Frage an Otto Fricke von Manfred B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Fricke,
Sie waren heute, den 28.März auf Phönix zu sehen in einer Diskussionsrunde:
"Zukunft Sozialstaat - was können wir uns leisten" (Forum Pariser Platz)
Als die Diskussionsteilnehmer allgemein zu dem Schluß kamen, dass Kurzarbeit
eine gute Sache war/ist, konterten Sie mit dem Einwand "aber es kommt drauf an wie lange".
Sie sind gegen einen Verlängerung der derzeitigen Kurzarbeiter Regelung.
Jetzt stelle ich fest:
1. Sie sind GEGEN einen flächendeckenden Mindestlohn
2. Sie sind GEGEN eine Verlängerung der derzeitigen Kurzarbeitsregelung
3. Sie sind aber FÜR eine Alimentierung von Dumpinglohn-Arbeitsplätzen, in dem der Staat niedrig entlohnte Arbeit dauerhaft aufstockt.
Jetzt frage ich Sie:
Warum sind Sie oder die FDP einerseits FÜR die dauerhafte Alimentierung von Niedrigstlohn- Arbeitsplätzen, und gleichzeitig GEGEN eine Alimentierung von Facharbeiter-Arbeitsplätzen durch Kurzarbeitergeld während einer Krise, die von Banken und ihren Spekulanten angezettelt wurde? Warum dieser Widerspruch?
Mit freundlichem Gruß
Manfred Burger
Sehr geehrter Herr Burger,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der Themen Mindestlohn und Kurzarbeitergeld.
In der sehr differenziert geführten Diskussion um die Zukunft des Sozialstaates haben nicht nur ich, sondern auch andere Teilnehmer darauf hingewiesen, dass Kurzarbeit den Unternehmen nur dazu dienen kann, Produktionsrückgänge kurzzeitig zu überbrücken, ohne ihre Mitarbeiter entlassen zu müssen. Nach Ansicht von Ökonomen wie dem Vorsitzenden des Sachverständigenrates der Bundesregierung, Wolfgang Franz, kann eine Ausdehnung der Kurzarbeit betriebsbedingte Kündigungen jedoch langfristig nicht verhindern. Bei strukturellen Krisen kann das Kurzarbeitergeld sogar dazu führen, dass erforderliche und arbeitsplatzerhaltene Restrukturierungsmaßnahmen schlichtweg nicht durchgeführt werden. Dies ist bei jeglicher Form von "Subventionen" der Fall.
Die Verlängerung der maximalen Dauer von Kurzarbeit von 18 auf 24 Monaten sehe ich zudem skeptisch. So kann dies einzelnen Firmen noch einmal zusätzlich Luft verschaffen. Aber grundsätzlich gilt, dass Kurzarbeit nur dann ihre Brückenfunktion entfalten kann, wenn auch absehbar ist, dass in 24 Monaten das Niveau wieder erreicht wird, von dem aus der Abschwung begonnen hat. Dies kann die Politik jedoch nicht antizipieren, auch wenn wir uns bemühen die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen.
Gerne gehe ich auch auf das Thema Mindestlohn ein. Die FDP-Bundestagsfraktion steht für einen Kurswechsel in der Mindestlohnpolitik. Wir sehen in Eingriffen des Staates in die Lohnfindung ein erhebliches Problem. Die Mindestlohnpolitik der letzten Jahre hat deutlich gemacht, dass oftmals nicht das Interesse der Arbeitnehmer an einem ausreichenden Einkommen im Vordergrund steht, sondern dass es allzu oft um die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen geht. Beispielhaft hierfür steht der Postmindestlohn, welcher zum Verlust von mehr als 7.000 Arbeitsplätzen bei den Konkurrenten der Deutschen Post geführt hat. CDU/CSU und FDP haben sich u.a. aus diesem Grund darauf verständigen können, die bestehenden Mindestlohnregelungen bis zum Oktober 2011 zu evaluieren. Das Ergebnis dieser Evaluierung soll als Grundlage für die Entscheidung dienen, ob die geltenden Mindestlohnregelungen Bestand haben oder aufgehoben werden sollten. In jedem Fall haben wir uns mit unserem Koalitionspartner darauf geeinigt, die Tarifautonomie zu stärken und die Entscheidung für die Festsetzung von Löhnen wieder mehr in die Verantwortung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu geben. Dazu stärken wir den Tarifausschuss. ( http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/tarifausschuss.html )
Nach meiner Überzeugung muss im Vordergrund aller Bemühungen die langfristige Integration von Arbeitsuchenden in den ersten Arbeitsmarkt stehen. Das gilt auch für die Ein-Euro-Jobs, die sie wahrscheinlich mit den vermeintlichen "Dumpinglohn-Arbeitsplätzen" meinen. Deutschland braucht einen funktionsfähigen Niedriglohnsektor. Auch ein Arbeitsplatz mit geringem Einkommen bei gleichzeitiger Aufstockung durch staatliche Leistungen im Falle der Bedürftigkeit ist allemal besser, als eine durch zu hohe Lohnkosten verursachte Arbeitslosigkeit. Es müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die Aufnahme einer auch nur gering entlohnten Beschäftigung gegenüber der alleinigen Inanspruchnahme staatlicher Transferleistungen attraktiver zu machen. Die bestehenden Regelungen zur sozialen Absicherung müssen vereinfacht und unbürokratischer ausgestaltet werden. Hierzu soll auch das von der FDP entwickelte Bürgergeldkonzept beitragen. Das Bürgergeld ist ein transparentes Steuer- und Transfersystem aus einem Guss. Es wirkt aktivierend durch einen gleitenden und lohnenden Übergang in die Erwerbstätigkeit. Reichen geringe Löhne nicht aus, um den Lebensunterhalt zu gewährleisten, greift das von der FDP entwickelte Bürgergeld unterstützend ein. So sorgt das Bürgergeld für ein Mindesteinkommen, das Beschäftigung fördert. Allen wird die Chance gegeben, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und zugleich immer das notwendige Mindesteinkommen zu erreichen. Dadurch wird Armut besser verhindert als durch staatlich verordnete Mindestlöhne.
Mit freundlichen Grüßen
Otto Fricke