Frage an Ottmar von Holtz von Dieter V. bezüglich Verteidigung
Sehr geehrter Herr von Holtz,
warum verstossen Sie mit Ihrer Zustimmung zum Afghanistan-einsatz der deutschen Soldaten gegen den Auftrag des Grundgesetzes, dass die Bundeswehr nur zur Verteidigung beruft? (Ggf wäre eine Ausnahme, wenn der Einsatz im Rahmen einer UNO-Mission erfolgt - dies ist aber nicht der Fall).
Die Lehre des zweiten Weltkriegs war, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf.
Wieso haben Sie sich von der früheren Linie der Grünen abgewandt, die konsequent gegen JEDEN Einsatz deutscher Soldaten im Ausland war?
Mit freundlichen Grüssen
D. V.
Sehr geehrter Herr Vogelmann,
durch den Beschluss der NATO, die Streitkräfte aus Afghanistan abzuziehen, hat sich die Frage nach dem Einsatz der Bundeswehr quasi von selbst erledigt. Dennoch möchte ich ihnen kurz mein Abstimmungsverhalten begründen.
Afghanistan ist schwer gezeichnet durch die grassierende Covid-19-Pandemie. Die Zahl der Covid-19-Toten soll laut Schätzungen des renommierten Afghan Analysists Network im vergangenen Jahr die Zahl der Menschen, die durch Kampfhandlungen verstorben sind, übertroffen haben.
Dennoch leidet die Bevölkerung weiterhin unter der Gewalt der Taliban. Diese Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, Bedienstete des Staates und Sicherheitskräfte ist in fast allen Provinzen des Landes in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Neben den Taliban etabliert sich die Terrororganisation Islamischer Staat zunehmend in Afghanistan, eine zunehmende Zahl von Opfern ist auf ihre Anschläge zurückzuführen.
Deshalb sind die afghanische Regierung und Gesellschaft weiterhin in besonderem Maße auf internationale Unterstützung angewiesen. Auch eine Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte ist nach wie vor zwingend notwendig, weil die Auseinandersetzung mit den Taliban und anderen aufständischen Gruppen immer noch hohe Opferzahlen gerade unter ihnen fordert.
Nun hat sich mit dem Beschluss der NATO, aus Afghanistan abzuziehen, die Lage geändert. Diese Unterstützung der afghanischen Zivilgesellschaft, Sicherheitskräfte und Regierung müssen wir künftig auf andere Weise und auf anderen Wegen sicherstellen. Ich mache mir große Sorgen über die Zukunft derjenigen, die sich in Afghanistan für Menschenrechte einsetzen. Schon jetzt weiß ich von vielen Menschen, die Nagst haben und die konkret bedroht werden.
Eines möchte ich klar stellen: die Bundeswehr hat in Afghanistan keinen Krieg gegen das Land Afghanistan oder gegen seine Einwohnerinnen und Einwohner geführt. Dennoch ist mir auch bewusst, dass der Afghanistan-Einsatz der längste und kontroverseste Auslandseinsatz der Bundeswehr war, der nicht nur Afghanistan, sondern auch Deutschland geprägt hat.
Abertausende Soldatinnen und Soldaten, Polizistinnen und Polizisten, Diplomatinnen und Diplomaten sowie zivile Helferinnen und Helfer haben beim Wiederaufbau mitgeholfen. Ihre Erfahrungen müssen in die wichtige Diskussion, wie die Bundesrepublik sich in Zukunft in Auslandseinsätzen einbringen sollte, einfließen. Die Bundesregierung verweigert sich bisher leider weiterhin einer unabhängigen Evaluierung des deutschen Afghanistan-Engagements. Das ist der Bedeutung dieses Einsatzes völlig unangemessen.
Mit freundlichen Grüßen
Ottmar von Holtz