Frage an Oliver Luksic von Axel M. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Luksic,
am 03.12.2009 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt, dass die derzeit in Deutschland geltende gesetzliche Regelung das Sorgerecht für ledige Väter betreffend gegen die Menschenrechte verstößt. Was eigentlich jeder in diesem Land wusste, ist also nun durch eine der höchsten Autoritäten in Europa aktenkundig gemacht worden. Frau Leutheusser-Schnarrenberger, die zu diesem Thema schon einige Anfragen erhalten hat, scheint derzeit auf Fragen zu diesem Thema nicht antworten zu wollen. Seit 11 Jahren wird in Deutschland wie nun festgestellt wurde Menschenrecht verletzt. §1626a BGB, welcher die menschenrechtsverletzende Regelung beinhaltet, darf nach der Rechtskraft des Urteils des EGMR in seiner jetzigen Form nicht mehr angewendet werden. Das bedeutet es würde eine gesetzlich nicht geregelte Grauzone entstehen, in welcher die deutschen Familiengerichte wohl wieder einmal Narrenfreiheit hätten. Verzeihen sie mir die Bemerkung, aber der größte Teil der deutschen Gerichte, einschließlich des BVerfG haben sich in den letzten 11 Jahren beim Thema Sorgerecht, Umgangsrecht, etc. für ledige Väter nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Mir stellen sich folgende Fragen:
Wie stehen sie persönlich zum Thema Sorgerecht für ledige Väter?
Die Bundesregierung hat die Möglichkeit innerhalb drei Monaten eine Beschwerde gegen das Urteil anzustreben. Sie hat aber auch die Möglichkeit, dem EGMR sofort mitzuteilen, dass sie auf eine Beschwerde verzichtet. In diesem Fall würde das Urteil sofort rechtskräftig. Ist die Verurteilung nicht peinlich genung für dieses Land. Sollte man nicht jetzt die Flucht nach vorne anstreben, sofort auf Rechtsmittel verzichten und das Urteil anerkennen? Wie sehen sie das?
Ich persönlich bin der Meinung, eine neue gesetzliche Regelung muss innerhalb von max. 6 Monaten rechtskräftig werden. Was meinen sie dazu?
Sehr geehrter Herr Meiser,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Die FDP setzt sich seit jeher dafür ein, dass gesellschaftliche Veränderungen - wie z.B. ein sich änderndes Familienbild - vom Gesetzgeber nachvollzogen werden. Die Zahl der nichtehelichen Gemeinschaften steigt an, ebenso die Zahl der nichtehelichen Kinder. 1998 hat die damalige schwarz-gelbe Koalition mit der Kinderschaftsrechtsreform erstmals nicht verheirateten Eltern die Möglichkeit gegeben, das Sorgerecht gemeinsam auszuüben. Ziel der Reform war eine „kindzentrierte Sichtweise“, die das Wohl des Kindes in den Vordergrund rückt und die Gleichstellung nichtehelicher und ehelicher Kinder - beispielsweise beim Umgangsrecht.
Bei dem Urteil des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, in der die jeweiligen Umstände Berücksichtigung finden müssen: in diesem Fall hatte der Kläger sechs Jahre mit seinem Kind zusammengelebt, drei Jahre ohne die Kindesmutter. Die Mutter, die mit dem Kläger nicht verheiratet war, war nicht bereit, der gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen. Diese ist jedoch Voraussetzung für das gemeinsame Sorgerecht der Eltern. Die Konsequenz dieser Entscheidung war, dass der Vater - der sich jahrelang intensiv um sein Kind gekümmert hat - in diesem Fall kein Mitspracherecht in denen das Kind betreffenden wichtigen Entscheidungen mehr hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom Januar 2003 darauf hingewiesen, dass ein gemeinsames Sorgerecht eine "tragfähige soziale Beziehung der Eltern zueinander und ein Mindestmaß an Übereinstimmung erfordert". Dies kann - so die bisherige Rechtssprechung - nicht bei jeder nichtehelichen Beziehung vorausgesetzt werden.
Ich teile grundsätzlich Ihre Auffassung, dass die Rechte von Vätern in Deutschland gestärkt werden sollten. Vor diesem Licht wird die FDP das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte genau studieren und prüfen, ob das geltende Recht dahingehend weiterentwickelt werden muss, dass Vätern die Gelegenheit gegeben wird, eine gerichtliche Einzelfallentscheidung auch ohne Zustimmung der Mutter herbeizuführen.