Frage an Otto Fricke von Andreas G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Fricke,
in einer Ihrer Antworten schreiben Sie, dass die Anforderungen an den Sozialstaat aufgrund des demografischen Wandels stetig zunehmen. Sie schreiben außerdem, dass die Gesellschaft als Ganzes über ihre Verhältnisse gelebt hat.
Meine Frage ist, warum wir denn nicht - wenn wir mehr Eigenverantwortung für den Bürger wollen - ihm nicht auch diese Möglichkeit geben. Ein wichtiges Instrument könnte meiner Meinung nach ein gesetzlicher Mindestlohn sein, der gerade die untersten Einkommensschichten befähigen würde, Lebensrisiken besser abzusichern. Außerdem kämen mit höheren Löhnen z.B. auch höhere Rentenbeiträge in die Kasse. Wie sagte schon Herr Ford: " Autos kaufen keine Autos". Die Binnennachfrage muss in der Diskussion um die richtige Wirtschaftspolitik eine zentralere Rolle spielen. Auch dieses Problem könnte mit einem MIndestlohn und dem Prinzip "Gleiches Geld für gleiche Arbeit" angegangen werden.
Warum nur sträubt sich die FDP so sehr dagegen, den Arbeitsmarkt vom Kopf auf die Füsse zu stellen? Schauen sie sich die neuesten Berichte aus den USA an: wenn wir nicht aufpassen, sind wir in spätestens 10 Jahren in der gleichen Situation.
Ich bin wahrlich kein Experte, aber mein "gesunder Menschenverstand" sagt mir, dass wir daran arbeiten müssen, eine Gesellschaft zu formen, in der alle zu ihrem Recht kommen. Ein für mich in diesem Zusammenhang zentrales Recht ist, dass ein Mensch von dem was er erarbeitet leben können muss. Dieses Recht wird für immer mehr Menschen erheblich eingeschränkt.
Beispiel: ein guter Kollege von mir ist arbeitslos und wird dazu verpflichtet, 15 Bewerbungen in einem Monat nachzuweisen, obwohl das zuständige Amt ihm beteuert, sie hätten zur Zeit keine Stellen auf die er sich bewerben könnte. Können sie mir den Sinn dieser Vorgehensweise erklären? Ich kann das alles nicht mehr nachvolziehen.
Ich hoffe dass Sie die Zeit finden, auf meine Fragen zu antworten.
Liebe Grüße
Andreas Gehrmann (Mülheim an der Ruhr)
Sehr geehrter Herr Gehrmann,
beim Thema Mindestlohn kann ich sehr gut verstehen, dass sehr viele Bürger hierin eine Lösung vieler Probleme sehen und dies auf den ersten Blick auch so scheint. Man bekommt vom Arbeitgeber einen "ausreichenden" Lohn für das tägliche Leben und die Distanz zu Hartz IV scheint gewahrt. Dennoch sehe ich in einem Eingriffen des Staates in die Lohnfindung ein erhebliches wirtschaftliches Problem, im Kern nämlich bei zwei Fragen: Wer zahlt diese Mindestlöhne am Ende? (Klar, erst mal der Arbeitgeber) Und bleiben alle Jobs erhalten?
Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass es auch auf der Arbeitgeberseite einzelne schwarze Schafe gibt, die ihre Position missbrauchen. Hier hat aber fast immer die "Veröffentlichung" dieser Fälle geholfen, um den Betroffenen Abhilfe zu verschaffen. Dennoch bleibt es dabei, dass all die Arbeitsplätze, für die ein Lohn bezahlt werden muss, der für den Arbeitgeber zu einem Zuschussgeschäft werden würde, erst gar nicht entstehen.
Die Mindestlohnpolitik der letzten Jahre hat z.B. deutlich gemacht, dass oftmals nicht das Interesse dem Arbeitnehmer ein ausreichendes Einkommen zu zahlen Kern der Auseinandersetzung war, sondern dass es allzu oft um die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen einzelner, meist großer Konzerne geht. Beispielhaft hierfür steht der Postmindestlohn, welcher zum Verlust von mehr als 7.000 Arbeitsplätzen bei den Konkurrenten der Deutschen Post geführt hat, die keine Chance mehr hatten, am Markt zu bestehen. Was die Post nun gerade im Paketbereich machen will, macht mich noch skeptischer.
Die große Koalition hat eine Reihe von neuen Branchen in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen, um unter vereinfachten Verfahrensbedingungen allgemeinverbindliche Mindestlöhne in diesen Branchen durchzusetzen. Ich habe dies grundsätzlich abgelehnt.
Wir brauchen jetzt eine Änderung der Behandlung dieses Themas. Die Voraussetzungen dafür haben wir geschaffen, indem wir uns mit unserem Koalitionspartner darauf verständigt haben, die Tarifautonomie zu stärken und die Entscheidung für die Festsetzung von Löhnen wieder mehr in die Verantwortung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu geben. Dazu stärken wir den Tarifausschuss, der es den beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden ermöglicht, abgeschlossene Tarifverträge branchenspezifisch für allgemeinverbindlich zu erklären. Ein einheitlicher gesetzlicher Mindestlohn für alle Branchen würde die Tarifautonomie hingegen erheblich einschränken und behindert zudem oftmals sogar den Aufbau von neuen Beschäftigungsverhältnissen. Da das insbesondere für wirtschaftlich und strukturell schwache Regionen eine große Gefahr ist, lehne ich den Mindestlohn ab. Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor Ort wissen schließlich am besten, was "geht" und was nicht.
Das Alternativmodell der FDP zum Mindestlohn ist das Liberale Bürgergeld. Es ist eine Art Kombilohn, der stets dafür sorgt, dass derjenige der arbeitet, am Ende des Monats auch mehr in der Tasche hat als jener, der nicht arbeitet. So möchten wir dafür sorgen, dass Leistung wieder honoriert wird und die Bürger einen größeren Anreiz bekommen auch mit niedrig bezahlten Jobs wieder ins Berufsleben einzusteigen. Schließlich glaube ich als Liberaler nicht, dass Arbeit nur dazu da sein sollte, das nackte Überleben zu finanzieren, sondern auch eine immens wichtige Rolle für das Selbstwertgefühl, soziale Anerkennung und den gesellschaftlichen Anschluss spielt. Daher ist es besser für weniger Geld arbeiten zu gehen und einen angemessenen Betrag aufgestockt zu bekommen, statt völlig vom Arbeitsleben abgekapselt zu sein und sich einzig und allein auf staatliche Hilfen verlassen zu müssen.
Wie Sie sicherlich wissen, ist es heute oftmals so, dass es sich für Empfänger von Transferleistungen aufgrund von Grenzbeträgen gar nicht mehr lohnt, eine besser bezahlte Stelle anzunehmen, da sonst ihre Gesamtbezüge sogar geringer ausfallen könnten, als wenn sie nur vom Arbeitslosengeld II leben würden. Daher setzen wir Liberale auf unser dynamisches Modell, bei dem dieser systemimmanente Fehler begradigt wird.
FDP und CDU haben sich im gemeinsamen Koalitionsvertrag darauf verständigt, dieses moderne und freiheitlich orientierte Konzept staatlicher Transfers durch die zuständigen Ministerien prüfen zu lassen. Ich hoffe sehr, dass wir nach dieser Überprüfung einen soliden Umsetzungsvorschlag vorliegen haben, den wir dann gemeinsam durchsetzen können. Sollte uns dies gelingen, wird das System staatlicher Hilfen entscheidend reformiert und den neuen Bedingungen angepasst. Es ermöglicht für den Einzelnen ein Maximum an persönlicher Absicherung und einen immensen Gewinn an persönlicher Gestaltungsfreiheit. Daher ziehe ich das Liberale Bürgergeld dem arbeitsplatzfeindlichen Mindestlohnkonzept vor.
Da das Liberale Bürgergeld trotz seiner recht klaren Grundannahmen am Anfang meist recht schwer zu verstehen ist, möchte ich Ihnen an dieser Stelle ein Video der Friedrich-Naumann-Stiftung empfehlen, die sich dem Thema auch angenommen und eine sehr plastische Erklärung gefunden hat. Schauen Sie doch einfach mal hinein: http://www.freiheit.org/webcom/show_article_bb.php/_c-616/_nr-10287/i.html
Zum Abschluss noch etwas zu den von Ihnen beschriebenen, persönlichen Erfahrungen: Die Lage Ihres Kollegen bedauere ich ausdrücklich und werde den von Ihnen geschilderten Missstand bezüglich der Bewerbungspflicht gerne sowohl an das zuständige Ministerium für Arbeit und Soziales, als auch an meinen zuständigen Kollegen in der Fraktion, unseren Arbeitsmarktpolitischen Sprecher Johannes Vogel weiterleiten. Ich habe immer wieder das Gefühl, dass wir in unserem Wunsch alles möglichst gerecht zu regeln oft solche Ergebnisse bekommen, wie die von Ihnen beschriebenen.
Wenn Sie in Zukunft weitere Anregungen haben oder auf ähnliche Missstände hinweisen möchten, können Sie sich natürlich wieder jederzeit an mich und mein Büro wenden. Schließlich können wir auch als Politik Probleme immer nur angehen, wenn wir davon in Kenntnis gesetzt werden. Von daher bin ich stets dankbar für jeden Hinweis, der von engagierten Bürgern wie Ihnen bei mir eingeht.
Es grüßt Sie herzlich aus Krefeld,
Ihr Otto Fricke