Frage an Otto Fricke von Andreas H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Fricke,
wie es jetzt aussieht ist Portugal wohl unmittelbar der nächste Kandidat für Finanzhilfen der anderen Euro-Mitgliedsstaaten. Unsere Teilnahme an der Eurozone erscheint mir immer mehr fraglich. Die Regierung lässt verlauten, dass Deutschland stark von der Eurozone profitiert.
Letztes Jahr habe ich Berichte gelesen, dass die Reallöhne in Deutschland innerhalb der letzten 10 Jahre sogar leicht gesunken sind. Da drängt sich mir die Frage auf wer in Deutschland denn nun wirklich vom Euro profitiert?
Danke für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Hartmann
Sehr geehrter Herr Hartmann,
Ich danke Ihnen für diese Frage. Sie ist voll und ganz berechtigt, behandelt aber auch ein aktuelles Thema, weshalb ich mich darüber freue, mich dazu zu äußern. Ich will ebenfalls versuchen, meine Antwort an Sie ausführlich zu gestalten.
Deutschlands Teilnahme an den Euroraum ist für unser Wachstum und unseren Wohlstand unerlässlich, schon aus dem alleinigen Umstand, dass "Europa" (damit sind die Eurozone sowie auch alle EU-Mitgliedsländer gemeint) zwei Drittel unserer Exporte, und damit der größte Teil unseres Wohlstandes, darstellt. Um Handel zu betreiben, ist eine gemeinsame Währung ein unschätzbarer Vorteil, auf den Deutschland es sich nicht leisten kann, zu verzichten. Insofern profitiert in Deutschland buchstäblich jede(r) von dem Euro, und zwar erheblich - was natürlich nicht ausschließt, dass daraus auch Nachteile entstehen können, dessen bin ich mir völlig bewusst. Dasselbe gilt für die EU insgesamt.
Der Euro hat eine weitere, beträchtlich positive Wirkung auf unseren Wirtschaftsraum, nämlich Stabilität. Diese Stabilität beruht - zwar nicht ausschließlich aber maßgeblich - auf dem Vertrauen internationaler wirtschaftlicher Akteure und Märkte in unsere Währung. Uns ist dies vor allem während der Finanzkrise - die wohl keiner dem Euroraum zur Last legen wird - zugute gekommen.
Doch, wie ich vermute, ist Ihre Frage nach Sinn und Zweck der deutschen Teilnahme am Euro von einer anderen und präziseren Frage schwierig zu trennen, nämlich der des Europäischen Stabilitätsmechanismus (umgangssprachlich eher als Euro-Rettungsschirm bezeichnet). Diese Teilnahme ist es gerade (wie Sie zutreffend bemerken), was uns heute dazu bringt, anderen EU-Mitgliedstaaten finanzielle Hilfe zu leisten.
Diese Hilfe ist (ganz und gar) nicht als einfache Umverteilung auf Kosten u. a. deutscher Steuerzahler anzusehen. Denn für Hilfe empfangende Staaten gehen, wie Sie wissen, damit umfangreiche (und oft strenge) Verpflichtungen zur Haushaltssanierung einher. Sie werden nur als allerletztes Mittel eingesetzt (sog. Ultima-Ratio-Prinzip) und nur mit Einverständnis aller EU-Mitgliedsländer (Einstimmigkeitsprinzip). Damit haben Gläubiger Portugals, Irlands oder Griechenlands noch längst keinen direkten Zugriff auf den deutschen Haushalt. Wie von der ehem. FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzenden, Frau Birgit Homburger, zutreffend zusammengefasst: "Der Euro-Rettungsschirm ist keine Rettungshängematte".
Einen weiteren Aspekt hinsichtlich des Euro möchte ich noch erwähnen: Fachleute gehen davon aus, dass ohne den Euro eine entsprechend noch existierende deutsche Währung in einem Wechselkurs von ungefähr 2 zu 1 zum Dollar wäre, während andere Währungen von ca. 1,40 zum Dollar sich auf 70 bis 80 Cents entwickelt hätten.
Dies hätte zwei Folgen:
Zum einen wäre unsere Exportfähigkeit erheblich verringert und viele der Produkte, die wir heute noch auf den Weltmarkt zu "über den Euro subventionierten Preisen" liefern, wären wahrscheinlich nicht mehr verkäuflich oder die entsprechenden Produktionsverlagerungen hätten schon stattgefunden, was sich ebenfalls auf Staatshaushalt, Sozialhaushalte und insbesondere Arbeitslosigkeit negativ auswirken würde.
Somit gehört es zwar einerseits zur europäischen Solidarität, aber vor allem auch zum wohlverstandenen Eigeninteresse der Bundesrepublik Deutschland, europäischen Partnerländern zu helfen. Dies ist der Inbegriff des Gedankens der Europäischen Union. Solidarität, Stabilität und Solidität gehören also untrennbar zusammen. Andererseits kann dies nur eine Hilfe sein, die bei denjenigen, die die Hilfe brauchen auch zu Veränderungen führt. Auch privat würde man doch nur einem überschuldeten "Familienmitglied" mit finanziellen Mitteln helfen, wenn es selber eine Idee, einen Plan und eine Bereitschaft hat, aus der Krise herauszukommen. Einen solchen Weg zu begleiten, sehe ich als unsere Aufgabe. Den Ländern, die in finanziellen Schwierigkeiten stehen, einfach nur mit Geld auszuhelfen, werde ich jederzeit ablehnen. Deshalb kämpfe ich im Übrigen auch darum, dass die Parlamentsbeteiligung bei solchen Hilfen ausgeweitet wird, damit der Bürger genau erkennen kann, wann er wem unter welchen Bedingungen von "seinem Steuergeld" etwas gibt.
Mit freundlichen Grüßen,
Otto Fricke, MdB.