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Ole Thorben Buschhüter
SPD
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Frage von Michael U. •

Welche Alternativen zum Verbindungsbahnentlastungstunnel sind von der Bürgerschaft geprüft worden, bevor man sich diesen aus dem Bundesverkehrsministerium kommenden Vorschlag zu eigen gemacht hat?

Auf eine Transparenz-Anfrage „Prüfung von Alternativen zum in Hamburg geplanten Verbindungsbahnentlastungstunnel“ hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr Dokumente vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass lediglich zwei Varianten für einen Tunnel (S-Bahn oder Regional- und Fernbahn im Tunnel) geprüft wurden, aber keine Alternativen zu einem solchen Tunnel.

https://fragdenstaat.de/a/291813

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Sehr geehrter Herr U.,

die Idee eines Verbindungsbahnentlastungstunnels resultiert aus den Überlegungen zum Deutschlandtakt. Der Deutschlandtakt bezeichnet ein Konzept für einen deutschlandweit abgestimmten integralen Taktfahrplan, mit dem ein Zielfahrplan für den Schienenpersonennah- und -fernverkehr aufgestellt wird und auf dessen Grundlage Neubaustrecken und andere Infrastrukturmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Diesen neuen Planungsansatz, nach dem Beispiel der Schweiz, begrüße ich sehr, er war überfällig. 

In diesem Zusammenhang wurde die Verbindungsbahn als Engpass für den deutschlandweit abgestimmten integralen Taktfahrplan identifiziert. Schon zuvor, 2019, wurde die Verbindungsbahn gemäß § 55 Eisenbahnregulierungsgesetz zum überlasteten Schienenweg erklärt. Der Deutschlandtakt schlägt daher als „Große Lösung“ eine Erhöhung der Kapazität der Verbindungsbahn vor. Zusätzliche Gleise für die Verbindungsbahn können sinnvollerweise nicht oberirdisch, sondern nur unterirdisch (Tunnel) gebaut werden. Ich halte dieses Konzept grundsätzlich für sinnvoll.

In der Folge wurden verschiedene Varianten untersucht, zunächst, ob ein zweigleisiger Tunnel Fern- und Regionalbahngleise oder die S-Bahn-Gleise aufnehmen sollte. In letzterem Fall könnten die bisherigen oberirdischen S-Bahn-Gleise, einschließlich der Gleise 3 und 4 im Hamburger Hauptbahnhof, für den Fern- und Regionalverkehr nutzbar gemacht werden. Der Verbindungsbahnentlastungstunnel würde daher auch einen weiteren S-Bahn-Tunnelbahnsteig östlich der heutigen Gleise 1 und 2 des Hamburger Hauptbahnhofs beinhalten. Für die weiteren Planungsschritte fiel die Wahl auf den Bau eines neuen S-Bahntunnels zwischen Hamburg Hbf und Hamburg-Altona. Dessen Vorteile überwiegen gegenüber der Variante eines Fernbahntunnels deutlich und werden wie folgt beschrieben (Drucksache 22/13027): „geringerer Regelquerschnitt, geringere Tiefenlage und sehr viel geringere Länge bzw. kein Erfordernis einer Elbunterquerung“. 

Der Senat führt in Drucksache 22/13027 dazu weiter aus: „Dieser Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) wurde als sogenanntes abgeleitetes Projekt in den Deutschlandtakt integriert. Dies bedeutet, dass das Projekt für die Ziele des Deutschlandtakts grundsätzlich als erforderlich erachtet wird und vom Bund angestoßen worden ist, jedoch mit der Erwartung, dass der Tunnel auch den durch die Aufgabenträger/Besteller des schienengebundenen Nahverkehrs (Bundesländer) gewünschten Mehrverkehren im schienengebundenen Personennahverkehr dienlich ist.“

Anschließend wurde in Abstimmung mit Hamburg eine weiterführende Machbarkeitsuntersuchung für den Verbindungsbahnentlastungstunnel durch den Bund beauftragt. Mit dieser weiterführenden Machbarkeitsuntersuchung wurden 2023 verschiedene Trassenvarianten für den S-Bahn-Tunnel entwickelt. Im Gesamtergebnis sollen sowohl die bestandsnahe Basistrasse Mitte sowie ergänzend auch die Basistrasse Süd in die Vorplanung überführt werden, um im Rahmen der Vorplanung die Planungstiefe insgesamt zu erhöhen und weitere Planungsgrundlagen und Informationen für eine Entscheidung der in der Entwurfsplanung weiterzuverfolgenden, endgültigen Trassenvariante zu erlangen.

Unterdessen werden von interessierter Seite Alternativen ins Gespräch gebracht. Zum einen eine westliche Eisenbahnelbquerung, die allerdings einen um ein Vielfaches längeren Tunnel erfordern würde, verbunden mit deutlich höheren Kosten im Vergleich zum Verbindungsbahnentlastungstunnel. Und ob der Verbindungsbahnentlastungstunnel dadurch entbehrlich würde, ist sehr fraglich (siehe Ausschussprotokoll 22/51). Zum anderen der Bau eines gigantischen neuen Hauptbahnhofs am Berliner Tor (Konzept Schiene Plus Hamburg), der u.a. auf dem Gedanken beruht, dass ein Fernverkehrshalt in Altona entbehrlich sei, da er nur zu einer schwachen Auslastung der Fernverkehrszüge auf der Verbindungsbahn führe. Ich teile diese Überlegung nicht. Bleibt die Frage des Haltepunkts Hamburg Dammtor: Durch einen Verzicht auf Fern- und Regionalverkehrshalte dort könnte die Kapazität der Verbindungsbahn sofort erhöht werden. Das lehnt Hamburg aus guten Gründen ab. Alternativ wäre es eine Überlegung wert, nur den Haltepunkt Hamburg Dammtor um zwei weitere Gleise zu erweitern, die außerhalb der Halle entstehen müssten. Auch nicht ganz trivial.

Ob der Bund die Idee eines S-Bahn-Tunnels weiterverfolgt oder ob es auch andere, ggf. kleinere sinnvolle und wirksame Möglichkeiten der Kapazitätserweiterung für die Verbindungsbahn und den Hamburger Hauptbahnhof gibt, wird die nächste Bundesregierung zu entscheiden haben. Sollte der Bund am Verbindungsbahnentlastungstunnel festhalten, werden wir die Umsetzung tatkräftig unterstützen.

Weiterführende Links:

Deutschlandtakt: Verbindungsbahnentlastungstunnel (Antrag der Fraktionen von SPD und Grünen, Drucksache 22/3543 vom 10.3.2021): https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/74837/22_03543_deutschlandtakt_verbindungsbahnentlastungstunnel

Sachstand Verbindungsbahnentlastungstunnel, Bericht des Verkehrsausschusses (Drucksache 22/7316 vom 9.2.2022): https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/78886/22_07316_bericht_des_verkehrsausschusses_ueber_die_selbstbefassung_zum_thema_verbindungsbahnentlastungstunnel

Ergebnisse der Machbarkeitsuntersuchung zum Verbindungsbahnentlastungstunnel, Selbstbefassung des Verkehrsausschusses (Ausschussprotokoll Nr. 22/30 vom 23.3.2023): https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/83290/22_030_wort_protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_verkehrsausschusses

Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft: Verbindungsbahnentlastungstunnel Variantenauswahl zur Überführung in die Leistungsphase 2 HOAI (Vorplanung) auf der Grundlage der Ergebnisse der Machbarkeitsuntersuchung (Drucksache 22/13027 vom 26.9.2023): https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/84999/22_13027_verbindungsbahnentlastungstunnel_variantenauswahl_zur_ueberfuehrung_in_die_leistungsphase_2_hoai_vorplanung_auf_der_grundlage_der_ergebnisse_der_machb

Ergebnisse der Studie zur Machbarkeit einer Westquerung der Elbe in der Freien und Hansestadt Hamburg und deren Auswirkungen auf den Deutschlandtakt, Selbstbefassung des Verkehrsausschusses (Ausschussprotokoll Nr. 22/51 vom 14.11.2024): https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/89152/22_051_wort_protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_verkehrsausschusses

Viele Grüße nach Saarlouis

Ole Thorben Buschhüter

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