Frage an Otto Fricke von Thomas M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Fricke,
in Ihrer Antwort vpm 19.11. an Herrn Gengnagel zum Thema Beschneidung schreiben Sie: "Um sich detailliert über das Thema zu informieren hat die FDP-Bundestagsfraktion am 16. Oktober 2012 ein Expertengespräch zu diesem Thema durchgeführt. Der Gesetzentwurf wurde dabei von der weit überwiegenden Anzahl der Sachverständigen unterstützt."
Könnten Sie mir bitte mitteilen, welche Experten geladen wurden und ob im Vorfeld darauf geachtet wurde, welche Positionen diese Experten vertreten?
Bei der Einladungsliste für den Rechtsausschuss ( http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a06/anhoerungen/31_Beschneidung/02_SV-Liste.pdf ) fällt nämlich auf, dass fast nur Beschenidungsbefürworter eingeladen wurden. Dann ist es natürlich auch nicht verwunderlich, wenn man fast nur Unterstützung erhält.
Wurden bei dem Expertengespräch eigentlich auch Beschneidungsopfer eingeladen und gehört? Falls nicht, wüßte ich gerne von Ihnen, warum nicht? Bei der Anhärung vor dem Rechtsausschuss wird diese Gruppe nämlich bewußt außen vor gelassen ( http://www.humanist-news.com/beschneidungsdebatte-beschneidungsopfer-fordern-anhorung-im-rechtsausschuss-des-deutschen-bundestages/ ).
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Müller
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Müller,
das Thema "Beschneidung von Jungen" wurde sehr ausführlich und wie ich finde ausgewogen geführt. Bei der Abwägung drei so elementarer Rechte, wie das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, das Recht der Eltern ihre Kinder zu erziehen und der Recht der freien Religionsausübung, macht sich kein Politiker seine Entscheidung einfach. Dies wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass sich nicht nur der Ethikrat umfänglich mit dem Thema befasste, sondern der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages dazu eine öffentliche Anhörung durchgeführt hat und sich der Familienausschuss gestern zu einem Fachgespräch zu den kinderrechtlichen Aspekten der Beschneidung getroffen hat. Darüber hinaus, das hatte ich in meiner Antwort auf die Frage von Herrn Gengnagel bereits geschrieben, hat sich die FDP-Bundestagsfraktion bereits im Oktober gesondert mit dieser gesetzgeberischen Herausforderung auseinandergesetzt. Dazu hatten wir folgende Gruppe von Sachverständige eingeladen, die durch ihre Interdisziplinarität einen hervorragenden Einblick in das Thema geben konnten:
· Prof. Dr. jur. Hans Michael Heinig (Universität Göttingen)
· Prof. Dr. med. Oliver Hakenberg (Deutsche Gesellschaft für Urologie)
· Prof. Siegfried Willutzki (Techn. Universität Chemnitz)
· Prof. Leo Latasch (Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden in Deutschland,
· Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der
· ZentralenWohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST), (Mitglied im hessischen
Integrationsbeirat sowie im Deutschen Ethikrat)
· Randolf Hamza Wördemann (Mitglied im Vorstand des Zentralrats der Muslime in Deutschland)
· Dr. Ulrich Fegeler (Kinderarzt und Bundespressesprecher des Berufsverbandes Kinder und Jugendärzte)
Aber nicht nur die FDP-Bundestagsfraktion suchte nach einer ausgewogenen und gesellschaftlich tragfähigen Antwort auf das Problem, sondern auch andere Bundestagsfraktionen, wie z.B. Die LINKSFRAKTION oder die SPD-Bundestagsfraktion.
Grundsätzlich entscheiden die Fachpolitiker der einzelnen Fraktionen innerhalb der Fachausschüsse selbst darüber, welche Sachverständige zu einem Thema gehört werden sollen. Damit haben Sie Recht, dass es eine bewusste Entscheidung ist, wer letztlich eingeladen wird und wer nicht. Während also der Rechtsausschuss die Aussagen von Ärzten, Juristen und den betroffenen Religionen für relevant erachtet hat, hat der Familienausschuss folgende Sachverständige eingeladen:
· Prof. Dr. Matthias Jestaedt, (Universität Freiburg)
· Alexander Bachl (MOGIS e.V.)
· Dr. Sabine Skutta (Sprecherin der UN-Kinderrechtskonvention)
· Prof. Dr. Maximilian Stehr (Chefarzt Kinderklinik Nürnberg)
· PD Dr. Michael Kölch, (DGPPN)
und damit auch den "Beschneidungsopfern" eine Stimme gegeben. Zudem haben die Fachpolitiker bereits zuvor mit allen Betroffenen Gespräche geführt, um sich ein umfassendes Bild von dieser komplexen Materie zu verschaffen. Seien Sie gewiss, dass sich bei jedem Gesetzesvorhaben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages ein umfängliches Bild machen. Wenn also gestern der Bundestag über den Gesetzentwurf "Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes" abgestimmte, dann hat er dies unter Einbezug aller möglichen Standpunkte und Gefühlshaltungen getan.
Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke