaltserhöhungen weithin abschöpft. Ich kann nur hoffen, dass wir nach der nächsten Bundestagswahl in neuem Anlauf diese widersinnige Gerechtigkeitslücke im Steuersystem schließen können, damit sich Arbeit und Lohnsteigerungen nicht nur beim Staat, sondern auch beim Bürger bemerkbar machen.
Schon jetzt unternehmen wir freilich einen neuen Versuch, den von Ihnen ebenfalls angesprochenen hohen Strompreisen entgegenzuwirken. Gerade heute haben sich das Bundeswirtschaftsministerium unter Philipp Rösler und das Bundesumweltministerium unter Peter Altmaier auf eine wirksame Strompreisbremse geeinigt. Sie soll die Strompreise stabilisieren, indem sie der immer ausufernden und überhaupt nicht zielgenauen Förderung erneuerbarer Energien auf Kosten der Stromverbraucher Einhalt gebietet. Diese Strompreisbremse ist nicht zuletzt ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, weil sie einer weiteren Umverteilung finanzieller Mittel von den kleinen und mittleren Einkommen der Stromverbraucher in die Taschen der ohnehin durch die Erneuerbaren Energien zu beträchtlichem Reichtum gelangten Großinvestoren vorbeugt. Wir können nur hoffen, dass Rot und Grün - die wiederum über die Länder Einfluss auf die notwendigen Gesetzesänderungen nehmen können - sich dieser Einsicht nicht aus ideologischen Gründen verschließen. Nur dann kann sich an der von Ihnen beklagten Stelle schon in den kommenden Monaten Besserung ergeben.
Was aber nun die Gründung einer Familie betrifft, so will ich Ihnen auch sagen: Die Belastungen sind da, ich bin selbst Vater von drei Kindern. Aber Familien sind zunächst keine Frage des Geldes. Sie sagen selbst, sie haben eine feste Beschäftigung. Sie sind beruflich gut qualifiziert. Sie leben in Deutschland, einem der reichsten Länder; einem Land mit nahezu den höchsten Sozialausgaben der Welt; einem Land, das Familien - wenn auch vielleicht nicht an jeder Stelle ganz richtig - mit enormen Summen fördert. Es ist auch hier nicht einfach für junge Menschen, eine Familie zu gründen. Es ist auch hier ein gewisses Wagnis. Aber wo soll es gelingen, wenn nicht hier?
Und aus eigener Erfahrung darf ich anfügen: Familie kostet auch Geld. Aber sie kostet vor allem Kraft. Sie müssen etwas von sich geben, manches aufgeben, sich investieren. Das jedoch, was Ihnen eine Familie geben kann, in Momenten des Glücks wie auch des Leids, ist doch so viel anders und so viel mehr. Egal, ob sich eine Familie rechnet: Sie lohnt sich in jedem Fall, zumal sie am Ende das ist, was von uns bleibt.
Ihnen einen erfolgreichen Start ins Berufsleben und alles Gute.
Es grüßt Sie freundlich
Otto Fricke, MdB