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Otto Fricke
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Frage von Heike R. •

Frage an Otto Fricke von Heike R. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Fricke,

amerikanische Staatsbürger, die im Ausland leben, müssen den Teil ihrs Einkommen, der über einen Freibetrag liegt, in den USA versteuern. Das ist selbstverständliche Pflicht und wird von keinem Amerikaner infrage gestellt, auch nicht von meinem Ehemann.
Weshalb geht dies in Deutschland nicht?
Weshalb werden deutsche, im Ausland lebende, Staatsbürger nicht generell zu einer Steuererklärung verpflichtet?
Im Gegenteil, Steuerflüchtlinge wie Schumacher bekommen hier noch das Bundesverdienstkreuz.
Nach GG sind alle Bürger gleich zu behandeln !!! Muss erst vor dem BVG geklagt werden?

Mit freundlichem Gruß
Heike Rogall

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Rogall,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre zugegebenermaßen schwierige Frage zur Steuerpflichtigkeit von im Ausland lebenden Deutschen. Sie machen damit auf ein interessantes, aber auch sehr komplexes Thema zwischenstaatlicher Finanzbeziehungen aufmerksam, das durch eine Vielzahl von sehr spezifischen Regelungen und internationalen Abkommen charakterisiert ist. Trotzdem möchte ich versuchen, die Rechtslage zu erläutern und verständlich zu machen, wieso ich eine prinzipielle Änderung aus Gründen der Fairness sehr kritisch sehe.

Aufgrund von EU-Bestimmungen ist es heute so, dass Personen stets in dem EU-Land ihre Steuern zahlen müssen, in dem sie mindestens 185 Tage pro Jahr leben. Diese Regelung beruht auf dem Wohnsitzlandprinzip, durch das eine Doppelbelastung der Steuerpflichten verhindert werden soll. Schließlich könnte es sonst schnell vorkommen, dass Personen bei Doppelbesteuerung mehr als 100 Prozent ihres Einkommens an die verschiedenen Staaten abführen müssten. Das kann nicht im Sinne eines gemeinsamen Marktes sein und würde jedwede Freizügigkeit unterbinden.

Weiterhin gilt in diesem Fall auch das Welteinkommensprinzip, welches regelt, dass wirklich das weltweit erzielte Einkommen einer Person im Wohlsitzland versteuert werden muss. Es ist also nicht so, dass in Madrid erzielte Einkommen immer dem spanischen Staat und in Amsterdam erzielte Einkommen immer dem niederländischen Fiskus zu Gute kommen.

Hinter diesen Regelungen steckt die Einsicht, dass jede Person im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit eine entsprechende Steuerlast zu tragen hat. Die sollte aber immer jener Gesellschaft zu Gute kommen, in der die Person lebt und von deren Vorteilen sie profitiert. Schließlich muss auch hier der Grundsatz gelten, dass man nur für das zur Kasse gebeten wird, was man in Anspruch nimmt bzw. in Anspruch nehmen kann. Oft wird hierbei vergessen, dass man ja für die Möglichkeit der Einkommenserzielung in dem Land zahlt, das einem auch die Rahmenbedingungen zu Einkommenserzielung geschaffen hat.

Dauerhaft im Ausland lebende Deutsche profitieren jedoch in aller Regel nicht von Vorteilen, die die deutsche Gesellschaft bietet - zumindest nicht in dem Umfang, den ein Deutscher in Anspruch nehmen kann. Die nationale Staatsangehörigkeit ist daher meiner Meinung nach in einer globalisierten Welt eine recht willkürliche Kategorie und muss nicht unbedingt im Zusammenhang mit der persönlichen Beziehung zu einer Gesellschaft stehen, was an anderen Stellen unserer Gesellschaft zu vielfältigen Diskussionen führt. Daher sehe ich es kritisch, Staatsbürgerschaft als einzige und wichtigste Grundlage der Steuerbelastung heranzuziehen (Was mache ich übrigens mit Menschen, die eine doppelte Staatsbürgerschaft haben?) Der Missbrauch muss aber dabei verhindert werden. Daher ist und bleibt Steuerhinterziehung ein Straftatbestand, für den die Täter belangt werden müssen. Die tatsächliche Verlegung des eigenen Wohnortes in ein anderes Land steht damit jedoch nicht per se in einem Zusammenhang. Soweit zur Situation innerhalb der Europäischen Union.

Für Staaten außerhalb Europas sieht die Situation nochmals deutlich komplizierter aus: Hier ist Doppelbesteuerung im Prinzip möglich und theoretisch sogar der Normalfall. Allerdings gibt es unter den meisten Staaten der Erde daher sogenannte "Doppelbesteuerungsabkommen." Das sind zwischenstaatliche Verträge, die immer wieder neu ausgehandelt werden und die Belastung der jeweils auswärtig lebenden Bürger regeln. Die hier geltenden Vorgaben sind also von Staat zu Staat unterschiedlich. Mit hoch entwickelten Industrieländern hat Deutschland daher andere Verträge, als mit weniger entwickelten Staaten der Dritten Welt.

Dahinter steht der entwicklungspolitische Gedanke, dass wir Staaten, die das Geld auf Grund massiver sozialer Schieflagen dringender benötigen als wir, auch einen größeren Anteil am Steueraufkommen der dort lebenden und wirtschaftenden Deutschen zugestehen möchten, als modernen Gesellschaften. Diese Überlegungen müssen bei den immer wieder stattfindenden Neuverhandlungen natürlich stets berücksichtigt werden, weshalb ich Ihnen für Ihre Anregung sehr dankbar bin.

Die Besteuerung von im Ausland lebenden Deutschen hätte aber noch einen weiteren massiven Nachteil: Sie produziert immense Kosten und Bürokratie. Beides rechnet sich also für den Staat erst dann, wenn eine gewisse Anzahl von Deutschen in einem ausländischen Land leben. Schließlich müsste die Bundesrepublik stets herausfinden, welcher Deutsche sich in welchem Staat wie lange aufhält, wie viel er dort verdient und wie viele Steuern er dem deutschen Fiskus schuldet oder bei Verrechnung, wie viel Steuern er rechtlich im anderen Land zu zahlen hat. Zu guter Letzt müssten wir ihm dann auch noch Ansprechpartner vor Ort bieten, da deutsche Steuererklärungen ja alles andere als unkompliziert abzugeben sind.

Spätestens hier sehen Sie sicherlich selbst, dass das Ganze einer Milchmädchenrechnung gleicht. Das Thema an - sicherlich öffentlichkeitswirksamen - Einzelfällen aufzuziehen, greift dabei oft viel zu kurz. Außerdem sollte man gerade bei Personen wie Michael Schumacher stets bedenken, dass sie schon allein durch ihren Erfolg, ihr Image und ihren Wirtschaftsfaktor ein immenser Zugewinn für die deutsche Gesellschaft sind. Selbst wenn sie nicht hier leben und deshalb nicht ihre Steuer hier zahlen müssen, profitiert der Staat durch ihre Arbeit indirekt trotzdem. Ansonsten müsste man aber auch mit anderen Ländern dann darüber reden, wie diese ihre Steuern gestalten, was bei der Schweiz, unter anderem wegen der steuerrechtlichen Stärke der Kantone, auf weitere Probleme stößt.

Die andere, damit sicherlich verbundene Frage, die sich natürlich in solchen Fällen, insbesondere von Spitzensportlern etc. stellt, ist die Frage, wie wir diese als Gesellschaft in der Öffentlichkeit betrachten.

Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage zur Genüge beantworten.

Ich grüße Sie herzlich aus Berlin,
Ihr Otto Fricke

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