Sehr geehrter Herr Dr. Vogt, unterstützen Sie das AfD-Verbot, wenn es zur Abstimmung kommt? Ich halte es für wichtig, dem BVerfG die Möglichkeit einer rechtlichen Prüfung zu geben.
„Sie … haben dabei eine Torhüter-Funktion. Es ist nicht Ihre Aufgabe, die Verfassungswidrigkeit einer Partei abschließend zu klären. Es ist Ihre Aufgabe, diese Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen. Und es ist Ihre Verantwortung, dies zu tun, sobald hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen. Dies ist längst der Fall.“ (Zitat aus dem offenen Brief des RAV)
Die Prüfung der AFD durch das BVerfG würde eine nicht zu unterschätzende normative Kraft entfalten. Die AfD müsste sich in den nächsten Jahren mäßigen, um nicht weitere Verbotsgründe zu liefern.
Das hätte Spaltungspotenzial, weil die Hardliner einen mäßigeren Kurs nicht mittragen dürften.Ich bitte Sie als Abgeordneten meines Wahlkreises, Ihrer Verantwortung endlich gerecht zu werden und ohne weitere Verzögerungen ein Parteiverbotsverfahren gegen die AfD einzuleiten.Vielen Dank für Ihre Antwort schon im Voraus,
mit freundlichen Grüßen
Stephanie D.
![Oliver Vogt Portrait von Oliver Vogt](/sites/default/files/styles/politician_teaser_xsmall/public/politicians-profile-pictures/33vogtoliverschleuseminden1.jpg?itok=Worl9fLv)
Sehr geehrte Frau D.
als CDU/CSU-Bundestagsfraktion stehen wir fest auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und betrachten die zunehmende Zustimmung zu den Positionen der AfD, insbesondere in Teilen Ostdeutschlands, als mahnendes Signal. Es muss unser Ziel sein, der zunehmenden Polarisierung in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken und populistischen Auswüchsen sowohl am rechten wie auch am linken Rand des politischen Spektrums klar eine Absage zu erteilen. Zugleich gilt es aber auch die Menschen wieder stärker in die demokratische Mitte unserer politischen Landschaft zu integrieren. Dies kann uns nur gelingen, wenn wir ihnen vermitteln, dass wir ihre Sorgen und Nöte ernst nehmen, auch wenn wir sicherlich nicht jede inhaltliche Position teilen. Der allgemeine Duktus, Menschen mit konservativen Überzeugungen beispielsweise in der öffentlichen Berichterstattung stets in die Nähe von Rechtsradikalen und der AfD zu stellen bewirkt, dass diese Menschen sich letztendlich genau dort wiederfinden. Nicht jeder Konservative steht der AfD nahe und auch nicht jeder Mensch, der sich gegen das Gendern ausspricht, sich besorgt über illegale Migration äußert oder einen gesunden Patriotismus vertritt, ist rechtsextrem. Nur wenn es uns gelingt, Meinungspluralismus wieder demokratisch und gemeinsam zu leben, können wir es schaffen, die Menschen aus den Fängen der AfD zu befreien. Diskurs in der Sache ohne Verurteilung des Einzelnen für dessen demokratische Überzeugungen ist der Grundgedanke der Demokratie.
Ich bin überzeugt, dass dies der Weg sein wird, wie wir die AfD auch ohne ein Parteiverbotsverfahren wieder klein bekommen werden.
Warum ich persönlich mich gegen die Initiative der vereinzelten Abgeordneten ausspreche, möchte ich Ihnen aber gerne kurz erläutern.
In der Bundesrepublik Deutschland gibt es ausschließlich eine Instanz, welche ein Parteiverbot beschließen kann: das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Im Rahmen der Gewaltenteilung ist es explizit zu begrüßen, dass beispielsweise das Parlament oder die Bundesregierung hier keinen Einfluss auf die Parteienlandschaft nehmen können, da dies zu einer Zensur unseres demokratischen Willensbildungsprozesses führen könnte, wenn beispielsweise eine links- oder rechtsradikale Regierung bestimmte Parteien aufgrund ihrer Überzeugungen verbieten könnte. Die Hürden für ein erfolgreiches Parteiverbotsverfahren sind in Deutschland allerdings sehr hoch angesetzt.
Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt alleine die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen hierfür nicht. Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint.
Zunächst prüft das Bundesverfassungsgericht in einem Vorverfahren, ob das Hauptverfahren eröffnet wird oder der Antrag als unzulässig bzw. als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen ist. Hierfür wird eine vorläufige Bewertung der Erfolgsaussichten nach Aktenlage vorgenommen.
Erweist sich der Antrag im Hauptverfahren als begründet, stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die politische Partei verfassungswidrig ist, erklärt die Auflösung der Partei und das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen. Hierzu und zu jeder anderen Entscheidung, die für die Partei nachteilig ist, bedarf es einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Senats. Das Bundesverfassungsgericht kann zudem die Einziehung des Vermögens der Partei aussprechen.
Zweimal hat das Bundesverfassungsgericht bislang ein Parteiverbot ausgesprochen: 1952 wurde die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten und 1956 die Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Ein 2001 gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) eingeleitetes Verbotsverfahren wurde 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen eingestellt. Am 17. Januar 2017 entschied das Bundesverfassungsgericht erneut über ein Verbot der NPD. Dabei stellte der Zweite Senat zwar fest, dass die NPD ein auf Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerichtetes politisches Konzept vertritt. Wegen fehlender Anhaltspunkte für eine erfolgreiche Durchsetzung ihrer politischen Ziele wurde die Partei jedoch nicht verboten.
Meiner Meinung nach würde ein Verbotsverfahren gegen die AfD, das vor dem Bundesverfassungsgericht nicht erfolgreich ist, fatale Auswirkungen auf unser Land haben. Die AfD würde sich hierdurch in ihrer Verfassungsmäßigkeit bestärkt sehen und dies auch öffentlich deutlich kommunizieren.
Aus diesem Grund werde ich mich zum aktuellen Zeitpunkt keinem AfD-Verbotsantrag anschließen.