Frage an Otto Fricke von Sebastian M. bezüglich Finanzen
Zur zunehmenden Pro-Kopf-Verschuldung
Sehr geehrter Herr Fricke,
Sie werden sich wahrscheinlich gleich fragen, ob ich meine Frage wirklich ernst meine.
Die Gesamtverschuldung wird wohl am Jahresende schlappe 1.700.000.000.000 € bzw, pro Kopf ca. 20.750 € erreicht haben (Quelle: SPIEGEL Online). Man fährt ja "auf Sicht".
Nun zu meiner Frage: Wäre es grundsätzlich möglich, als waschechter Patriot "seine" 20.750 € "zurück" zu zahlen, zumindest in Raten? Könnte man dem Rückzahler (juristisch) zusichern, dass mit seiner Rückzahlung die Schulden um diesen Betrag sinken?
Aber bis diese Summe zurückgezahlt wäre, ist dieser Betrag bereits wieder gestiegen.
Ist diese stetig steigende Gesamtverschuldung nicht auch eine zunehmende Einschränkung individueller Freiheit?
Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian Moogk
Sehr geehrter Herr Moogk,
Ihre Frage finde ich sehr interessant und gut gestellt, da sie deutlich macht, wie es um unsere staatliche Gesamtsituation gestellt ist. Daher habe ich auch keinerlei Zweifel an Ihrer ernsthaften Intention, auch wenn mir die Umsetzung problematisch erscheint, so sehr ich das Ziel begrüße.
In der Tat erzeugt die Umrechnung der gesamtstaatlichen tatsächlichen (expliziten) Verschuldung auf jeden einzelnen Bundesbürger bei vielen die Vorstellung, dass ja nur jeder seinen Betrag zu zahlen bräuchte und sich das angeblich "große Problem" dann schnell erledigt hätte.
Der Betrag, der auf jeden Bürger entfiele, hat mit nunmehr über 20.000 Euro eine sehr unangenehmes Ausmaß erreicht. Er ist zudem bei weitem nicht von jedem (auch Säuglinge, Kinder und alle anderen Mitbürger ohne eigenes Einkommen sind mitgerechnet) leistbar. Bedenken Sie, für eine junge Familie mit 2 Kindern wären dies weit über 80.000 Euro ! Schließlich stellt sich auch die Frage, ob es mit den Grundsätzen einer sozialen Marktwirtschaft vereinbar wäre, wenn hier jeder, unabhängig von seiner Leistungsfähigkeit und seinem Alter den gleichen Betrag zahlen müsste.
Abgesehen von kleinere technischen Hürden bestünden bei dem von Ihnen Vorgehen auch große dauerhafte Gefahren. So würde die Politik (und damit meine ich stets nicht nur "die Politiker, sondern auch diejenigen, die eine Politik unterstützen, die mit Schulden finanziert wird) nach einer derartigen "Sondertilgung" munter und ziemlich unbesorgt wieder neue Schulden machen. Verantwortung für "politische Geschenke" würde dann erneut auf der Zeitachse verschoben werden. Warum, auch wenn jeder Vergleich ein wenig hinkt, ist am Tag der Gehaltsüberweisung das Konto im Plus, um dann bis zur nächten Gehaltszahlung, wie so oft, ins Minus zu rutschen ? Weil wir nur dann von unsern Schulden "runter" kommen, wenn wir die Gesamtstruktur verändern.
Der Handlungsspielraum der Politik wird allein mit der zunehmenden Zinslast immer enger. Dies ist eine Beschränkung von Freiheit. Sowohl bei der Frage, wie wir unser Land zukunftsfest (Bildung) machen, als auch bei der Frage, wem wir helfen müssen (Sozialleistungen). Aber auch die individuelle Freiheit ist betroffen, denn jede Steuer- und Abgabenerhöhung wegen der hohen Staatsausgaben schränkt jeden Einzelnen ein. Bereits heute beträgt die jährliche Zinsbelastung alleine beim Bund rd. 42 Mrd. Euro und ist nach dem Zuschuss zur Rentenversicherung (ca. 80 Mrd)der zweitgrößte Haushaltsposten. Immerhin verdeutlicht dieses schmerzhafte Zins-Hoch der Politik die schlimmste Folge der Staatsverschuldung. Sie abzuarbeiten ist eine verantwortungsvolle und langfristige Aufgabe, die die Gesellschaft letztlich nur erfüllen kann, wenn Sie sich hierüber einig ist. Behauptungen, es sei doch genug Geld da, zielen auf weitere Einnahmen. Diese aber führen einerseits wegen der immer höheren Belastungen zu weniger Leistungsbereitschaft und es wird vergessen, dass auch die gestiegenen Einnahmen der vergangenen Jahre nicht zu Überschüssen, sondern wegen der weiter steigenden Ausgaben zu weiteren Schulden geführt haben. Merke: Wer mehr einenehmen will in der Politik, der will (leider bisher) auch mehr ausgeben !
Selbst wenn es die von Ihnen genannten (juristischen) Zusicherung gäbe, hätten diese genau den Effekt, den auch die sogenannten Schuldenbremsen haben und hatten: keinen, solange die Verletzung dieser Zusicherung bzw. Regeln keine Konsequenzen haben. Auch wenn ich mich wiederhole. Solange mehr Geld des Steuerzahlers ausgeben politisch belohnt wird (durch Wahlen, bei Diskussionen), fehlt es an der Umsetzung. Ich treffe immer wieder auf Bürger, die sagen, es muss gespart werden, wenn man dann aber konkrete Vorschläge nachfragt, sind immer andere betroffen. Als FDP Bundestagsfraktion waren wir so "mutig" und haben mit unseren "Liberalen Sparbüchern" alljährlich über 400 konkrete Anträge gestellt, die ein Entlastungsvolumen von jeweils über 10 Mrd. Euro umfassten. Sämtliche Anträge sind von der Koalition (sei es der rot-grünen oder der schwarz-roten) abgelehnt worden. Die Sparbücher können Sie unter folgendem Link einsehen: http://www.fdp-fraktion.de/webcom/show_article.php?wc_c=1505 Damit kann ich die Verschuldung zwar nicht beenden, aber ohne Ausgabenstreichungen braucht man mit ernsthaftem Sparen erst gar nicht anfangen.
Es grüßt Sie freundlich und sommerlich
Otto Fricke, MdB