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Otto Fricke
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Frage von Johannes S. •

Frage an Otto Fricke von Johannes S. bezüglich Wirtschaft

Jeder Befürworter einer europäischen Wirtschaftsregierung sollte sich fragen, was bei uns los wäre, wenn die Strukturreform Agenda 2010 nicht von einer demokratisch gewählten Regierung beschlossen worden wäre, sondern faktisch aus dem Ausland diktiert worden wäre.

Die Agenda 2010 hatte strukturelle Schwächen und hat neue Ungerechtigkeit geschaffen, aber sie war der Versuch Deutschland auf die Globalisierung vorzubereiten und strukturelle Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Eine europäische Wirtschaftsregierung führt aus meiner Sicht zwangsläufig zu extremen nationalistischen Parteien in ganz Europa. Außerdem ermöglicht eine europäische Wirtschaftsregierung nationalen Politkern das Abschieben von Verantwortung, welches man bereits jetzt beobachten kann.

Wollen Sie das Herr Fricke?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Schwarz,
auch bei Ihnen möchte ich mich für meine späte Antwort entschuldigen. Derzeit laufen die letzten Beratungen für den Haushalt 2012 und in meiner Funktion als Haushaltspolitischer Sprecher bin ich in diesem Zusammenhang intensiv eingebunden.
Die Diskussion um die Vor- und Nachteile einer gemeinsamen wirtschaftspolitischen Koordinierung wird derzeit gerade auch im Rahmen der aktuellen, krisenhaften Ereignisse rund um die gemeinsame europäische Währung geführt. Im Maastricht-Vertrag haben sich 1992 die EU-Mitgliedsstaaten in der Vergangenheit erstmals auf fiskalische und monetäre Vorgabewerte geeinigt um grundsätzliche wirtschaftliche Stabilität und Leistungsfähigkeiten der einzelnen nationalen Wirtschaftsräume zu fördern. Darin vereinbart ist auch eine "auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand [.] ohne übermäßiges Defizit".
An diese Vereinbarung, so wissen wir heute, haben sich nicht alle Länder in gleicher Weise gehalten - die konkreten Konvergenzkriterien wurden darüber hinaus sogar von der deutschen Bundesregierung (damals noch eine andere Bundesregierung) aufgeweicht. Somit ist die ungleiche Wettbewerbsfähigkeit der Eurostaaten einer der Gründe für die aktuelle Schuldenkrise.

Während Deutschland, gerade auch durch Strukturreformen in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, ausdrücklich die Hartz-Reformen, seine Wettbewerbsfähigkeit weiter verbessert hat, hat sich z.B. Griechenland diesem, auch unangenehmen, Prozess entzogen.
Die europäischen Staaten versuchen nun die Währungsunion und deren Geburtsfehler durch Elemente einer Wirtschaftsunion zu ergänzen. Und es gibt viele gute Argumente für Schritte hin zu gemeinsamen Zielen. Unangebracht dagegen ist es, wenn eine so genannte "EU-Wirtschaftsregierung" die Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele zentral bestimmt und durchzusetzen versucht.
Als Liberale glauben wir nicht daran, dass wir in Europa ein einheitliches Niveau bei Staatsausgaben und Steuereinnahmen, bei den Regeln auf dem Arbeitsmarkt, der Gesundheitsversorgung oder der Alterssicherung, wie auch der Sozialpolitik insgesamt benötigen. Vielmehr wird ein wirtschaftspolitischer Wettbewerb benötigt, der die besten Lösungen zu Tage fördert. Dabei ist darauf zu achten, dass zentral gesteuerte Nivellierung vermieden und den Staaten ermöglicht wird auch in Zukunft, ihre wirtschaftlichen Vorteile zu nutzen. Darum halten wir es für sinnvoll, wenn auch künftig nach dem Subsidiaritätsprinzip jedes Land selbst seine Wachstumsstrategie identifiziert, umsetzt und politisch verantwortet. Eine Schuldenbremse, wie wir sie in Deutschland verfassungsrechtlich geregelt haben, erachte ich jedoch für einen gangbaren Schritt, die derzeitigen Probleme der Euro-Länder in den Griff zu bekommen.
Für mich als liberalen Politiker und vor allen Dingen als Haushälter ist es wichtig, dass das Budgetrecht des Haushaltsausschusses, aber auch der Parlamentsvorbehalt des Deutschen Bundestages erhalten bleibt. Denn wenn das Wahlrecht noch Sinn machen soll, dann muss es politische Anliegen geben, über die der Bürger mit seiner Wahl entscheiden kann. Solange die europäische Politik auf diese Weise legitimiert bleibt, bin ich davon überzeugt, dass nationalistische Parteien auch keinen gesteigerten Zulauf erhalten werden.
Um Ihre Frage zu beantworten: Das was Sie beschreiben, will ich nicht!!!

Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke

p.s. Wenn Sie mir über meine Webseite http://www.otto-fricke.de Ihre Emailadresse zukommen lassen, kann ich Ihnen gerne auch meinen Beitrag in der Süddeutschen Zeitung vom 25. Oktober 2011 zur Euro- und Finanzkrise zusenden.

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