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Frage von Karl-Heinz R. •

Frage an Ole Kreins von Karl-Heinz R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ole Kreins,

sehen Sie eine Handhabe gegen die Willkür und Diskriminierung der Nichtnutzer der ö.-r. Programme?

Laut BVerfGG § 31 binden die Entscheidungen des BVerfG alle Gerichte.

Nun behauptet das OVG Münster am 12.03.15:
http://www.ovg.nrw.de/behoerde/presse/pressemitteilungen/14_150312/index.php
"Der Rundfunkbeitrag bleibe eine Gegenleistung für die individuelle Empfangsmöglichkeit öffentlich-rechtlichen Rundfunks"

Damit setzten sich die OVG Richter über die bindende Rechtsprechung des BVerfG hinweg. So u.a. bezüglich der nicht vorhandenen Gegenleistung und keinem Leistungsaustausch auf Grund des zweiten Rundfunkurteils des BVerfG http://www.telemedicus.info/urteile/Rundfunkrecht/81-BVerfG-Az-2-BvF-168,-2-BvR-70268-2.-Rundfunkentscheidung-Taetigkeit-der-Rundfunkanstalten.html, mit der Folge: die ö.-r. Anstalten zahlen keine Umsatzsteuer. Die Sendungen sind danach kostenlos. Es wird die Gesamtveranstaltung auf Grund der Zusammenarbeit der Anstalten, des Finanzausgleichs, der gemeinsamen Finanzierung des ZDF und der Unbeschränktheit der Reichweite der Sendungen einer Landesanstalt finanziert.

Zu einer Gegenleistung gehören immer zwei dazu. Eine aufgedrängte Leistung ist Nötigung.

Die Typisierung des OVG Münster, bei der durch die Nichtdifferenzierung zwischen den Nutzern und Nichtnutzern der ö.-r. Progr. die Gruppen komplett zusammenfallen und das wegblenden der vielfältigen Verwendung der Multifunktionsbildschirme mit Internetanbindung für Internetinhalte inkl. Filmdienste, Online-Zeitungen und das Leugnen der DVD/Blu-ray und Spiel-Konsolen Verwendung machen die Typisierung zu einer Spekulation mit der Unterstellung der Nutzung einer mehrfach redundanten ö.-r. Option.

Die komplette Abschaffung der willentlichen Komponente, die Auflösung des besonderen Vorteils bei der Abgabenart "Beitrag" durch Belastung der Allgemeinheit anstatt der Nutzer sind ein Verstoß gegen die Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG).

Freundliche Grüße

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ring,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage zum Rundfunkbeitrag.

Sie haben mich gefragt, ob ich eine Handhabe „gegen die Willkür und Diskriminierung“ der Nichtnutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sehe.

Diese Frage haben Sie mir als gewähltem Abgeordneten gestellt. Ich sehe meine Hauptaufgabe in der politischen Bewertung von Sachverhalten, die in der Gesetzgebung münden. Die rechtliche Überprüfung von Gesetzen ist hingegen Aufgabe der richterlichen Gewalt. Aus guten Gründen sind diese beiden Bereiche voneinander getrennt bzw. unabhängig. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass ich die von Ihnen genannten Gerichtsurteile an dieser Stelle nicht kommentieren möchte. Eine gerichtliche Überprüfung bis hin zur Prüfung von möglichen Verletzungen von Grundrechten steht jedem Bürger und jeder Bürgerin offen, dazu braucht es keine Politiker und Politikerinnen. Die Gerichtsurteile sind dann aber auch bindend, nur so kann ein Rechtssystem Rechtssicherheit erzeugen.

Gerne möchte ich Ihnen aber eine politische Bewertung des Sachverhaltes geben. Deutschland verfügt über eines der besten öffentlich-rechtlichen Mediensysteme der Welt. In einer Informationsgesellschaft ist der Zugang zu Informationen aus unabhängiger Quelle unerlässlich. Gleiches gilt für eine demokratische Willensbildung. Bei aller Kritik, die legitim und wichtig ist, bin ich also von der Notwendigkeit und Qualität der öffentlich-rechtlichen Medien hierzulande überzeugt.

Wenn man so etwas möchte, muss man natürlich eine ausreichende Finanzierung bereitstellen. Das alte GEZ-System funktionierte auf Basis von Empfangsgeräten. Auch hier hätte man bereits den Einwand erheben können, dass nur der Besitz eines Empfangsgeräts nicht automatisch eine Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedeutet. Es ist nahezu unpraktikabel, ein Allgemeingut, welches sich an die gesamte Öffentlichkeit richtet, hin auf die tatsächliche individuelle Nutzung im Einzelfall hin zu überprüfen. In der Konsequenz bedeutete das GEZ-System, dass nicht wenige Menschen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzten, ohne sich an der Finanzierung zu beteiligen. Genauso ungut war die Überprüfung von Haushalten durch die GEZ, die immer stark an ein Eindringen in die Privatsphäre grenzte.

Um diese Missstände zu beheben wurde der neue Rundfunkbeitrag als Haushaltsbeitrag konzipiert. Damit entfallen viele Probleme und eine solide Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems kann gewährleistet werden. Es bleibt nun die Frage, ob die Ungerechtigkeit gegenüber Nichtnutzern nun derart gewichtig ist, dass das neue Finanzierungssystem als Ganzes in Frage gestellt werden muss.

Das ist für mich eine Abwägungsfrage. Ich komme aber zu dem Ergebnis, dass es die Finanzierung nicht grundsätzlich in Frage stellt. Auf der einen Seite ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Allgemeingut, er soll gut recherchierte Informationen und auch Unterhaltung jedem Menschen in Deutschland, unabhängig von der sozialen Situation, zur Verfügung stellen. Statistisch verfügt die überwältigende Mehrheit der Haushalte in Deutschland entweder über Radio, Fernseher oder internetfähigen Computer bzw. Handy. Dem Angebot kommt eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung zu und deshalb soll jeder/jede auch Zugriff darauf haben. Natürlich gibt es auch einen sehr kleinen Kreis von Menschen, die das Angebot mangels Empfangsgeräten nicht wahrnehmen können, andere wollen es nicht wahrnehmen.

Da es sich aber um ein Allgemeingut handelt, wird die Finanzierung solidarisch erbracht. Dabei werden die sozialen Lagen berücksichtigt, sodass sich bspw. Menschen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, vom Rundfunkbeitrag befreien lassen können. Der Rundfunkbeitrag selbst steigt schon lange nicht mehr exorbitant, sondern gleicht höchstens noch die Inflation aus, zuletzt nicht einmal mehr das. Der Rundfunkbeitrag belastet also nicht die sozial Schwächeren und verlangt jenen, die das Angebot partout nicht nutzen wollen, für die Allgemeinheit ein nicht allzu großes Opfer ab.

Einige argumentieren nun, dass es aber eher eine Steuer als ein Beitrag sein müsste. Sicherlich ist die rechtliche Bewertung dessen nicht unproblematisch. Aber politisch empfände ich es als sehr schwierig, wenn Parlamentsmehrheiten so dezidiert über die Höhe der Rundfunkfinanzierung je nach politischer Lage entscheiden könnten. Genau um derartige Konstellationen zu verhindern, ist eine Finanzierung über Beitrag sinnvoll, gerade um der demokratischen Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerecht zu werden.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiterhelfen.

Mit freundlichen Grüßen
MdA Ole Kreins