Frage an Oliver Jörg von Sophia O. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Lieber Herr Jörg!
Kennen Sie Prof. Dr. Christoph Degenharts Aufsatz "Verfassungsfragen des Rundfunkbeitrags nach dem Rundfunkbeitragsstaatsvertrag der Länder" in der Internet Zeitschrift "Humboldt Forum Recht", HFR 2013, S. 60 ff.?
Ihn kennen Sie hier lesen:
http://www.humboldt-forum-recht.de/deutsch/7-2013/index.html
Da wird der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag schon als verfassungswidrig betrachtet. Bestehen Sie noch darauf, dass er Verfassungskonform sei?
Die CSU hat mit dem Staatsvertrag bestimmt, dass ARD, ZDF und D-Radio mich informieren, bilden, beraten, unterhalten und Kultur bringen soll, und das ich die Rechnung dafür bekomme. Es ist ja egal, wie die CSU zu meinen Grundrechten nach Art. 1, 2, 3, 4, und 5 GG steht: in fünf Tagen habe ich wieder die Ehre, CSU wählen zu dürfen. Ich bin ganz gespannt zu lesen, was Sie antworten.
Übrigens, der renommierte Staats- und Verwaltungsrechtler Christoph Degenhart studierte Rechtswissenschaften an der exzellenten Universität München, er ist Richter am Sächsischen Verfassungsgerichtshof und ist Professor an der Uni Leipzig.
Liebe Frau Orthoi,
meine Positionen zum Rundfunkbeitrag kennen Sie ja aus unserer bisherigen Korrespondenz.
Erlauben Sie mir daher, an dieser Stelle nur ganz kurz auf die Ausführungen von Herrn Prof. Dr. Degenhart einzugehen. Seine Einschätzung ist mir bekannt. Er hat bereits Anfang des Jahres ein Rechtsgutachten im Auftrag des Handelsverbandes Deutschland (HDE) verfasst, in welchem er die Steuerthese vertritt.
Demgegenüber steht das Gutachten des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof.
Eine Steuer ist eine allgemeine, nicht zweckgebundene Einnahme des Staatshaushalts. Über die Verteilung von Steuereinnahmen entscheidet das Parlament und setzt damit über sein Budgetrecht Schwerpunkte.
Der Rundfunkbeitrag hingegen knüpft an eine Gegenleistung, nämlich den "individualnützigen Vorteil, jederzeit das Hörfunkprogramm und das Fernsehprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks empfangen zu können, damit über eine stetige, indivduell erschließbare Quelle der Information, der Unterhaltung, der kulturellen Anregung zu verfügen" (Kirchhof-Gutachten 2010, S. 45). Und ganz wichtig: über die Verteilung des Beitrags (etwa hinsichtlich Programmtyp bzw. Sendung) entscheidet nicht das Parlament. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unabhängig vom Staat.
Vermutlich wird es zu der unter Juristen umstrittenen Steuerfrage noch klärende gerichtliche Entscheidungen geben, die auch ich mit Interesse erwarte.
Einstweilen darf ich darauf hinweisen, dass der Rundfunkstaatsvertrag, auf dem das neue Beitragsmodell fußt, von allen Landesparlamenten und über die parteipolitischen Grenzen hinweg verabschiedet wurde. Ihren Vorwurf, die CSU missachte das Grundgesetz, weise ich entschieden zurück.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Jörg, MdL