Frage an Oliver Wittke von Siegmund E. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Wittke,
bei Ihrer Antwort an Herrn Walter sind mir einige Punkte aufgefallen, bei denen ich Sie bitten würde, mir diese näher zu erläutern, vielen Dank im Vorraus:
"Cannabis ist eine berauschende ( ... )von Cannabis zu verhindern."
Wie wird der Missbrauch von Cannabis durch die aktuelle drogenpolitische Situation in Deutschland verhindert?
Durch:
Verkauf an Kinder und Jugendliche auf dem Schwarzmarkt?
Keine Regulierung und Kennzeichnung der Wirkstoffkonzentration?
Oder dadurch, das Konsumenten, die ansonsten nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind kriminalisiert werden, Ihren Führerschein und somit häufig auch Ihre Existenzgrundlage verlieren? 2)
Oder dadurch, das Problemkonsumenten kaum erreicht werden können und Ihnen somit keine Hilfe zuteil werden kann?
"Eine Legalisierung ( ... ) des Cannabiskonsums hingewiesen."
Wie genau wird "Der Gesundheitsschutz der Bevölkerung" durch die derzeitige Situation gewährleistet?
Durch Streckmittel (Blei,Brix, synt. Cannabinoide)? 3)
Könnten Sie mir diese Studien nennen?
Eine seriöse Studie, welche dies behauptet habe ich bisher nicht finden können.
Vielmehr deuten die Studien darauf, das Cannabis nicht ansatzweise so schädlich ist wie bspw. Alkoho|Tabak 4)
[z.B.:0 Tote seit Menschengedenken 5),gegen 74t (Alk) und 110t (Tabak) Tote/Jahr (DE)]
"Der Gesundheitsschutz der heimischen (..) als verfassungsmäßig anerkannt hat."
-> Wie schützt die aktuelle Gesetzeslage die Gesundheit der hemischen Bevölkerung?*
Aktuell:Schwarzmarkt mit gigantischen Gewinnen für die organisierte Kriminalität->Schutz, für wen?
Für Kinder/Jungendliche:Einfacherer Zugang zu Cannabis als zu Tabak/Alkohol; was denken Sie, woran dies liegen könnte?
Vielen Dank,
MfG
Siegmund Ebers
___
* Wie steht es um die Gesundheit der Opfer des "Krieg-gegen-Drogen"?(Mexiko)
1) http://tinyurl.com/m5qgbx6
2) http://tinyurl.com/oh37spz
3) http://tinyurl.com/ovrxp3o
4) http://tinyurl.com/nuz2oe7
5) http://tinyurl.com/os3ys9p
6) http://tinyurl.com/q2usvxj
7) http://tinyurl.com/opc6kla
Sehr geehrter Herr Ebers,
die deutsche Drogenpolitik beruht auf dem Grundsatz des „balanced approach“, mit einem gleichen Gewicht bei der Angebots- und Nachfragereduzierung. Den Verboten und Sanktionen auf der einen Seite stehen Prävention, Therapie, Schadensminderung und Resozialisierung auf der anderen Seite mit dem gleichen Stellenwert gegenüber. Dementsprechend verfolgt das Betäubungsmittelgesetz als bundesgesetzliche Grundlage der deutschen Drogenpolitik neben repressiven Zwecken auch die Generalprävention in Form von Teilnahmen an Drogenberatungsgesprächen oder Frühzeitinterventionsprogrammen, wie dem erfolgreichen Projekt FreD (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten). Gerade beim Projekt FreD hat sich gezeigt, dass Jugendliche, Heranwachsende und junge Erwachsene durch den Druck eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens sehr erfolgreich zur Teilnahme am FreD-Projekt motiviert werden können, die ansonsten suchttherapeutisch unerreichbar wären; das gezeigte Engagement der Teilnehmer wird dabei in der Regel mit einer Einstellung des Verfahrens belohnt.
Darüber hinaus finden sich im Betäubungsmittelgesetz therapeutische und schadensminimierende Ansätze, beispielsweise Regelungen zu Drogenkonsumräumen (§§ 10a, 29 S. 2, 31a S. 2 BtMG) oder die Möglichkeit von Therapie statt Strafvollstreckung (§§ 35 ff. BtMG). An dieser Stelle sei auch die Entwicklung in der Tschechischen Republik erwähnt, wo seit dem 1. Januar 2010 der Besitz von 2 Gramm Methamphetamin, 1,5 Gramm Heroin, 1 Gramm Kokain und 5 Gramm Haschisch sowie bis zu 15 Gramm Marihuana nicht mehr als Straftat, sondern nur noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft ist. Ein Zusammenhang zwischen der leichteren Verfügbarkeit und der in den letzten Jahren erheblich zunehmenden Nachfrage vor allem in den an Tschechien angrenzenden Bundesländern Sachsen und Bayern ist dabei nicht zu übersehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem „Haschisch-Beschluss“ aus dem Jahr 1994 festgestellt, dass, soweit die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes Verhaltensweisen mit Strafe bedrohen, die ausschließlich den gelegentlichen Eigenverbrauch geringer Mengen von Cannabisprodukten vorbereiten und nicht mit einer Fremdgefährdung verbunden sind, sie deshalb nicht gegen das Übermaßverbot verstoßen, weil der Gesetzgeber es den Strafverfolgungsorganen ermöglicht, durch das Absehen von Strafe (vgl. § 29 V BtMG) oder Strafverfolgung (vgl. §§ 153 ff. StPO, § 31a BtMG) einem geringen individuellen Unrechts- und Schuldgehalt der Tat Rechnung zu tragen.
Auch wenn festzustellen ist, dass die Anwendungspraxis innerhalb Deutschlands nach wie vor uneinheitlich ist, da die einzelnen Bundesländer verschiedene Verfahrenseinstellungsgrenzen bei Cannabisvergehen nach § 31 BtMG vorsehen, die sich zwischen 6 und 15 Gramm bewegen, erachte ich die strafrechtlichen Verbote im Betäubungsmittelgesetz in Kombination mit umfassender Prävention und einer den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigenden Toleranz im Rahmen der Einstellungsgrenzen als notwendige und unverzichtbare Bestandteile der deutschen Drogenpolitik.
Mit freundlichen Grüßen,
Oliver Wittke MdB