Frage an Otto Fricke von Andreas H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Fricke,
vor einiger Zeit fragte ich bereits zum Thema Griechenland. Sie haben geantwortet, dass sich dadurch die Märkte beruhigt haben und es auch für Deutschland gut war.
Jetzt erhält auch Irland Hilfen, die unter anderem wir finanzieren müssen.
Laut der Berichterstattung in den Medien steht es auch kritisch um Portugal, Spanien und Italien. Wie stehen Sie jetzt zu der Entscheidung, mit den Hilfen für Griechenland die Verträge gebrochen zu haben (No-Bailout-Klausel) und weiteren Hilfen an andere Staaten damit Tür und und Tor geöffnet zu haben?
Der Rettungsschirm wird doch spätestens bei Hilfen für Spanien und Italien einknicken, weil die benötigten Summen einfach zu groß sind.
Herr Juncker beharrt jetzt auf der Einführung einer gemeinsamen Euro-Anleihe. Wie stehen Sie dazu? Dadurch kommen doch erheblich Kosten auf uns Steuerzahler zu und meiner Meinung nach kann kein verantwortungsbewusster Volksvertreter in Deutschland ernsthaft einer solchen Vorgehensweise zustimmen.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Hartmann
Sehr geehrter Herr Hartmann,
vielen Dank für Ihre Fragen zur No-Bailout-Klausel sowie zur Einführung gemeinsamer Euro-Anleihen. Selbstverständlich antworte ich Ihnen darauf gerne. Zuvor muss ich mich jedoch bei Ihnen entschuldigen: Dass Sie seit nunmehr anderthalb Jahren auf meine Antwort warten, tut mir sehr leid und hätte nicht vorkommen dürfen. Wie Sie mit Blick auf mein sonst übliches Antwortverhalten hier bei Abgeordnetenwatch feststellen werden, antworte ich in der Regel deutlich schneller. Irgendwie muss ich Ihre Frage jedoch leider aus den Augen verloren haben. Ein Missstand, den ich deshalb nun umgehend beheben möchte.
Aber zum Thema: Sowohl damals als auch heute, hielt und halte ich, die Entscheidung, Griechenland in seiner akuten Notsituation finanziell zu unterstützen, für richtig. Insbesondere unter Berücksichtigung der uns damals zur Verfügung stehenden Informationen. Es ging auch damals nicht primär darum, einem verschuldeten Staat seine Verantwortung und Last zu nehmen. Vielmehr wurden die Entscheidungen unter Beachtung des eigenen, deutschen Interesses an einer stabilen Wirtschafts- und Währungsunion getroffen. Nur durch die getroffenen Entscheidungen, Griechenland unter Auflagen zu helfen, konnte der Eurozone die notwendige Stabilität verliehen werden, die es bis heute verhindert hat, dass es im gesamten Währungsraum zu einem Bankrun und damit schlimmstenfalls sogar zum Zusammenbruch des Euro gekommen wäre. Die Situation, in der erstmals Hilfen für Griechenland bewilligt wurden, war derart riskant, dass ein Flächenbrand hätte entstehen können, der dann aller Voraussicht nach zu einem kaskadenförmigen Zusammenbruch der europäischen Volkswirtschaften geführt hätte. Dieses durchaus realistische Schreckensszenario konnten wir durch die Hilfszahlungen verhindern. Außerdem gab die gewonnene Zeit, Wirtschaft und Politik die Möglichkeit, nun besser auf etwaige weitere Krisensituationen vorbereitet zu sein. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der aufgrund seiner Abstraktheit leider nur selten gewürdigt wird.
Natürlich ist es bedauerlich, dass neben Griechenland mittlerweile auch Irland, Portugal, Spanien und Zypern Hilfen benötigen. Dennoch warne ich davor, alle diese Länder undifferenziert zu betrachten. Natürlich macht uns Griechenland bis heute Sorgen und ist - auch aufgrund der vielen innenpolitischen Widrigkeiten - mit seinen Reformen noch lange nicht dort, wo es aus meiner Sicht idealer Weise hätte sein können. Trotzdem müssen wir auch hier die immensen Anstrengungen würdigen, die Griechenland bis heute geleistet hat. Anstrengungen, die in Ausmaß, Umfang und Härte mit keiner der bisherigen deutschen Reformbemühungen vergleichbar sind.
Deutlich besser ist hingegen das Bild, das Irland und Spanien abgeben. Beide Länder sind aufgrund ebenfalls harter Reformanstrengungen auf einem guten Weg und ich bin zuversichtlich, dass sie wirtschaftlich stärker und finanzpolitisch solider aus der Krise herauskommen werden, als sie hinein gegangen sind. Ihre Vermutung, dass auch Italien schon bald Hilfen beantragen wird, teile ich im Übrigen nicht. Schließlich liegt uns bisher kein derartiger Hilfsantrag vor und auch die Medienberichte, die ein baldiges Ersuchen Italiens prophezeien, konnten sich in den vergangenen Jahren nie bestätigen.
Doch selbst wenn sich die Anzahl unterstützter Staaten weiter ausweiten sollte, bedeutet dies nicht unbedingt, dass der Euro-Rettungsschirm zusammenbrechen muss. Schließlich hat sich seit Ihrer Fragestellung viel getan: Mit der befristeten Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) in Höhe von 200 Milliarden Euro und dem künftig unbefristeten und finanzstarken Europäischen Stabilitätsmechnismus (ESM) in Höhe von 500 Milliarden Euro, haben wir schlagkräftige Rettungsinstrumente entwickelt, die über eine immense Finanzkraft verfügen und gemeinsam maßgeblich zur Stabilisierung unserer Währung beitragen können. Ergänzend dazu zeichnet der kürzlich beschlossene Fiskalpakt erstmals einen verbindlichen und realistischen Weg, nachhaltig für ausgeglichene Staatshaushalte in der Eurozone zu sorgen, um langfristig endlich mit dem Abbau von Staatsschulden beginnen zu können. Die Gesamtsituation ist heute daher deutlich strukturierter und übersichtlicher als noch im Jahr 2010. Daher besteht in meinen Augen auch eine tatsächliche Möglichkeit, die Krise insgesamt zu überstehen. Allerdings wird dies selbstverständlich nicht über Nacht geschehen, sondern noch einige Monate und Jahre andauern. Zweifelsfrei keine schöne, aber wohl eine realistische Aussicht.
Trotz dieser ernüchternden Erkenntnis halte ich von irgendwie gearteten Heilsversprechen, die eine schnelle und angeblich einfache Krisenlösung prophezeien, nicht sonderlich viel. Dazu zählen für mich auch die von Ihnen angesprochenen gemeinsamen Euro-Anleihen, die sogenannten Euro-Bonds. Wie Sie selbst vermutlich beobachtet haben, wurden sie in den vergangenen zwei Jahren von unterschiedlichster Seite immer wieder in die Diskussion eingebracht. Und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht eigentlich bereits im September 2011 geurteilt hat, dass eine Einführung von Eurobonds nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Schließlich würden Eurobonds mit unabsehbaren finanziellen Risiken für den Bundeshaushalt einhergehen und faktisch das Budgetrecht, als Königsrecht des Parlaments, aushebeln.
Eine Einschätzung, die ich voll und ganz teile. Daher kämpft die FDP-Bundestagsfraktion bereits seit Monaten an allen Fronten gegen die Einführung solch gemeinsamer Anleihen. Für uns bedeuten Eurobonds nichts anderes als eine Vergemeinschaftung von Staatschulden innerhalb der Eurozone, was mit einer enormen und potentiell unbegrenzten Belastung Deutschlands einhergehen würde. Faktisch wäre es dann so, dass Haushaltsentscheidungen ausländischer Parlamente unmittelbare Konsequenzen für den Bundeshaushalt hätten, ohne dass Deutschland darauf formell Einfluss nehmen könnte. Ein für mich unvorstellbarer Zustand.
Da ich persönlich aber trotzdem - wie oben bereits beschrieben - von der Notwendigkeit der Eurorettung überzeugt bin, brauchen wir dafür andere Instrumente. Die haben wir mit dem System aus EFSF, ESM und Fiskalpakt meiner Meinung nach gefunden. Gerade im Vergleich mit Eurobonds haben EFSF und ESM große Vorteile: Zwar bieten auch sie eine enorme finanzielle Schlagkraft, um von der Krise betroffene Staaten zu unterstützen, doch aufgrund ihrer stets begrenzten Volumina bleibt auch das maximale Ausfallrisiko für Deutschland strikt begrenzt. Der maximal zu verkraftende Schaden für die Bundesrepublik bleibt so relativ gut kalkulierbar und kein anderer Staat bzw. keine europäische Institution hat die Möglichkeit, unbeschränkt auf deutsche Gelder zurückzugreifen. Jeder finanzwirksamen Entscheidung innerhalb des ESM muss, dank des von der FDP durchgesetzten Parlamentsvorbehalts, der Deutsche Bundestag zudem immer vorab zugestimmt haben. Ein System, das die Parlamentssouveränität erhält, gleichzeitig verschuldeten Staaten hilft und dem irrsinnigen Gedanken, dass man eine Schuldenkrise dadurch bekämpfen könnte, dass man für verschuldete Staaten das Schuldenmachen leichter gestaltet, Einhalt gebietet.
Ich hoffe, ich konnte Ihre mittlerweile bereits lange zurück liegenden Fragen - wenn auch spät, so doch ausführlich - beantworten und deutlich machen, dass die Einführung von Eurobonds mit der FDP-Bundestagsfraktion nicht zu machen ist.
Es grüßt Sie herzlich aus Berlin
Ihr Otto Fricke