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Otto Fricke
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Frage von Ottmar M. •

Frage an Otto Fricke von Ottmar M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Fricke,

angesichts Ihrer umfangreichen Antworten zu anderen Fragen bin ich etwas überrascht, dass Sie sich zu meinen Fragen (vom 12.09.10) noch nicht geäußert haben. Wissen Sie nicht, was Sie antworten sollen? Der Bürger fragt sich, warum der Steuerzahler, also auch der, der nur einige hundert Euro Steuern zahlt, für die Verluste privater Banken und deren Anleger aufkommen muss, während in den oberen Etagen der Banken schon wieder ordentliche Saläre eingestrichen werden, die zum Teil weit über TEUR 500 liegen, die Kapitaleigner auch wieder mit auskömmlichen Dividenden rechnen können. Steht das noch im Verhältnis? Wenn dort so gute Arbeit geleistet worden ist, die ein solches Salär rechtfertigt, warum musste dann der Steuerzahler aushelfen?
Warum hat sich die FDP so vehement für eine Entschädigung der Kapitaleigner der Hypo Real Estate eingesetzt? Ohne das Eingreifen mit den Steuergroschen des Normalbürgers wäre die HRE doch ein Fall für den Insolvenzrichter geworden. Oder irre ich da? Weshalb soll der Staat, also der Bürger für die Verluste privater Kapitalanleger aufkommen, Herr Fricke? Dies ist umso verwunderlicher, da die FDP die Anhebung der Hartz IV-Sätze um das hübsche Sümmchen von 5 EUR für angemessen hält, nach dem man diesen Leuten zuvor den Heizkostenzuschuss gestrichen hat.

Hochachtungsvoll
O. Müller

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Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse an den Maßnahmen der Bundesregierung zur Überwindung der Finanzkrise. Gerne teile ich Ihnen meine Sichtweise zur Bankenrettung mit.

Unter marktwirtschaftlichen Prinzipien müsste für Unternehmen, die zahlungsunfähig werden, ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden; mit allen Konsequenzen, auch für die Gläubiger. Nun herrschen im Bankenwesen jedoch andere Gesetzmäßigkeiten. Der Zusammenbruch namentlich einer großen Bank kann andere Institute in Schwierigkeiten bringen: Er kann einen "Run", das heißt ein massenhaftes Auszahlungsverlangen verunsicherter Einleger, auch bei anderen Banken auslösen, dem diese angesichts ihrer begrenzten kurzfristigen Liquidität nicht nachkommen können. Zudem kann der Ausfall einer bedeutsamen Bank aufgrund komplexer vertraglicher Interbankenbeziehungen auf weitere Institute übergreifen und auf diese Weise schließlich das gesamte Finanzsystem bedrohen. Staaten sind darum bemüht, den Zusammenbruch solcher Institute zu verhindern, deren Untergang negative Wirkungen für das Finanzsystem und damit - über eine Störung des Zahlungsverkehrs und der Kreditversorgung - auch für die Volkswirtschaft im Ganzen entfalten könnte.

Vor diesem Hintergrund hat sich auch die deutsche Bundesregierung (wie übrigens weltweit eine große Anzahl von Regierungen) zum Schritt einer sogenannten "Bankenrettung" in Form von Stabilisierungshilfen entschlossen. Bis jetzt sind Stabilisierungshilfen des Staates über den SoFFin in Höhe von zuletzt rund 230 Milliarden Euro gewährt worden. Etwa 200 Milliarden Euro entfallen dabei auf Garantien. Der Staat bürgt also für Verbindlichkeiten, die eine Bank aufnehmen will. Sollte diese Bank dann zahlungsunfähig werden, springt der Staat ein und zahlt den Schulden zurück. Das hat es bis jetzt noch nicht gegeben.

Der Staat hat sich aber auch mit Eigenkapital direkt an Banken beteiligt. Bis jetzt hat der SoFFin dafür rund 30 Milliarden Euro aufgebracht. 1,8 Milliarden Euro haben die gut 25 Prozent Commerzbank-Aktien gekostet, die der Bund erworben hat. Außerdem hat der Staat der Commerzbank stille Einlagen für 16,4 Milliarden Euro gewährt. Diese werden dem Bund mit 9 Prozent verzinst, wenn die Bank wieder Gewinne macht. Dies ist selbstverständlich in erheblichem Maße von einer positiven Konjunktur abhängig, wird aber auch durch das qualifizierte Personal der Banken bestimmt. Um dieses Personal an die Bank zu binden, werden die von Ihnen angesprochenen Boni ausgezahlt. Mit dem Restrukturierungsgesetz hat die Koalition im Oktober 2010 eine Regelung auf den Weg gebracht, die zukünftig besonders hohe Gehälter von über 500.000 Euro im Jahr nur dann ermöglicht, wenn staatlich gestützte Banken auch wirklich erfolgreich wirtschaften. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die stillen Einlagen des Bundes vollständig verzinst werden.

Bei dem Thema der "Verstaatlichung" der HRE verhält es sich ein wenig anders. Privateigentum ist in Deutschland explizit durch das Grundgesetz geschützt (Art.14). Das Eigentumsrecht der Aktionäre war also abzuwägen gegen die Risiken einer Insolvenz der HRE (siehe auch oben). Diese hätte gerade für den Steuerzahler viel weitreichendere Konsequenzen gehabt als die Kosten der Entschädigung. In dem, extra für diese Situation erlassenen Gesetz, darf der Bund enteignen, wenn keine andere Lösung zumutbar und mit Blick auf die Dringlichkeit einer Verstaatlichung möglich ist. Der Staat muss vorher ernsthaft (aber vergeblich) versucht haben, die Unternehmensanteile anders zu erwerben. Die Höhe der Entschädigung richtete sich nach dem sogenannten Verkehrswert der Anteile. Dass die Eigentümer eine Entschädigung erhalten mussten, war in diesem Falle nicht nur für den Steuerzahler eine günstigere Alternative als die Insolvenz der HRE.

Somit gebe ich Ihnen in Ihrer berechtigten Kritik zunächst im Ansatz Recht. Zuerst sieht es immer wieder so aus, als wäre es der Staat, der quasi für sogenannte Spekulanten haftet. Als Bundestagsabgeordneter bin ich jedoch immer in einer Position, in der ich einschätzen muss, wie der weitere Verlauf von komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen ist. Dabei habe ich dann zu versuchen, soweit wie möglich, Schaden vom Staat und seinen Bürgern abzuwenden. Ob es wirklich, wenn der Staat nun nicht eingeschritten wäre (insbesondere bei der HRE) zu den befürchteten Schäden gekommen wäre, kann ich selbstverständlich nicht mit Sicherheit sagen. Wüsste ich es, wäre ich sicherlich auf meiner Position nicht der geeignete, sondern müsste andere, höhere Aufgaben übernehmen (Ironie). Ich will auch persönlich zum Ausdruck bringen, dass ich die Verstaatlichung für den zweibesten Weg gehalten habe. Für mich und meinen Umgang mit dem Thema Staatsanleihen und Ähnlichem bedeutet es und darauf möchte ich nachdrücklich hinweisen, dass die jeweiligen Eigentümer bzw. Gläubiger (also auch Aktionäre genauso wie Inhaber von Staatsanleihen) an den möglichen Kosten beteiligt werden müssen.

Mit letzterem komme ich Ihnen wahrscheinlich auf den ersten Blick in Ihrer Ansicht entgegen, ich darf jedoch darauf hinweisen, was dies bedeutet, wenn man diesem Prinzip folgt, wie Sie es darstellen. Für Aktionäre würde es bedeutet und hier hat kaum jemand "Mitleid", dass eine Entschädigung vom Vorstand des betroffenen Unternehmens gezahlt werden müsste, wenn er schlecht gewirtschaftet, vom Staat in den Fällen, in denen er bestimmte Aufsichtspflichten nachweisbar grob verletzt hat. Bei Staatsanleihen, etwa bei einer Umschuldung von Griechenland, die gegenwärtig nicht konkret ansteht, würde das bedeuten, dass diejenigen, die Inhaber der Staatsanleihen sind, sich entsprechend beteiligen müssen. Das aber wiederum wären dann nicht einfach nur irgendwelche Spekulanten, sondern sehr häufig Banken und, was oft vergessen wird, Versicherungen. Das hinter den Versicherungen dann im Zweifel diejenigen stehen, die bei diesen Versicherungen Verträge haben (also die typisch deutschen Lebensversicherten) darf nicht vergessen werden. Deshalb ist auch hier in der sehr komplexen Abwägung, die bei mir noch nicht zum endgültigen Abschluss gekommen ist, die Frage, ob man mit einem Federstrich des Gesetzgebers möglicherweise diejenigen schädigt, die man eigentlich schützen will.

In der Hoffnung Ihnen ein wenig die Problematik näher gebracht zu haben und in der Hoffnung, dass ich demnächst gut entscheiden werde, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Otto Fricke

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