Frage an Norbert Lins von Robert W. bezüglich Medien, Kommunikation und Informationstechnik
Sehr geehrter Herr Lins,
meine Frage bezieht sich auf die "Council Resolution on Encryption" (13084/1/20REV 1). Die Resolution sieht u.a. vor, den Strafverfolgungsbehörden die technische Möglichkeit zu verschaffen, verschlüsselte Kommunikationskanäle zu entschlüsseln.
Da es keine generelle technische Möglichkeit dazu gibt muss eine solche Hintertür direkt in die Verschlüsselungsalgorithmen eingebaut werden. Dadurch ergibt sich die Notwendigkeit der Kooperation auf Seiten der Softwarehersteller (was die Resolution auch anerkennt).
Nun ist es aber so, dass technisch versierte Privatpersonen auch nach Umsetzung der Resolution in der Lage sein werden, hintertürfreie Verschlüsselungsalgorithmen (z.B. eins der aktuell verwendeten quelloffenen Protokolle) in eigenständig erstellte Software zu integrieren und zu verteilen. Dies gilt insbesondere auch für solche Personen, vor denen die EU ihre Bürger mit Hilfe dieser Resolution zu schützen gedenkt.
Wie stehen Sie persönlich zu dieser Thematik? Was halten Sie von der Wirksamkeit einer Hintertür, die letztendlich nur die großen Kommunikationsanbieter (z.B. WhatsApp oder Telegram) betreffen können wird, im kleineren Kreis aber leicht umgangen werden kann?
Die Resolution spricht außerdem mehrfach vom Gebot der Proportionalität. Konkret geht es auf der einen Seite um einen Eingriff in das Recht auf Privatssphäre von 450 Millionen EU-Bürgern. Und das Potential zu erhöhter Innerer Sicherheit und verbesserter Verbrechensaufklärung und Prävention auf der anderen. Wie stehen sie zu dieser Abwägung?
Zu guter letzt möchte ich an Sie appellieren, den Wunsch eines Bürgers nach Privatsphäre auch vor Strafverfolgungsbehörden anzuerkennen und zu respektieren. Es gibt leider auch innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten problematische Tendenzen, z.B. im Umgang mit der LGBT-Bewegung in Polen, durch die verschlüsselte Kommunikation auch zum Selbstschutz beiträgt.
Mit freundlichen Grüßen,
Robert Wolke
Sehr geehrter Herr W.,
Vielen Dank für Ihre Anfrage vom 16. Dezember 2020.
Das Thema der Verschlüsselung von Kommunikationskanälen ist ein sehr aktuelles Thema, welches zur Zeit von unterschiedlichen Seiten beleuchtet und diskutiert wird.
Ich kann Ihre Sorgen gut nachvollziehen und finde Ihre Argumentationen klar und deutlich.
Verständlicherweise beunruhigen Nachrichten, die in Zusammenhang mit Datenschutzrechten stehen. Schließlich bilden sie einen Grundstein für die Legitimation der EU und unser Verständnis europäischer Werte.
Es geht hier jedoch vielmehr darum, die Sicherheit und Unversehrtheit der EU-Bürgerinnen und –Bürger zu garantieren.
Wir dürfen die Augen nicht vor den Risiken eines völlig unantastbaren Kommunikationsraums verschließen und müssen uns deshalb auch dazu Gedanken machen, wie wir damit in Zukunft umgehen.
Nun möchte ich kurz auf Ihre einzelnen Punkte und Fragen eingehen.
Erstens erklären Sie, dass es technisch versierte Privatpersonen geben wird, die diese Resolution mit hintertürfreien Verschlüsselungsalgorithmen umgehen könnten. Leider befürchte ich auch, dass es solche Personen geben wird, die versuchen Regeln zu umgehen und dies auch erfolgreich durchführen können. Ich sehe jedoch auch die Notwendigkeit der Sicherheit durch Verschlüsselung, damit wir ein notwendiges Mittel zum Schutz der Grundrechte und Sicherheit haben.
Am Anfang kann es eventuell tatsächlich erst einmal nur die großen Kommunikationsanbieter betreffen, doch es kann mit der Zeit auch auf kleinere Anbieter ausgeweitet werden, sodass eine Umgehung hierin erschwert wird.
Zweitens gehen Sie auf das Thema der Proportionalität ein.
Die Abwägung von Privatsphäre und Sicherheit ist bei diesem Thema erforderlich. Die Privatsphäre muss sichergestellt werden, jedoch ist es auch die Aufgabe der Behörden für die allgemeine Sicherheit zu sorgen. Diese Balance zu finden ist nicht einfach; jedoch unumgänglich. Daher wäre es wichtig zu kontrollieren, dass die hohen europäischen Datenschutzstandards, die für alle EU-Bürgerinnen und –Bürger gelten, weiterhin gewahrt werden.
Ihren dritten Punkt finde ich sehr interessant. Die Entschließung vom Rat betont die Notwendigkeit der "Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung". Diese Beschreibung würde diesen Aspekt wiederspiegeln, dass die EU bestrebt ist für die allgemeine Sicherheit zu sorgen.
Mit den elektronischen Beweismitteln sollen unter anderem Terrorismus, organisierte Kriminalität, sexuellen Missbrauch von Kindern sowie eine Reihe anderer Cyberstraftaten bekämpft werden.
Der Dialog zwischen Forschung, Wissenschaft, Industrie, Zivilgesellschaft und Politik ist dabei entscheidend ein gutes Gleichgewicht zu finden zwischen Sicherstellung des weiteren Einsatzes starker Verschlüsselungstechnologien und der Gewährleistung der Befugnisse der Strafverfolgung und der Justiz, damit diese unter den gleichen Bedingungen wie in der Offline-Welt agieren.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Einblick auf meine Sicht dieser Resolution geben.
Wir benötigen Möglichkeiten, um die Ermittlungen von Sicherheitsbehörden mit digitalen Lösungen konkret zu unterstützen. Diese müssten dann einhergehen mit hohen Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen. Gemeinsam mit meinen Kollegen der CDU/CSU-Gruppe werden wir das Thema weiterhin sehr aufmerksam verfolgen und nach einem guten Mittelweg suchen.
Ich wünsche Ihnen gesegnete Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Norbert Lins