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Otto Fricke
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Frage von Frank S. •

Frage an Otto Fricke von Frank S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Ich möchte Sie gerne fragen, wie Sie zum neuen Meldegesetz stehen, dass gerade vom Bundestag verabschiedet wurde.

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schmidt,

für Ihre Frage zum Thema Meldegesetz bedanke ich mich, da die Diskussion dazu in meinen Augen ein hervorragendes Beispiel dafür bietet, wie öffentliche Debatten in Deutschland immer häufiger recht einseitig und teilweise unausgewogen geführt werden. Zunächst möchte ich Ihnen aber natürlich meine eigene Position darlegen.
Wie auch im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen, bin ich persönlich der Überzeugung, dass eine Einwilligungslösung zur Datenweitergabe die deutlich bessere, weil im Sinne des Datenschutzes umfassendere Variante ist. Die im Rahmen der parlamentarischen Beratung eingeführte Widerspruchslösung halte ich aus datenschutzrechtlicher Sicht persönlich für weniger zweckmäßig. Gleichwohl möchte ich betonen, dass selbst die verabschiedete Widerspruchslösung in vielen Bundesländern eine leichte, aber doch eindeutige Verbesserung des Datenschutzes darstellt, wenn man sie mit der bisher gültigen Rechtslage vergleicht. Nichtsdestotrotz halte ich mehr Datenschutz grundsätzlich für besser als weniger. Ich freue mich deshalb, dass es derzeit so aussieht, als wenn eine Rückkehr zur ursprünglich geplanten Einwilligungslösung breite politische Unterstützung finden wird.
Dennoch – so muss ich ehrlich sagen – bin ich über die Art der öffentlichen Diskussion alles andere als glücklich. Denn, obwohl ich selbst für eine Einwilligungslösung plädiere, gibt es in meinen Augen zahlreiche stichhaltige Argumente, die für eine Widerspruchslösung sprechen. Insgesamt überzeugen sie mich zwar nicht gänzlich, doch ich hatte in der öffentlichen Debatte leider zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass sie auch nur ansatzweise seriös in die Berichterstattung eingeflossen sind. Vielmehr wurde von fast allen Medien und Parteien das Horrorszenario des massenhaft Daten verkaufenden Staates gezeichnet, der sich als Datenhändler ein goldenes Näschen verdiene.
Eine Perspektive, die so jedoch keinesfalls zutrifft. Abgesehen von der Tatsache, dass es dem Staat und den Kommunen grundsätzlich verboten ist, für Datenauskünfte höhere Gebühren zu verlangen, als der eigentliche Verwaltungsakt kostet, wird jedem, der den Markt des Datenhandels kennt, schnell klar, dass es selbst mit der Widerspruchsregelung nicht dazu kommen wird, dass massenhaft Daten der Bürger von staatlicher Seite aus verkauft werden.
Der größte Händler von Adressdaten in Deutschland ist heute die Deutsche Post, genauer gesagt ihre Tochterfirma Deutsche Post Direkt. Eine Tatsache, die nur den wenigsten Bürgern bewusst ist. Möchte man als gewerblicher Datennutzer personenbezogene Daten zu Werbe- und Marketingzwecken erfragen, so wendet man sich in der Regel dorthin. Die Nutzung eines Datensatzes kostet hier etwa acht Cent und die verwendeten Datenbanken – gespeist aus Gewinnspielen, Telefonbüchern und frei zugänglichen Verzeichnissen – sind beinahe allumfassend. Wenn auch sicher nicht immer ganz aktuell.
Dem gegenüber ist die Datenauskunft bei Einwohnermeldeämter mit einem Preis von häufig bis zu acht Euro regelrecht teuer. Oftmals das 100-fache des bei Deutsche Post Direkt und anderen üblichen Preises muss ein Datennutzer hier für die Auskunft über einen einzelnen Datensatz zahlen. Ein Geschäft, das sich selbst für die größten Werbe- und Marketingunternehmen wirtschaftlich schlichtweg nicht lohnt.
Nutzer von Datenauskünften bei Einwohnermeldeämtern sind stattdessen in der Regel ganz andere Personenkreise. Am weitaus häufigsten gehen Anfragen von Vermietern ein, die noch offene Mietforderungen von verzogenen ehemaligen Mietern eintreiben wollen. Gleiches gilt für kleinere und mittlere Handwerksbetriebe, deren Rechnungen nie beglichen wurden und deren Kunden verzogen sind. Auch Inkassounternehmen gehören ebenso zu den regelmäßigen Nutzern, wie Personen, die zehn oder zwanzig Jahre nach ihrem Schulabschluss auf der Suche nach ehemaligen Mitschülern sind, um ein Klassentreffen zu organisieren. All diesen Personengruppen werden wir mit einer Zustimmungsregelung bisher gewohnte Möglichkeiten nehmen, gesuchte Kunden, Gläubiger, Bekannte und Verwandte zu finden.
Über diese Folgen sollten wir uns bewusst sein, wenn wir für die öffentlich häufig geforderte Einwilligungsregelung plädieren.

Wie gesagt: Ich selbst komme in der Abwägung dennoch zu dem Ergebnis, dass mir der persönliche Datenschutz als Abwehrrecht des Einzelnen wichtiger ist, als die genannten Nachteile. Dennoch sehe und akzeptiere ich, dass es auch auf der Seite der Anhänger einer Widerspruchslösung gute Argumente gibt. Eine Betrachtung, die mir in der öffentlichen Debatte leider sehr gefehlt hat. Die unvermeidbaren negativen Konsequenzen der geplanten Regelung wurden kaum beleuchtet. Stattdessen wurden durch Schreckensbilder Ängste in der Bevölkerung geschürt und von der Opposition nicht gerade verantwortungsvoll ausgenutzt. Das macht mich im Sinne einer ausgewogenen, fairen und argumentbasierten demokratischen Diskussion traurig, selbst wenn es dadurch im Endeffekt wohl zu dem Ergebnis kommen wird, dass die von mir gewünschte Regelung Gesetz wird.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position und meine Kritik an der öffentlichen Diskussion deutlich machen.

Es grüßt Sie freundlich aus Berlin
Ihr Otto Fricke

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