Frage an Otto Bertermann von Janina L. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Dr. Bertermann!
Vielen Dank für Ihre Antwort, zu der ich noch Fragen habe:
Sind Sie der Meinung, dass es den Pflegeberuf aufwertet, wenn die Aufnahmevoraussetzungen abgesenkt werden? Trotz gestiegener berufl. Anforderung + trotz höheren Qualifikationen in Resteuropa? Sind das Maßnahmen, mit denen die FDP den Pflegeberuf fördert?
Wieso denken Sie, dass durch Zentralisierung v. Aufg., die von untersch. Behörden ausgeführt werden, Bürokratie entsteht? Wieso glauben Sie, das Pflegende Mitgliedschaft/Beitrag (ca.10€/Mon.) als Zwang ansehen?
Was bringt eine Berufsordnung, wenn sie nicht für alle verbindlich ist und die Einhaltung nicht überwacht wird? Warum sollen Pflegende keine Schiedsstelle brauchen? Wie soll ein Verband/ ver.di die Fort-/ Weiterbildung vereinheitlichen, wie Pflegequalität kontrollieren und wie verbindl. Stellungnahmen zu pflegerischen Themen herausgeben? Wieso können Sie als Nicht-Pflegender entscheiden, was Probleme der Pflege sind?
Welche Möglichkeit, um die Bezahlung der 1,2 Mio. Pflegenden zu erhöhen, präferieren Sie: a) der Bürger muss mehr in KV/PV einzahlen oder b) die anderen Berufsgruppen bekommen weniger? Wie trägt die Bezahlung zur Aufwertung des Berufs bei? Allensbacher Berufsprestige-Skala 2011: 1.Arzt 2.Krankenschwester, Vorletzter- Banker.
Die „Experten“, von denen Sie sprechen, sind Arbeitgeber + ver.di, die sich vor der Einschränkung ihrer Entscheidungsrechte fürchten (ich war anwesend).
Wie kommen Sie darauf, dass andere Gesundheitsberufe eine Kammer wollen? Mir ist da Gegenteiliges bekannt.
Wenn das System so veraltet ist, schaffen Sie die Ärztekammer ab. Die Kassenärztliche Vereinigung, die ebenfalls eine Körperschaft des öff. Rechts ist, sollten Sie auch gleich abschaffen.
Auch ich schätze die Bedeutung Ihrer Arbeit als Vertreter der Bürger im Landtag wert. Sie haben große Verantwortung, denn die Entscheidungen, die Sie treffen, haben Auswirkungen auf die Bürger.
Herzliche Grüße, J. Lang
Sehr geehrte Frau Lang,
bitte entschuldigen Sie, dass ich erst jetzt verzögert zurückschreibe. Wie sie wahrscheinlich mitbekommen haben, habe ich die FDP-Fraktion verlassen und bin der Fraktion der Freien Wähler beigetreten. Als Arzt konnte ich die Position der Liberalen im Bund zur Präimplantationsdiagnostik und passiver Sterbehilfe nicht mehr mittragen. An meiner Haltung zur Einführung einer Pflegekammer in Bayern hat sich trotzdem nichts geändert. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass die Einführung eine Pflegekammer reine Schaufensterpolitik wäre. Aber nun zu Ihren Fragen.
Kurz- bis mittelfristig ist es notwendig, dass wir die Aufnahmevoraussetzungen für den Pflegeberuf absenken und den Zuzug von ausländischen Fachkräften erleichtern. Nur so können wir den akuten Personalmangel in diesem Gebiet vorerst beheben. Langfristig sehe ich jedoch keine Bestrebungen das Ansehen des Pflegeberufes durch eine Verminderung der Aufnahmekriterien zu senken. Das Gegenteil ist der Fall. Die Möglichkeit mit einem Bachelorabschluss weiterführende Qualifikationen zu erwerben wertet den Pflegeberuf deutlich auf. Fachkräften, die sich weiterbilden wollen, müssen berufliche Perspektiven aufgezeigt werden.
Die Bürokratie entsteht nicht durch die Zentralisierung der Aufgaben, sondern vielmehr durch den zunehmenden Personalaufwand und die Verwaltungskosten einer so großen Behörde. Denken sie alleine an die Kosten für eine aufwendige Mitgliederverwaltung, etc. Zur Frage der Zwangsmitgliedschaft: Bis jetzt sind ca. 10% der Pflegekräfte in Interessenverbänden organisiert. Ich sehe nicht, wie eine Pflichtmitgliedschaft dem unzureichenden Engagement in beruflichen Angelegenheiten abhelfen würde, denn wer sich nicht freiwillig engagiert, wird es erst recht nicht in einer Zwangskörperschaft tun. Die Pflichtbeiträge würden dann lediglich zur Finanzierung des bürokratischen Apparates dienen.
Es wird immer wieder diskutiert auch berufsrechtliche Zuständigkeiten in eine Kammer hineinzugeben. Das heißt, dass eine Kammer über eine Berufsordnung festlegt, inwieweit sogenannte Regelverstöße von Kammerangehörigen geahndet oder sanktioniert werden. 90 % der Pflegekräfte befinden sich allerdings in einem Angestelltenverhältnis. Das führt zu einem Spannungsverhältnis, welches sich aus dem Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ergibt. Dieses Rechtsverhältnis verlangt per se schon eine korrekte Berufsausübung, und schon aufgrund dieses Rechtsverhältnisses aus dem Arbeitsvertrag wären Sanktionierungsmöglichkeiten gegeben. Hinzu kommt noch, dass die Erfolgsaussichten als Patientin oder Patient eine Anerkennung zum Beispiel von Pflegeschäden in einem geschlossenen System des eigenen Berufsstandes zu bekommen mehr als bescheiden sind und zu Recht aus der Sicht von Verbraucherorganisationen und auch aus der Sicht des MDK als vollkommen unzureichend, nicht transparent und als der Situation der Betroffenen nicht angemessen beschrieben werden. Zur Überwachung der Pflege braucht man also keine Berufsordnung. Diese Funktion erfüllt bereits der MDK. Er wird in allen Einrichtungen tätig und prüft sehr dezidiert die Leistungsanforderungen in der Pflege.
Als „Nicht Pflegender“ kann ich nicht alleine und uniformiert über die Probleme der „Pflegenden“ entscheiden und maße mir dies auch nicht an. Vielmehr werden die Pflegeverbände bei Anhörungen im Bayerischen Landtag oder über Stellungnahmen auf Anfrage der Ministerialbürokratie regelmäßig in Angelegenheiten der Pflege berücksichtigt. Damit bin ich als Politiker bestens ins Bild gesetzt und versuche mit meinem Handeln stets sachbezogene Entscheidungen frei von Parteien-Ideologie zu treffen.
Um auch in Zukunft eine würdige Pflege für Pfleger und Zupflegende zu gewährleisten, werden wir nicht umhinkommen mehr Geld in die Pflege zu stecken. Dafür muss auch jeder Einzelne seinen Beitrag leisten. Die staatliche Bezuschussung der privaten Pflegeversicherung ist eine gute Möglichkeit dieses Finanzierungsinstrument auszubauen und zu stärken. Eine bessere Bezahlung trägt natürlich nicht alleinig zur Aufwertung des gesamten Berufsstandes bei. Zusammengenommen mit anderen Faktoren wie der Akademisierung kann sie jedoch dazu führen, dass das Ansehen und die Attraktivität des Pflegeberufes für junge Menschen gesteigert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. med. Otto Bertermann, MdL