Frage an Otto Fricke von Ottmar M. bezüglich Wirtschaft
Guten Tag Herr Fricke,
wie von S. Wagenknecht im Bundestag bereits 2010 vorhergesagt, ist es nicht gelungen, Griechenland mit neuen Krediten und „Sparen“ zu sanieren. Das neue „Sparkonzept“, das hohe Lohn- und Rentenkürzungen beinhaltet, scheint nur eine Fortsetzung der bisherigen erfolglosen Bemühungen zu sein. D.h., die Kaufkraft wird weiter zurückgehen, wie weitere Steuern aus der Bevölkerung geholt werden sollen, ist sicher nicht nur mir rätselhaft.
Welche Maßnahmen sind in Griechenland bisher unternommen worden, um die sog. Besserverdienenden an den Kosten der Sanierung zu beteiligen?
Was wird unternommen, um ausstehende Steuern einzunehmen? Wurden Vermögen, Kapitalerträge, größere Erbschaften höher besteuert? Welche Steuern gibt es in diesem Bereich überhaupt? Es ist davon die Rede, daß erhebliche Summen in der Schweiz angelegt sind. Was wird von der Troika bzw. der griechischen Regierung unternommen, um diese Summen zu versteuern und die berechneten Steuern auch einzunehmen? In den Medien wurde allerhand berichtet über die unzureichende Erfassung und Vereinnahmung von Steuern. Gibt es hier substantielle Fortschritte? Welche Summen muss Griechenland für den Kauf neuer Waffensysteme ausgeben?
Gibt es Konzepte, außer den etwas schlichten Vorstellungen von einem Sperrkonto, woher die Wirtschaftskraft kommen soll, um überhaupt einmal die bestehenden Zahlungsverpflichtungen bedienen zu können?
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
ich bitte sie um Verzeihung, dass es mit der Beantwortung ihrer Anfrage so lange gedauert hat.
Wie sie richtig festgestellt haben, ist die Hauptursache für die derzeitigen Schwierigkeiten in Griechenland und anderen Euroländern deren mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, die zu hohen Schulden und das Fehlen struktureller Reformen. Reformen, die Deutschland in den vergangenen Jahren – unter erheblichen Anstrengungen – umgesetzt hat.
Deswegen hat Griechenland konkrete Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und Reformen ergriffen, weitere Maßnahmen sind bereits angekündigt. Die Überprüfung der Einhaltung dieser Schritte obliegt der sog. „Troika“ – Vertreter aus IWF (Internationaler Währungsfonds), EZB (Europäische Zentralbank) und EU-Kommission. Selbstverständlich informiere ich mich regelmäßig über die aktuellen Fortschritte und gebe Ihnen, wenngleich sicherlich kein vollständiges Bild, aber einen Einblick.
Steuerliche Maßnahmen:
Neue Abgaben für Großverdiener, Firmen und wertvolle Immobilien brachten im vergangenen Jahr Mehreinnahmen von 1,4 Milliarden €. Auch das Thema Steuerhinterziehung wird angegangen, so wurden im Jahre 2010 Strafzahlungen in Höhe von 3,4 Milliarden € (Zunahme von 182% im Gegensatz zu 2009) verhängt und die Steuerprüfungen wurden massiv erhöht. Im Zuge dessen wurden Strafen für Schwarzarbeit durchgesetzt und Vermögenswerte beschlagnahmt.
Außerdem soll ein Drei-Jahres-Programm gegen die Steuerhinterziehung auf den Weg gebracht werden. In diesem Zusammenhang sind auch die Verhandlungen zwischen Griechenland und der Schweiz zu sehen, eine Überarbeitung des Doppelbesteuerungsabkommen http://www.efd.admin.ch/dokumentation/medieninformationen/00467/index.html?lang=de&msg-id=36054 zu vereinbaren, das seit dem 1.12.2012 in Kraft getreten ist. Hier ist Artikel 25 entscheidend, der eine Auskunftsklausel vorsieht. Diese Klausel gibt griechischen Behörden die Möglichkeit umfangreiche Informationen über Steuerpflichtige zu erhalten. Darüber hinaus wurde der Steuerfreibetrag wurde bereits im vergangenen Jahr von 12.000 auf 5.000 Euro gesenkt.
Deutlich möchte ich aber auch hervorheben, dass der Wille der Griechen da sein muss sowohl die Steuerbehörden mit den entsprechenden Mitteln auszustatten, aber natürlich auch ihre Steuern zu zahlen. Dies hat bereits Christine Lagarde, die Chefin des IWFs, in einem Interview zum Thema gemacht. http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/nachrichten/steuerzahlungen-lagarde-bekraeftigt-forderung-an-griechen/6738286.html
Dass Griechenland auf dem richtigen Weg ist, zeigen die Statistiken http://de.statista.com/statistik/daten/studie/200550/umfrage/staatseinnahmen-und-staatsausgaben-in-griechenland/
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/167429/umfrage/haushaltssaldo-von-griechenland/
Wichtig ist nach Ansicht der Liberalen nun, dass der Druck seitens der Geberländer aufrecht erhalten bleibt, die notwendigen strukturellen Reformen fortzuführen. Die Vergemeinschaftung der Schulden in der Eurozone würde hingegen genau das Gegenteil bewirken. Der Sparwille würde erlahmen und Griechenland in der Langfristperspektive nicht weitergeholfen.
Militärhaushalt
Griechenland wird seine Ausgaben für Anschaffungen des Militärs um ein Drittel zurückfahren und zwar von 1,5 Milliarden € im Jahre 2011 auf voraussichtlich eine Milliarde in 2014. Die Verpflichtungen des griechischen Militärs für die kommenden Jahre gegenüber Rüstungskonzernen für den Kauf von Waffensystemen sind mir nicht bekannt.
Eine gute Übersicht finden Sie jedoch sowohl auf der Webseite des griechischen Verteidigungsministeriums: http://www.mod.mil.gr/en/news-section/parliamentary-activity/speeches/5192-omilia-yeua-gia-proypologismo-2012-sth-boylh.html
bzw. auf der Webseite des Stockholmer Friedensinstitutes: http://milexdata.sipri.org/result.php4
Wachstumstreiber
Entscheidend für eine schnelle Genesung der griechischen Wirtschaft sind Strukturreformen.
Diese Einschätzung teilen auch führende Konjunkturforscher, so z.B. das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut. Aus einem Interview mit einem der führenden Forscher, möchte ich an dieser Stelle gerne zitieren:
„Wenn man an Griechenland denkt, da sind die bürokratischen Verhältnisse, juristischen und anderen ökonomischen Rahmenbedingungen so, dass Griechenland selbst von der Weltbank einen Status in dieser Hinsicht bekommen hat, der dem von untersten Entwicklungsländern entspricht, und da kann ökonomisches Wirtschaften einfach nicht gedeihen. Das heißt also, wenn man in Ländern wie Griechenland ökonomische Strukturreformen durchführt, wäre schon ein erheblicher Wachstumsimpuls gegeben.“ Ich empfehle Ihnen sich das ganze Interview anzuhören: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1768972/
Darüber hinaus wurden bereits einige Reformschritte unternommen und die griechische Wirtschaft angepasst. Die Lohnstückkosten sanken um 5,3% in den Jahren 2010-2011.Die Exporte erhöhten sich um 40% in der Zeit zwischen Januar bis Juli 2011, verglichen mit dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. In der gleichen Zeitperiode wurde das Handelsdefizit um 35% reduziert.
Damit wird die Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Das aktuelle Leistungsbilanzdefizit verringerte sich von 14% im Jahre 2009 auf 11,8% im Jahre 2010. In der ersten Hälfte des Jahres 2011 sank das Leistungsbilanzdefizit um 900 Millionen €, bzw. 6,0% gegenüber dem Vorjahr auf 13,3 Milliarden €.
Auch wenn meine Ausführungen nur einen kleinen Teil der derzeitigen Bemühungen in Griechenland darstellen, hoffe ich doch damit einige Ihrer Fragen beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke